9.55

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Grenzüberschreitend, zeitweise, je nachdem! Es gibt Dinge, die sind Querschnittmaterien, Herr Vizekanzler. Das werden Sie ja auch aus Ihrer Zeit wissen, als Sie Nationalratsabgeordneter waren: Zwischen den Parteien gibt es immer gewisse Schnittmengen, also man kann nie sagen, die einen sind so und die anderen sind so, weil es immer wieder Überschneidungen gibt – Gott sei Dank, muss man sagen.

Herr Präsident, auch ich möchte dir namens der Freiheitlichen für deine Präsidentschaft danken, in der du leider diese Projekte, die ja durchaus ambitioniert und auch spannend waren, nicht durchführen konntest. Ich finde es bedauerlich, denn das, was Karl Bader begonnen hat, den Bundesrat ins Bundesland zu tragen, „Bundesrat im Bundesland“, war schon eine interessante Sache, aber eines ist sicher: Du hast alle Sondersitzungen, die im Zuge der Coronakrise notwendig waren, hervorragend geleitet, und daher wirst du auch als Coronapräsident in die Geschichte eingehen. (Allgemeine Heiterkeit. – Bei­fall bei der FPÖ sowie bei BundesrätInnen von ÖVP, FPÖ und Grünen.)

Der SPÖ-Fraktion möchte auch ich namens der Freiheitlichen unser herzliches Beileid aussprechen. Ich kannte Kollegen Leitner sehr gut, und es war immer sehr angenehm, mit ihm zu sprechen. Als ich von seinem Ableben gehört habe, habe ich gedacht, da muss man wieder innehalten und sagen, wir sollten vielleicht den Augenblick mehr nüt­zen, mehr genießen und mehr schätzen, weil man sieht, wie schnell es gehen kann.

Wir waren gemeinsam mit dem EU-Ausschuss in Zagreb. Ich habe diese Reisen, die durch keine Videokonferenz zu ersetzen sind, schon deswegen geschätzt, weil man fachlich von den anderen etwas mitnehmen kann, aber auch aus Österreich etwas hi­naustransportieren kann. Abseits dieser durchaus wichtigen fachlichen Konferenzen, ab­seits dieses Rednerpults kommt man sich aber auch menschlich näher, und man sieht die Kollegen dann auch aus einem etwas anderen Blickwinkel. Daher tut es mir wirklich auch persönlich sehr leid, dass er zu früh gehen musste.

So, und jetzt stehe ich wieder am Rednerpult, der Alltag hat uns wieder. – „Koste es, was es wolle“ – 38 Milliarden Euro hat man dafür aufgestellt. Jetzt haben alle geglaubt, dieses Geld wird auch ausgeteilt und das werden die Menschen, die Unternehmer, Kunst- und Kulturbetriebe, Sportbetriebe auch bekommen. Das Gegenteil ist aber leider der Fall. Es hat einen Stau auf allen Ebenen gegeben.

67 Prozent haben beklagt, dass nichts bis wenig ankommt, alles viel zu bürokratisch ist, alles viel zu lange dauert. Auch Sie werden die vielen Meldungen gehört haben, dass auch der versierteste Steuerberater mit dem Ausfüllen der Formulare überfordert war, weil man sich nicht ausgekannt und nicht gewusst hat, was die eigentlich wissen wollen. Jetzt überspitze ich es ein bisschen: Ein falsch gesetzter Beistrich hat dazu geführt, dass der Antrag wieder zum Antragsteller zurückgegangen ist und die ganze Geschichte wie­der von vorne losgegangen ist.

Wir haben ja alle in dieser Woche diesen veritablen Streit zwischen der Regierung und einer Wiener Institution, dem Café Landtmann, mitgekriegt und dass sich der Herr Quer­feld bitter beklagt hat. So, jetzt gibt es zwei Dinge dazu zu sagen. Das Erste ist: Vom Ministerium kam dann an die Öffentlichkeit, dass dieser ja eh schon 1 Million gekriegt habe – die nicht er bekommen hat, sondern seine Mitarbeiter für die Kurzarbeit. Da fragt man sich schon als Allererstes: Wie kann so etwas aus dem Ministerium an die Öffent­lichkeit gelangen? – Da müsste man schon intern nachschauen, wer das weitergetragen hat.

