15.47

Bundesrat David Egger (SPÖ, Salzburg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen im Hohen Haus! Liebe Zusehe­rinnen und Zuseher vor den Bildschirmen! Herr Seeber! Es freut mich als Sozialdemokrat natürlich besonders, wenn dem Herrn Bundeskanzler die Arbeitsplätze am Herzen liegen. Ich kann das jedoch nicht immer ganz glauben, wenn ich mir die derzeitige Arbeitsplatzsituation anschaue. Es ist auch besonders interessant, die Diskussion von Herrn Seeber und Herrn Steiner anzuhören – aber jetzt einmal zurück zur Sachlichkeit!

Ich möchte zu Beginn vielleicht einmal ein kleines Feedback, Herr Bundesminister, aus Salzburg geben, wie da so das Stimmungsbild in der aktuellen Situation ist, wie die Salz­burgerinnen und Salzburger – das liegt mir besonders am Herzen – dieses Corona­verordnungschaos so aufnehmen. Ich bin jeden Tag draußen unterwegs, im ganzen Bundesland, ich spreche mit ganz, ganz vielen Menschen, und wissen Sie, was die mir erzählen? – Ob in der Stadt Salzburg, bei mir am Land im Flachgau, im Tennengau, in Zell am See, im Großarltal, ganz egal wo, sie sagen zu mir: David, wir kennen uns nicht mehr aus!

Die Leute sind verwirrt, sie sind verunsichert und sie haben diese ständigen Androhun­gen von einschränkenden Maßnahmen satt: Es wird davon gesprochen, und dann kommt schlussendlich doch alles anders, als es eigentlich in irgendwelchen inszenierten Pressekonferenzen prognostiziert wurde.

Man kann das den Menschen draußen auch gar nicht übel nehmen: Maske rauf, Maske runter, Sperrstunde früher, Sperrstunde später, Ampel ein, Ampel aus! Es kennt sich bei dem Ampelwahnsinn ehrlich gesagt niemand mehr aus. Da muss man sagen: Wenn eine Ampel an einer Kreuzung ausfällt, was entsteht dann? – Es entsteht ein Chaos. Wir haben es heute schon gehört: Die Ampel ist ein Bauchfleck, die App hat uns 2 Millionen Euro Steuergeld gekostet, und zehn Coronafälle konnte man damit angeblich nach­vollziehen.

Dieses Chaos ist ein von unserer Bundesregierung hausgemachtes. Ich habe mit Direktorinnen und Direktoren, mit Lehrerinnen und Lehrern in den Schulen draußen gesprochen, die ein, zwei, vielleicht drei Tage vor Schulbeginn die Information erhalten haben, wie sie das in ihren Schulen eigentlich überhaupt regeln und managen sollen. Da muss man einmal Danke in diese Richtung sagen, dass die Lehrerinnen und Lehrer sowie die Direktorinnen und Direktoren das mit den Eltern gemeinsam in Eigeninitiative überhaupt so gut hinbekommen haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich habe mit Schülern und Eltern über überfüllte Schulbusse gesprochen, teilweise ist der Schulbus vor der Nase weggefahren. Ich muss ganz ehrlich sagen, es ist keine Überraschung, meine Damen und Herren, dass die Schule in Österreich im September anfängt. Das muss ich an dieser Stelle schon einmal festhalten. Da frage ich mich wirklich, liebe Grüne und liebe ÖVP, warum die Regierung darauf nicht besser vorbe­reitet war.

Und jetzt schürt man wieder die Angst. Man spielt bei den Menschen ein bisschen mit der Angst, obwohl wir in der Politik eigentlich die Aufgabe hätten, den Menschen diese Angst zu nehmen. Mir kommt vor, man ist sich in der Bundesregierung nicht ganz einig, ob es eine zweite Welle gibt oder ob es sie doch nicht gibt, ob sie jetzt kommt oder doch wieder überschwappt. Darüber muss man sich anscheinend in der Bundesregierung selbst auch erst einmal einig werden.

Das führt mich zu der Frage, was über den Sommer in der Bundesregierung überhaupt getan wurde. Sie scheint ein bisschen im Dornröschenschlaf gewesen zu sein, denn wir haben eine Ampel mit vier Farben, auf gut Deutsch einen Bauchfleck. Wenn wir ehrlich sind, hätte es in der Schule: Setzen, Fünf!, geheißen und man wäre durchgefallen.

