12.46

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätzte Mitglieder der Bundesregierung! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Zuseher zu Hause vor den Bildschirmen! Österreich, quo vadis? Das ist eine Frage, die wir uns nicht nur stellen sollten, sondern die wir uns gerade in dieser Zeit stellen müssen. Es sind drei Wochen vergangen, seitdem wir das erste Covid-19-Paket beschlossen haben – drei Wochen, in denen mir beinahe täglich die Worte unseres Vi­zekanzlers Werner Kogler einfallen, der gesagt hat: „Man wird Österreich in ein paar Jahren nicht wiedererkennen“.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich glaube, mit diesem Weg, den die Bundes­regierung gerade geht, werden wir Österreich in ein paar Wochen nicht wiedererken­nen. Was ist inzwischen schon passiert? – Es gibt inzwischen aufgrund des Fahrplans der schwarz-grünen Bundesregierung 200 000 neue Arbeitslose. (Bundesrätin Zeidler-Beck: Die haben wir wegen dem Virus! – Bundesrat Preineder: Virus!) Es gibt insge­samt 560 000 Arbeitslose in Österreich, das ist die schlimmste Arbeitslosigkeit, meine sehr geehrten Damen und Herren, seit 1946. Die Arbeitslosenzahlen gehen nach oben, die Kaufkraft der Österreicher geht nach unten, und ich sage, die Wirtschaft und alle Österreicher werden das noch viele, viele Jahre zu spüren bekommen.

Das Kaputtsparen unseres Gesundheitssystems, das Kaputtsparen des Sicherheits­systems, das Kaputtsparen des Bildungssystems (Zwischenrufe der BundesrätInnen Preineder und Zeidler-Beck): Ich glaube, das sind alles Dinge, die sich jetzt genau in dieser Zeit auch rächen. Im Pandemieplan des Bundes ist noch die Verwendung von Betten in militärischen Sanitätseinrichtungen vorgesehen; da hätte es eine Anpassung an die Lebenswirklichkeit gebraucht. Meine sehr geehrten Damen und Herren, genau diese Betten, diese Sanitätseinrichtungen wurden auf ein Minimum zurückgefahren. Diese Einrichtungen gibt es heute schon lange nicht mehr. Gerade unser damaliger Verteidigungsminister Norbert Darabos hat aufgrund des blinden Gehorsams gegen­über dem Rechnungshof genau diese Reform im Bereich des Sanitätsdienstes im ös­terreichischen Bundesheer eingeleitet: Militärspitäler wurden zusammengelegt, Sani­tätsanstalten wurden geschlossen, Krankenreviere wurden reduziert und die sanitäts­dienstliche Versorgung wurde auf ein absolut notwendiges Mindestmaß der Einsatz­versorgung zurückgefahren. Da sage ich, es ist nicht immer gut, wenn man diese rein betriebswirtschaftlichen Betrachtungsweisen des Rechnungshofes blind verfolgt, ohne dass man vielleicht an die Zustände in unserem Land und an die Lebenswirklichkeit denkt. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Heute würden wir diese Kapazitäten dringend benötigen.

Ähnliches zeigt sich aber auch bei uns in der Steiermark: Mein persönliches Unwort der letzten Jahre ist wahrscheinlich Spitalsreform. Bei uns wurden die Spitäler nämlich nicht reformiert, sondern in der Steiermark wurden sie im wahrsten Sinne des Wortes ruiniert. Auch diese Dinge hat man vergessen, in den Pandemieplan einzuarbeiten. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Das sind auch Kapazitäten, die man heute wahrscheinlich dringend brauchen würde.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ganz besonders am Herzen liegen mir unse­re Einsatzorganisationen: die Polizei, das Bundesheer, die Feuerwehren, die Rettungs­kräfte. Das sind alles Organisationen, die heute einen großartigen Dienst leisten und auch einen großen Teil zur Bewältigung dieser Krise beitragen. Sehr viele Berufssol­daten und Milizsoldaten befinden sich jetzt im sicherheitspolizeilichen Assistenzeinsatz quer über unser Land verstreut.

