19.19

Volksanwalt Mag. Bernhard Achitz: Herr Präsident! Mitglieder des Bundesrates! Mei­ne Damen und Herren! Ich kann bei den Ausführungen meines Vorredners Werner Amon nahtlos anschließen.

Auch ich möchte mich sehr herzlich für das positive Feedback bedanken, vor allem dafür, dass Sie sich, wie man den Redebeiträgen entnehmen kann, sehr intensiv mit unseren Berichten auseinandergesetzt haben. Die Berichte der Volksanwaltschaft dienen ja nicht der Selbstdarstellung der Volksanwaltschaft, sondern haben das Ziel, dass wir gemein­sam durch die Erfahrungen, die wir machen, die Verwaltung bürgerInnenfreundlicher gestalten können und man diverse Probleme, die man, wenn man Gesetze beschließt, vielleicht nicht auf den ersten Blick erkennen kann, die erst in weiterer Folge auftreten, dann beheben kann.

In vielen Fällen gelingt es uns, in direkter Kommunikation mit den Behörden Probleme zu beseitigen. Die Behörden sind zum Großteil höchst kooperativ. BeschwerdeführerIn­nen wenden sich an uns, berichten uns über Fehler, Unfreundlichkeit, Unzulänglichkeit bei behördlichem Handeln. Wir machen die Behörde darauf aufmerksam. In vielen Fällen ist es so, dass die Behörde reagiert, indem sie sagt: Ja, wir nehmen die Kritik zur Kennt­nis, wir entschuldigen uns für unfreundliches Handeln. Wir beheben den Fehler. – Die Bürgerinnen und Bürger werden zufriedengestellt.

In manchen Fällen ist es allerdings so, dass die Behörde, wenn sie gesetzeskonform handelt, den Anliegen der BeschwerdeführerInnen, der BürgerInnen nicht nachkommen kann, weil die gesetzlichen Bestimmungen halt so sind, wie sie sind.

Lassen Sie mich ein Beispiel bringen: Beim Mutter-Kind-Pass ist es so, dass Untersu­chungen der werdenden Mutter und dann des neugeborenen Kindes gemacht werden müssen. Das hat natürlich gesundheitspolitischen Sinn. Diese Untersuchungen sind nach­zuweisen, und wenn man sie nicht nachweist, wird das sanktioniert, indem 1 300 Euro vom Kinderbetreuungsgeld abgezogen werden.

Jetzt ist es in manchen Fällen so, dass junge Mütter all diese Untersuchungen machen und gemacht haben, nur den zweiten Nachweis vergessen, nicht rechtzeitig erbringen, manchmal sogar, obwohl sie darauf aufmerksam gemacht werden. Das ist dann sehr häufig der Fall, wenn ein zweites Kind kommt – man hat den Kopf woanders, denkt nicht daran. Die vollziehende Behörde ist die Krankenversicherung, ist der zuständige Kran­kenversicherungsträger, der vom Familienministerium mit der Durchführung beauftragt wurde. Dieser muss dann diesen jungen Müttern erklären, dass man ihnen 1 300 Euro vom Kinderbetreuungsgeld abzieht, obwohl der Krankenversicherungsträger weiß, dass alle Untersuchungen korrekt durchgeführt wurden, weil die Untersuchungen bei Ver­tragspartnern des Krankenversicherungsträgers durchgeführt und mit diesen verrechnet wurden. Trotzdem muss der Abzug stattfinden, weil im Gesetz der Abzug an den Nach­weis gebunden ist, und wenn der Nachweis der Untersuchungen nicht erbracht wird, dann treten diese finanziellen Folgen ein.

Vielleicht sehen Sie an diesem Beispiel: Auch wenn eine Verwaltungsbehörde alles korrekt macht, kann das bei den BürgerInnen schlecht ankommen, und jeder würde sagen: Na gut, das ist eigentlich nicht Sinn und Zweck der Regelung gewesen. Sinn und Zweck der Regelung war, dass die Untersuchungen durchgeführt werden, und nicht, dass man halt rechtzeitig einen Nachweis schickt. In solchen Fällen wird dann der Ge­setzgeber gebeten, Änderungen einzuleiten, und wir erlauben uns, auf so etwas auf­merksam zu machen.