Sie spielen bis jetzt aber nicht nur teilweise mit den Freiheitsrechten der Österreiche­rinnen und Österreicher, was an sich schon grausig genug ist, Sie spielen auch mit den Existenzen der kleinen Selbstständigen, der Unternehmerinnen und Unternehmer, der freischaffenden Künstlerinnen und Künstler in diesem Land, der heimischen Gastro­nomen. Und was mich als Sozialdemokraten persönlich am meisten betrifft: Sie spielen mit den Arbeitsplätzen der fleißigen Leistungsträgerinnen und Leistungsträger in unse­rem Land. (Beifall bei der SPÖ.)

Es kommt mir ein bisschen vor – das ist mein Bauchgefühl –, als will man uns alle mit diesem Zickzackkurs, den man in der Regierung fährt, ein bisschen verunsichern, sozusagen ein bisschen die Daumenschrauben anziehen, und wenn wir uns alle zusam­menreißen und brav sind, dann werden sie wieder locker gelassen.

Ich war zur Einweihung eines Kunstwerks in meiner Heimatgemeinde eingeladen, und ich gehörte dort wahrscheinlich zu den Jüngeren, so wie in diesem Haus. Dort haben mir die Leute gesagt, dass sie froh sind, dass wieder einmal die Musi spielt, dass die Old­timerfreunde wieder einmal ein Grillhendl und ein Bier verkaufen, denn die Leute sind alle froh, wir alle sind froh, wenn wir die treffen, die wir gernhaben, unsere Liebsten, die Menschen, die uns ans Herz gewachsen sind, zu Hause, am Fußballplatz, im Gasthaus, im Kaffeehaus, oder wenn wir vielleicht Oma und Opa im Seniorenwohnhaus besuchen. Wir brauchen endlich klare Regelungen dafür, wir müssen den Menschen die Angst nehmen.

Was ist aber das Ergebnis des österreichischen Wegs über den Sommer? Was ist mit unserem so toll ausgerufenen Vorsprung passiert? – Ich sage an dieser Stelle, den Vorsprung haben wir eindeutig verspielt: Chaos, eine Verschlechterung der gesund­heit­lichen Krise und eine noch nie da gewesene Wirtschaftskrise, meine Damen und Herren, in unserem schönen Land.

Es sind nicht die Jugendlichen, wie aus Salzburg berichtet, die alleine an irgendetwas schuld sind. Nein, das sind sie nicht. Es war die konservative Politik der Regierung, Herr Minister, die unseren Vorsprung im Sommer verspielt hat. Die Regierung scheint heut­zutage nicht nur, was die Gesundheit der Menschen angeht, sondern in diesen Stunden auch vor den wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen die Augen zu verschließen.

Jetzt müssen wir in den Ländern die Konsequenzen tragen und das ausbaden, was Kanzler Kurz, Minister Anschober und Co mit ihrer konservativen Haltung verschlafen haben. Die Führungsebene hat die „Hausaufgaben nicht gemacht. Die Folgen spüren wir jetzt“, schrieb Manfred Perterer in den „Salzburger Nachrichten“ letzten Samstag. Da kann ich ihm nur zu 100 Prozent zustimmen!

Dann frage ich mich: Was kann bitte der Wirt in Bischofshofen dafür, wenn in irgend­einem anderen Bezirk die Ampel umschaltet, und plötzlich werden alle über einen Kamm geschert? Das versteht keiner, das verstehe ich nicht, das verstehen die Menschen draußen nicht.

Kollege Seeber, es war, glaube ich, die Tourismusministerin Köstinger, die gestern gesagt hat: Wir sind gut aus der Krise gekommen. – Das sehe ich überhaupt nicht so. Da fehlt, glaube ich, jeglicher Bezug zur Realität, denn wenn ich mir die Arbeits­losenzahlen im Tourismus jetzt ansehe – in Salzburg 80 Prozent mehr als im Vorjahr –, dann wird mir schlecht. (Zwischenruf des Bundesrates Pisec.)

Wenn man sich ein bisschen die Lage in Salzburg anschaut, kommen die Kündigungen bei der SAG in Lend dazu, beim Dentalwerk in Bürmoos, und beim Hotel Sacher – es wurde heute schon angesprochen – ist auch Salzburg davon betroffen. Auch am Salz­burger Flughafen, einer wichtigen Verkehrsdrehscheibe, wackeln die Jobs. Dieser liegt aber den Grünen nicht so am Herzen, wie ich weiß, das haben sie auch laut und deutlich gesagt. Der Salzburger Flughafen ist ein Opfer dieses AUA-Deals, denn das Verhand­lungsgeschick von Herrn Bundeskanzler Kurz war anscheinend doch nicht so lupenrein.