Bei allem Verständnis für das Café Landtmann und für den Herrn Querfeld – ja, das ist eine Wiener Institution, wo es wirklich schade darum wäre, wenn es sie nicht mehr gäbe –, aber viele andere klein- und mittelständische Betriebe fragen sich jetzt: Ja, wieso hat der jetzt eigentlich schon 1 Million für die Kurzarbeit gekriegt, und wir haben noch gar nichts bekommen? Kann das vielleicht sein, weil er für die ÖVP zum Wiener Landtag kandidiert hat oder weil er über fünf Jahre der Obmann der Kaffeesieder war und ihm natürlich eine ÖVP-Nähe nicht nur unterstellt wird, sondern eine solche tatsächlich vor­handen ist? – Man wird ja nicht auf der Liste einer Partei kandidieren, mit der man im Grunde genommen nichts zu tun haben möchte.

Die Frage muss man sich schon gefallen lassen, ob hier nicht mit zweierlei Maß gemes­sen wird: Der eine ist halt gleicher und der andere nicht. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Wir haben ja am Beginn die Maßnahmen durchaus gezielt und bewusst mitgetragen. Nur, Sie haben es uns wirklich schwer gemacht, das auch fortzusetzen. Erster Punkt: Alle Maßnahmen wurden zuerst einmal in einer Pressekonferenz angekündigt – nicht im Parlament, nein, in einer Pressekonferenz, und das Parlament ist immer hinten nachge­hinkt. Das ist kein Umgang mit dem Parlament, das sage ich Ihnen schon! (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Zweiter Punkt: Ihre Verordnungen und Ihre Maßnahmen waren zum Teil grob fehlerhaft. Ja, ich habe Verständnis dafür, dass das eine außergewöhnliche Situation ist, die noch nie da gewesen ist, ja, ich weiß, im Eifer – ich will jetzt nicht sagen, im Eifer des Gefechts, aber –, wenn rasch Maßnahmen getroffen werden müssen, können natürlich auch Feh­ler passieren, aber die Opposition, egal, wer jetzt, hat nicht nur einmal auf diese Fehler aufmerksam gemacht.

Letztes Mal hat mein Kollege Schilchegger bei einem der Gesetze, die wir beeinsprucht haben, darauf hingewiesen. Das haben wir zu Recht beeinsprucht, das war nicht zy­nisch, wie das Klubobfrau Maurer von den Grünen gesagt hat, das war notwendig. Sie könnten sich eigentlich dafür bedanken, dass wir einen Einspruchsantrag gemacht ha­ben, wir hätten ja auch sagen können, wir stimmen einfach nicht zu, und dann läuft die Acht-Wochen-Frist. So wollten wir Ihnen ja die Möglichkeit geben, noch Reparaturen vorzunehmen. Haben Sie das getan? – Nein! Und das waren grob fehlerhafte Verord­nungen und Gesetze, die Sie da durch das Parlament geschickt haben.

Statt die Gelegenheit zu nützen und zu sagen, wir beheben diese Fehler gleich im Rah­men des Beharrungsbeschlusses, haben Sie, ehrlich gesagt, trotzig wie ein Kindergar­tenkind gesagt: Nein, wir ziehen das durch, das wird jetzt durchgepeitscht – und aus! (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

Jetzt haben wir die Lockerungen, wo wir wissen, wir müssen vorsichtig sein, wir können nicht so leben wie vor dem Ausbruch dieser Coronakrise, das leugnet ja niemand. Wir finden zwar, dass viele Dinge etwas überzogen waren, auch sehr marktschreierisch prä­sentiert wurden, aber dennoch wollen wir es nicht unterschätzen.

Aber die Maßnahmen sind auch hier wieder unverhältnismäßig. Die Gastronomie durfte wieder öffnen, gut. Dann ist schon einmal der Maskenstreit losgegangen: Beim Reinge­hen ins Lokal muss man sie aufsetzen, beim Rausgehen auch, drinnen nicht. Wenn man auf das Klo geht, muss man sie aufsetzen, nein, doch nicht, muss man sie nicht auf­setzen. Also was jetzt?

Zur Sperre um 23 Uhr hat meine Kollegin Belakowitsch im Nationalrat völlig richtiger­weise gefragt, ob das Virus nachtaktiv ist und ob es nach 23 Uhr ansteckender ist als in der Zeit davor. Der Herr Bundespräsident hat ja die Sperrstunde veritabel überzogen, wofür ich normalerweise Verständnis habe – ich bin die Letzte, die sagt, man kann nicht hocken bleiben, wenn man sich verplaudert hat, nur: Der Herr Bundespräsident hat nicht eine einzige der Maßnahmen auch nur ansatzweise kritisch hinterfragt, und er ist ein Vorbild, da kann man halt nicht sagen, ich habe mich nicht um 10 Minuten, sondern gleich um 2 Stunden verplaudert. Das geht nicht und ist daher auch zu verurteilen.