Ich glaube, die Bundesregierung hat bereits ein Schreiben der Assistenzkräfte in Vor­arlberg erreicht, und ich möchte Ihnen Auszüge davon auch nicht vorenthalten. Ein­gangs möchte ich aber sagen, dass diese Soldaten, die derzeit sicherheitspolizeilichen Assistenzeinsatz leisten, ihren Dienst für Österreich sehr gerne machen, dass sie wirklich in ihren Bereichen Spezialisten sind und dass sie stolz darauf sind, einen Bei­trag zur Bewältigung dieser Krise leisten zu können. Die Problemstellungen ergeben sich aber wieder einmal in einem ganz anderen Bereich, die Problemstellungen erge­ben sich wieder einmal beim Behördenauftrag.

Das Schwergewicht des Einsatzes in Vorarlberg liegt in der Unterstützung der Polizis­ten bei den Kontrollen. Dazu muss man aber sagen, dass es in Vorarlberg nicht mög­lich ist, den Polizisten bei der Kontrolle zu unterstützen, weil das der Behördenauftrag gar nicht zulässt. Nicht einmal auf Anweisung des Polizisten dürfen Soldaten dort Fahr­zeuge anhalten oder Personenkontrollen durchführen. – Das ist etwas, das ich der Bundesregierung auch mitgeben möchte; das ist etwas, das auch an die Lebenswirk­lichkeit angepasst werden muss. (Beifall bei der FPÖ.)

Eine weitere Problemstellung in Vorarlberg ergibt sich im Bereich der Bewachung be­ziehungsweise beim Schutz von kritischer Infrastruktur. Das einzig zur Verfügung ste­hende Instrument oder Mittel, das diese Soldaten haben, ist das sogenannte Jeder­mannrecht, nämlich § 80 der Strafprozessordnung. Diese Kompetenz hat jeder Öster­reicher. Ich glaube doch, dass Soldaten, die einen sicherheitspolizeilichen Assistenz­einsatz leisten, mehr Kompetenzen brauchen, um ihren Auftrag auch dementsprechend durchführen zu können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Soldaten sind stolz, einen Teil zur Bewäl­tigung der Krise beizutragen, vermitteln aber durch diese nicht vorhandenen Kompe­tenzen und diese Einschränkungen im Behördenauftrag eher ein Bild der Hilflosigkeit als der Professionalität. Da braucht es auf jeden Fall eine Änderung, um allen einge­setzten Soldaten bestmöglich zur Seite zu stehen und für Rechtssicherheit zu sorgen.

Aufgrund dieses Schreibens habe ich mich mit den Behördenaufträgen auseinander­gesetzt und recht schnell feststellen müssen, dass es in Österreich nicht acht ver­schiedene, sondern – im wahrsten Sinne des Wortes – acht unterschiedliche Behör­denaufträge gibt. Acht sind es aus dem Grund, dass in Niederösterreich bis heute kein Behördenauftrag vorhanden ist.

Die Behördenaufträge nehmen nicht nur auf regionale Besonderheiten Bezug, sondern gliedern dieselben inhaltlichen Vorgaben so unterschiedlich, dass für mich beinahe der Eindruck entsteht, es handelt sich nicht um gemeinsame Einsatzvorgaben. Einheitlich geregelt ist für die Einsatzkräfte der Bereich der Aufgaben, nämlich die erste allge­meine Hilfeleistung beziehungsweise vorbeugender Schutz von Rechtsgütern. In Salz­burg und Kärnten kommen zusätzlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, besondere Überwachung gefährdeter Vorhaben, Menschen oder Sachen beziehungs­weise die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit hinzu.

Die Unterschiede zeigen sich dann im Rahmen der Befugnisse, und ich möchte auf ei­nige spezielle Dinge etwas genauer eingehen.

In Wien gibt es zum Beispiel die Befugnis zur Wegweisung von kritischer Infrastruktur, in Oberösterreich gibt es diese Befugnis wiederum nicht. Umgekehrt sind in Wien die Befugnisse zur Sicherstellung von Sachen und zur Identitätsfeststellung nicht einge­räumt, in Oberösterreich gibt es diese Befugnis sehr wohl. In Tirol und Vorarlberg schränkt man die Befugnisse so weit ein, dass sich der sicherheitspolizeiliche Assis­tenzeinsatz unserer Soldaten auf ein reines Beobachten und Melden beschränkt.