Wir sprechen da über Statistiken und Zahlen, aber dahinter stehen Menschen, stehen Familien, junge Familien, die sich etwas aufbauen wollen, deren Einkommen wegfallen. Da sind Kredite zu zahlen, da sind Leasingraten zu zahlen, da sind die Schulsachen der Kinder zu besorgen. Was passiert, wenn man am Land seinen Job verliert, wenn eine große Firma zusperrt? (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Dann gibt es kleine!) Da hat man nicht so viele Möglichkeiten. Dann passiert die Abwanderung, und das in Verbin­dung mit dem Ortskernsterben. Ja, da kann man sich ausmalen, was passiert.

Ich habe es schon erwähnt: Wir müssen diesen Menschen Perspektiven geben. An dieser Stelle sage ich das auch als Vizebürgermeister für die Gemeinden: Wir brauchen ein wirkliches Investitionskonzept. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben es in Salzburg schon vorgeschlagen: Wenn wir zum Beispiel in allen Gemeinden eine Lehrstelle schaffen, wirken wir als Vorbilder, um der Jugendarbeits­losigkeit entgegenzuwirken.

Wir müssen jetzt gemeinsam anpacken. Aufgabe einer verantwortungsbewussten Re­gierung wäre es, klare, nachvollziehbare, faktenbasierte und rechtskonforme Entschei­dungen zu treffen. Die Menschen in Österreich haben das Recht auf klare, verständliche Maßnahmen, sie haben ein Recht auf Planungssicherheit. Die Menschen in der Gastronomie, die Kinder in den Schulen, die Lehrerinnen und Lehrer, die Eltern haben ein Recht darauf, zu wissen, was gilt und was in welchem Fall zu tun ist, Herr Minister.

Die ursprüngliche Version des vorliegenden COVID-19-Maßnahmengesetzes wurde dem Anspruch auf Klarheit, Verständlichkeit und Rechtskonformität wieder einmal nicht gerecht. Das Gesetz war schlecht, und darum haben wir als SPÖ alles darangesetzt, es zu verbessern. Das ist unser Zugang: Verantwortung zu übernehmen und gemeinsame Verbesserungen voranzutreiben – und nicht, lieber Herr Steiner am Handy, die Einstellung zu teilen, dass man einmal grundsätzlich dagegen ist.

Wir konnten noch zusätzlich eine klare Befristung des Gesetzes, das Außerkrafttreten mit 30.6. – zum Halbjahr und nicht zum Jahresende – erreichen; und die stärkere Ein­bindung des Parlaments – wir haben es heute schon gehört – sowie, bei Verord­nungen, einer übergeordneten Behörde – der Bezirkshauptmann muss zum Landes­hauptmann und der Landeshauptmann muss zum Minister gehen – haben wir auch durchgebracht. Die privaten Wohnräume sind besser vor den behördlichen Eingriffen geschützt, was uns persönlich ganz, ganz wichtig war und am Herzen gelegen ist. Außerdem haben wir es endlich geschafft, die Ampel auch in einen gesetzlichen Rahmen zu gießen.

Ich möchte noch drei Namen nennen, und zwar  Heinz Mayer, Karl Stöger und Clemens Jabloner, die auf gut Deutsch schon den Sanktus gegeben und gesagt haben, verfas­sungsrechtlich ist das Gesetz in Ordnung.

Wir vonseiten der Sozialdemokratie haben uns vor der Verantwortung nicht gedrückt, meine sehr geehrten Damen und Herren. Wünschenswert wäre ein Schulterschluss über alle Parteigrenzen hinweg, auch was den Beschluss des heutigen Gesetzes angeht. Wir bleiben bei unserer kritischen Haltung gegenüber der konservativen Regierung und betreffend das von ihr produzierte Coronachaos. Es geht darum, unser Land zusammen und gemeinsam in eine sichere Zukunft zu führen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

15.58

Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Als letzter Redner zu diesem Tagesord­nungspunkt spricht nun Herr Bundesrat Rudolf Kaske. – Bitte schön.