Auf der anderen Seite müssen wir ihm wieder fast dankbar sein, dass Sie sich jetzt dazu durchgerungen haben, die Sperrstunde wenigstens auf 1 Uhr zu verlängern, wobei sich mir immer noch nicht erschließt, ob das Virus um 1 Uhr schlimmer ist als um 2 Uhr in der Früh, aber vielleicht wissen Sie es ja. (Bundesrat Steiner: Das Angstvirus der Regie­rung!)

Der Kunst- und Kulturbetrieb ist ja auch erst in die Gänge gekommen, als Ihnen die Ihnen nahestehenden Künstler wie Lukas Resetarits gesagt haben: Das ist ein Wahnsinn, was da abgeht! – Da haben Sie sich dann halt auch zögerlich dazu entschlossen, nachdem Sie Ihre Staatssekretärin Lunacek geopfert haben, jetzt hier einen Schritt zu machen.

Wir wissen natürlich, dass Veranstaltungen, Konzerte et cetera gefährlich sind, was die Ansteckung anbelangt, aber trotzdem, man kann ein Land nicht auf alle Ewigkeiten he­runtergefahren lassen und sagen, das bleibt jetzt noch bis Weihnachten so, weil alle darunter leiden: Kunst und Kultur, der Sport, der Breitensport. Wir hatten ja schon vorher das Problem, dass viele Kinder zu dick waren, das heißt, die bräuchten dringend wieder die Turnstunde, und ich kann nicht verstehen, dass die noch nicht stattfinden kann. Übri­gens hat man ja festgestellt, dass man sich in den Schulen und in den U-Bahnen nicht angesteckt hat, das waren nicht die großen Spreader. Es müsste doch möglich sein, dass Turnunterricht mit Abstandhalten, mit Einhaltung von Hygieneregeln stattfinden kann. Das wäre ein ganz wichtiger Punkt.

Das Gleiche gilt auch für den Breitensport und auch für den Spitzensport, aber dieser rekrutiert sich ja im Idealfall aus dem Breitensport und wäre daher möglich.

Eines muss ich jetzt noch anbringen: Auf der einen Seite haben wir die Regierung, die sagt, wie wichtig alle diese Maßnahmen sind, auf der anderen Seite halten sich die Re­präsentanten der Regierung selber nicht daran, siehe Kurz im Kleinwalsertal. Der Bun­despräsident hat sich wenigstens entschuldigt. Der Herr Bundeskanzler hat gesagt, das ist die Schuld des Bürgermeisters, was ich ja, gelinde gesagt, besonders perfide finde, sich auf jemanden anderen auszureden, denn er hätte ja von sich aus die Distanz durch­aus wahren können. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Was mir noch wirklich sauer aufgestoßen ist, das ist, den Menschen zu sagen: Konsu­miert jetzt wieder, geht ins Restaurant, denn das brauchen die Wirte! – Die Zahlen sind ja schon genannt worden: 617 000 Arbeitslose, 1,2 Millionen in Kurzarbeit. Die Leute müssen sich das ja auch leisten können! Es ist ja nicht so, dass man einfach sagt: Hol­lodaro, jetzt gehen wir essen, endlich können wir wieder feiern! Das muss man ja auch zahlen können.

Und dann stellt sich der Wirtschaftskammerpräsident bei einem Interview mit dem Ma­gazin „Falstaff“ mit der Magnumflasche hin und sagt: Ihr müsst wieder mehr genießen, und es wäre gut, wenn ihr in diese tollen Herbergen in Österreich fahren würdet! Geht doch wieder mehr ins Restaurant und feiert doch wieder mehr!

Ja, sehr geehrte Damen und Herren, das würden die Österreicher, Männer und Frauen, gerne machen – wenn sie es sich leisten könnten. Sie haben aber unter anderem mit der Verzögerung der Auszahlungen dafür gesorgt, dass sie es sich nicht leisten können. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Daher ist es jetzt auch dringend an der Zeit, dass jene versprochenen Gelder, die Sie zugesagt haben, bei den Menschen, die sie brauchen, ankommen, damit die Wirtschaft wieder auferstehen kann. Wir brauchen die Unternehmer, denn ohne sie gibt es auch keine Jobs. Wenn der Unternehmer zusperren muss, sind auch die Jobs weg, das geht von einem bis 300. Daher ist es ganz wichtig, beiden zu helfen, auf die Beine zu kom­men, und diesbezüglich wäre es jetzt endlich an der Zeit, dass Sie einmal damit anfan­gen. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

10.08

Präsident Robert Seeber: Zu einer ersten Stellungnahme zu Wort gemeldet ist der Herr Vizekanzler und Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport. Ich er­teile es ihm; auch seine Redezeit soll 10 Minuten nicht überschreiten.