Auch im Bereich der Dokumentation ergeben sich quer durch die Bundesländer viele, viele Unterschiede. In einem Bundesland muss alles sehr, sehr genau dokumentiert werden, in einem anderen Bundesland wiederum muss man nur statistische Zettel aus­füllen.

Ich sage, diese Unterschiede stellen für Soldaten, die nur in einem Bundesland einge­setzt sind, mehr oder weniger keine Probleme dar. Für Soldaten und Einsatzkräfte, die quer durch Österreich verschickt werden, die in verschiedenen Bundesländern, bun­desländerübergreifend eingesetzt sind, sind diese nicht einheitlichen Behördenaufträge sehr wohl ein Problem. Kompetenzen oder Befugnisse, die sie in einem Bundesland haben und heute anwenden dürfen, können morgen bereits eine Befugnisüberschrei­tung sein. Die Soldaten müssen an Ort und Stelle entscheiden, welche Befugnisse sie anwenden. Dabei laufen sie Gefahr, Befugnisse, die sie eigentlich haben, nicht anzu­wenden, weil sie sie gestern nicht hatten, oder Befugnisse, die sie gestern hatten, heu­te anzuwenden und dadurch eine Befugnisüberschreitung zu begehen.

Genau das kann nur durch eine zentral gesteuerte Harmonisierung der Befugnisse durch das Innenministerium behoben werden. Diese einheitliche Lösung für unsere Soldaten ist dringend notwendig, und ich bringe daher an dieser Stelle folgenden An­trag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Auswei­tung und Harmonisierung der Befugnisse im Assistenzeinsatz“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, dass es sofort zu einer Ausweitung der bestehenden Befugnisse und einer für ganz Österreich zentral gesteu­erten Harmonisierung der Befugnisse aller Soldaten im sicherheitspolizeilichen Assis­tenzeinsatz kommt, um einerseits die Exekutive effektiv unterstützen zu können und andererseits es zu keinen Missverständnissen bei bundesländerübergreifenden Einsät­zen kommt, sondern Rechtssicherheit für jeden einzelnen Soldaten gegeben ist.“

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Weiters darf man angesichts der in unserem Land herrschenden Zustände auch das Thema Asyl und Migration nicht ganz aus den Augen verlieren. Im ganzen Land fährt unser ÖVP-Innenminister derzeit Asyleinrichtungen hoch. Auf einmal fallen – wie aus heiterem Himmel – in Ossiach, in Wildon Asylanten vom Himmel. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Auf der anderen Seite fährt man in Leoben und in Steinhaus am Semmering eine Asyleinrichtung hoch.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, von 17. bis 23. März gab es in etwa 300 ille­gale Einwanderer in Österreich und in etwa 300 gestellte Asylanträge. (Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ.) Ich sage, gerade in Zeiten wie diesen, wenn es der Bundesre­gierung möglich ist, wirkliche Bürgerrechte einzuschränken, muss es ja auch möglich sein, das Asylrecht in dieser Zeit auszusetzen. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Zeidler-Beck.) Da braucht es ein konsequentes Handeln, und genau die­ses fordern wir Freiheitliche schon sehr, sehr lange von unserer Bundesregierung.

Aus dem Zuständigkeitsbereich des Innenministers ist mir aber auch ein weiterer un­glaublicher Sachverhalt zu Ohren gekommen. (Bundesrätin Zeidler-Beck: Redezeit! – Zwischenruf des Bundesrates Preineder.) – Na, tun Sie zuhören! Ich glaube, das ist auch für Sie sehr wichtig. Dieser Sachverhalt hat sich in Wien zugetragen, und man darf nicht nur dem Innenminister, sondern auch dem Gesundheitsminister ins Stamm­buch schreiben (neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Preineder), dass wir da dringenden Änderungsbedarf haben: In der 13. Kalenderwoche wurde ein Mitarbeiter aus dem Krisenstab der Polizei in Wien mit offensichtlichen Krankheitssymptomen nach Hause geschickt, zuerst in das sogenannte Homeoffice beziehungsweise bei ei­ner Verschlimmerung der Symptome in den Krankenstand.