Auch andere Dinge, die Sie heute in der Debatte angesprochen haben, lassen sich nur mithilfe des Gesetzgebers lösen. Sie haben das Normalitätsprinzip und überhaupt die Situation in der Pflege, in der Betreuung unserer Alten und Kranken angesprochen. Dabei ist die Erfahrung, die wir auch von unseren Kommissionen transportiert bekom­men, dass die Gefahr der Verletzung der Menschenrechte dort am höchsten ist, wo die Belastung des Personals am größten ist. Diese Belastung des Personals wiederum resultiert sehr oft aus Personalmangel und der Personalmangel sehr oft aus Mangel an finanziellen Ressourcen.

Dann passiert es halt, dass einem – nur weil man alt ist und weil man in einem Pflege­heim wohnt – gesagt wird, wann man aufstehen muss, wann man schlafen gehen muss, wann man mittagessen muss, wann man abendessen muss, wann man ins Freie gehen darf, und dass die Wahlfreiheit und die Selbstbestimmtheit und das Normalitätsprinzip eben nicht mehr gegeben sind. Insofern kann man dann auch nachvollziehen, warum diese Orte als potenzielle Orte der Freiheitsentziehung speziell kontrolliert werden. (Bun­desrätin Mühlwerth: Das kann aber keine Entschuldigung sein!) – Nein, es kann keine Entschuldigung sein, aber wir als Politik müssen auch die entsprechenden Rahmenbe­dingungen dafür schaffen, dass solche Dinge nicht vorkommen und möglichst hintange­halten werden.

Es wurde auch öfter das Heimopferrentengesetz angesprochen, wonach eine Entschädi­gung für jene Menschen bezahlt wird, die als Kinder in Einrichtungen der Jugendwohl­fahrt misshandelt wurden. Was wir abwickeln, ist die Rentenleistung. Es gibt verschie­dene Entschädigungsfonds der Kirche, der Länder, die über Einmalzahlungen auch Schadenersatz leisten. Und alle diese Entschädigungsfonds haben trotz wiederholter Kritik leider noch immer gravierende Schwächen – alle, die der Kirche und die jedes einzelnen Landes.

Bei der Kirche – das wurde in der Debatte angesprochen – hat es oft sehr lange gedau­ert. Jetzt geht es schneller, dafür ist man bei der Frage, durch wen die Schädigung zuge­fügt wurde, sehr restriktiv. Die Kirche reagiert nur dann problemlos, wenn nachgewiesen wird, dass das durch Kirchenpersonal erfolgte. Wurde eine Misshandlung durch weltli­ches Personal durchgeführt, ist die Entschädigung dort schon ein größeres Problem.

Bei den Länderfonds ist es oft so, dass sie Vorfälle nicht entschädigen, die in Gemein­deeinrichtungen passiert sind, obwohl die Jugendwohlfahrt des Landes die Zuweisung in dieses Heim veranlasst hat. In anderen Bundesländern ist es der Fall, dass die Fonds geschlossen wurden, obwohl noch Bedarf besteht. Wir haben auf all das hingewiesen und bitten auch da die Politik um Verständnis dafür, dass viele dieser Heimopfer sehr lange brauchen, um ihre Ansprüche geltend zu machen, um zu artikulieren, was passiert ist, und um sich durchzuringen, diese Anträge zu stellen. Dieses Problem wird uns noch einige Zeit begleiten.

Vielleicht an dieser Stelle: Der Bericht über Behindertenwerkstätten, über Arbeit und Be­hinderung ist ein eigener Tagesordnungspunkt. Ich möchte nicht vorgreifen, ich werde mich zu diesem Tagesordnungspunkt dann noch einmal kurz zu Wort melden und mache daher an dieser Stelle Schluss. – Danke schön. (Allgemeiner Beifall.)

19.27

Präsident Robert Seeber: Danke, Herr Volksanwalt.

Zu Wort gemeldet ist Herr Volksanwalt Dr. Walter Rosenkranz. Ich erteile ihm dieses.