Am nächsten Tag wurden die Symptome des Polizeibeamten schlimmer, und er hat sich bei der Hausärztin und der Nummer 1450 gemeldet. Nach einer langen Wartezeit wurde dem Exekutivbeamten dort mitgeteilt, dass er als Covid-19-Verdachtsfall einge­stuft wird und in den nächsten ein bis zwei Tagen getestet wird. Am selben Tag er­reichte den Beamten folgende Mitteilung:

Ihre Daten wurden von 1450 bereits an den Ärztefunkdienst Wien übermittelt, der in Kürze ein Sanitätsteam zu Ihnen schickt, um einen Nasen- und Rachenabstrich von Ih­nen abzunehmen. Bitte haben Sie etwas Geduld und seien Sie versichert: Alle Ge­sundheitsbehörden arbeiten so schnell wie möglich. Sobald das Ergebnis des Nasen- und Rachenabstrichs vorliegt, werden Sie umgehend informiert. In Abstimmung mit der Landessanitätsdirektion Wien werden Sie hiermit gemäß § 7 Epidemiegesetz ab sofort für die Dauer von 14 Tagen abgesondert, sofern in der Zwischenzeit seitens der für Sie zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde nichts anderes angeordnet wird. Sie werden angehalten, für diesen Zeitraum Ihre Wohnung zur Verhinderung einer möglichen Ver­breitung nicht zu verlassen. – Zitatende.

Ab diesem Zeitpunkt wurden dem Beamten täglich Benachrichtigungen und Aufforde­rungen zugestellt, dass er seinen Gesundheitszustand melden muss. Dieser Aufforde­rung ist der Beamte natürlich nachgekommen. Da zwei Tage lang nichts passiert ist, hat der Beamte wieder bei 1450 angerufen und wurde bei drei Anrufen zweimal weiter­verbunden zu - -

Präsident Robert Seeber: Herr Kollege, ich ersuche Sie aufgrund der Fairness allen gegenüber in Bezug auf die Redezeit, die Zeit ein bisschen zu berücksichtigen.

Bundesrat Markus Leinfellner (fortsetzend): Fakt ist, es sind mehr als 100 Stunden vom Erstkontakt bis zur tatsächlichen Testung vergangen, und bis zum heutigen Tag gibt es nach einem negativen Testergebnis noch immer keine Aufhebung der Aus­gangsbeschränkung beziehungsweise der häuslichen Quarantäne.

Ich glaube, in diesem Bereich haben wir sehr wohl Handlungsbedarf. Gerade heute sind unsere Polizisten zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung mehr als notwendig.

Abschließend – da es auch in den Zuständigkeitsbereich des Innenministeriums fällt – darf ich Ihnen noch die Schutzausrüstung zeigen, die in dieser Woche in der Landes­polizeidirektion Steiermark für unsere Polizisten ausgegeben wurde. (Der Redner hält ein Foto einer MNS-Maske in die Höhe.) Meine sehr geehrten Damen und Herren, die­se Placebomasken sind es definitiv nicht, die wir uns als geeignete Schutzmaßnahme für unsere Einsatzkräfte vorstellen. (Beifall bei der FPÖ.)

Unsere Einsatzkräfte haben sich den bestmöglichen Schutz verdient. Ich glaube, gera­de in diesem Bereich müssen wir nachbessern.

Jetzt – wirklich abschließend – darf ich allen Österreicherinnen und Österreichern auch in dieser schweren Zeit noch ein angenehmes und frohes Osterfest wünschen. Bleiben Sie gesund! (Beifall bei der FPÖ.)

13.01

Präsident Robert Seeber: Der von den Bundesräten Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Ausweitung und Harmo­nisierung der Befugnisse im Assistenzeinsatz“ ist genügend unterstützt und steht dem­nach mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Horst Schachner. Ich erteile ihm dieses.