16.22

Bundesrat Dominik Reisinger (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geschätzte Frau Präsi­dentin! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe ZuhörerInnen zu Hause! Herr Minister, jeder Mensch kann einmal zu einem Termin zu spät kommen. Es wäre Ihnen aber sehr gut angestanden, zumindest ein Wort darüber zu verlieren, schon alleine aus Gründen des Respektes vor dem Bundesrat. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Sehr geehrter Herr Minister, Sie können sich sicher erinnern: In einer der letzten Sitzun­gen habe ich Ihnen hier am Rednerpult versprochen, dass die SPÖ beim Thema Siche­rung der Gemeindefinanzen nicht locker lassen wird. Sie sehen, Sie können sich auf die SPÖ verlassen. Wir halten unsere Versprechen. (Beifall bei der SPÖ.)

Am 24. Juni – wir haben es schon gehört, also vor rund vier Monaten – habe ich Ihnen hier im Bundesrat in einer Dringlichen Anfrage mehrere Fragen zur prekären Finanz­situation der 2 095 Gemeinden in Österreich gestellt und Sie gefragt, was Sie dagegen zu tun gedenken. Es war eine ganze Reihe von spannenden und brennenden wie wich­tigen Fragen. Ihre Antworten waren – und da haben wir heute nichts anderes gehört – inhaltsleer. Sie haben sich eigentlich vor konkreten Antworten weggeduckt, Sie haben dazu nichts Substanzielles geäußert. Es war auch heute wieder sehr enttäuschend.

Nein, ganz im Gegenteil, Sie haben sich vor vier Monaten sogar in Ihrer Ehre gekränkt gefühlt und mimosenhaft Ihre schwere Situation in der Krise beklagt. Ich sage Ihnen ganz ehrlich, das ist eines Finanzministers absolut unwürdig. Damit kommen Sie Ihrer Verantwortung in keiner Weise nach. Das ist summa summarum zu wenig und deshalb auch beschämend. Ich sage Ihnen ganz klar, Herr Minister: Nicht Sie stecken in dieser Krise, es sind die 2 100 Gemeinden Österreichs, die vor der Pleite stehen. Sie schauen zu! (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Ofner.)

Es ist mittlerweile so, dass die Gemeinden nicht einmal mehr genug Geld haben, um den Status quo der Daseinsvorsorge zu finanzieren. Betroffen sind unsere Kindergärten, die Schulen, Infrastrukturprojekte bei den Straßen, bei der Wasserversorgung, bei der Abwasserentsorgung, bei der Feuerwehr, bei den Vereinen und vieles mehr. Und bitte, kommen Sie nicht wieder mit Ihrem Kommunalinvestitionspaket! Es ist Tatsache, alle unsere Befürchtungen sind mittlerweile eingetreten. Wir sind bei diesem Thema nicht mehr in der Spekulation, wir sind längst in der Realität angekommen. Die Gemeinden schaffen es nicht, dieses Geld abzuholen, weil sie die notwendigen Eigenmittel dafür nicht aufbringen können; oder – das ist ein weiteres Beispiel – sie bekommen kein Geld, weil die Projekte nicht in Ihr enges Förderkorsett passen.

Jetzt ein konkretes Beispiel aus meiner Gemeinde, aus Haslach an der Mühl: Wir haben vor drei Jahren ein Primärversorgungszentrum umgesetzt, sind dabei Vorreiter, wir waren ein Politprojekt. Aus ganz Österreich kommen Delegationen und nehmen sich ein Bei­spiel. Aufgrund der Coronakrise – aber nicht nur – gibt es jetzt sprichwörtlich Engpässe im Kundenbereich, im Bereich der Patientenaufnahme. Die Maßnahme, eine kleine Erweiterung, würde rund 50 000 Euro in Anspruch nehmen. Unsere Gemeinde hat das Geld nicht. Wir bekommen vom Land Oberösterreich dafür keine Förderungen und dann bekommen wir obendrauf auch von Ihrem KIP keine Förderungen. Jetzt gibt es zwei Möglichkeiten, Sie dürfen sich eine aussuchen: Entweder das Thema Gesundheit ist für Sie kein Zukunftsthema und deshalb nicht förderwürdig oder Sie haben mangelhaft gearbeitet, ganz unter dem Motto: gut gemeint, aber schlecht gemacht.

Genau das alles haben wir Ihnen vor Monaten prophezeit, weil wir als Bürgermeister die Situation in den Gemeinden sehr, sehr gut kennen. Ich frage Sie hier und heute, Herr Bundesminister, Hand aufs Herz: Glauben Sie wirklich, dass Ihr Modell greift? (Bun­desrat Preineder: Glauben Sie wirklich, dass er das nicht glaubt?) Wir haben Ihnen gesagt, was in der Krise zu tun wäre. Vor einem Investitionspaket muss den Gemeinden der Einnahmenausfall zu 100 Prozent ohne Wenn und Aber ausgeglichen werden. Das sind rund 2,2 Milliarden Euro. Dann könnten wir wieder investieren, könnten die regio­nale Wirtschaft unterstützen und Arbeitsplätze sichern, wenn nicht sogar schaffen.

Die SPÖ hat 250 Euro pro Einwohner als Direktzahlung vorgeschlagen. Wenn Sie, Herr Bundesminister, den Gemeinden wirklich helfen wollen, lenken Sie bitte ein und nehmen Sie unseren Vorschlag an! Tun Sie das nicht in naher Zukunft, drohen den Bürgerinnen und Bürgern in unseren Gemeinden Gebührenerhöhungen. Wenn Sie das möchten, Herr Minister, dann bitte ich Sie, bringen Sie auch den Mut auf, das ganz offen und ehrlich auszusprechen. Sagen Sie es, wenn Sie diesen Weg gehen wollen! Wir wollen diesen Weg auf keinen Fall gehen, ganz im Gegenteil, wir lehnen das ganz, ganz ve­hement ab und unterstützen das auch nicht. (Beifall bei der SPÖ.)

Jetzt ein weiteres ganz kurioses Beispiel aus Oberösterreich: Wir bekamen als Gemein­den alle den Auftrag, bis Ende September Nachtragsvoranschläge zu erstellen. Die Zah­len weichen massiv ab, ein Nachtragsvoranschlag ist zu erstellen. Ich habe das in meiner Gemeinde vor gut einer Woche mit einer Zahl beschließen lassen, die unglaublich ist, mit Einbußen bei den Ertragsanteilen von 5,5 Prozent. Das ist die Zahl, die Ihr Ministerium und Sie uns im April mitgeteilt haben: 5,5 Prozent, jetzt im September.

Die Tinte dieses Nachtragsvoranschlages war noch nicht trocken, da kam über Nacht eine neue Zahl. Jetzt sind es unglaubliche 11,64 Prozent Einbußen bei den Ertrags­anteilen. Die Arbeit – wir haben es gewusst – war völlig umsonst, wir müssen es noch einmal machen. Der Auftrag erging schon an uns, wir haben neuerlich einen Nach­tragsvoranschlag zu erstellen. (Vizepräsident Buchmann übernimmt den Vorsitz.)

Was ist der Grund? – Sie waren den ganzen Sommer lang nicht in der Lage, in Ihrem Ministerium aktuelle Prognosen zu berechnen und vorzulegen. Herr Minister, wieder eine Frage: Sehen so Ihre Beschäftigungsprogramme für uns als Gemeinden aus? Das Ganze ist ganz einfach unglaublich unprofessionell, was da passiert.

Zum Abschluss frische ich noch einmal auf: Es geht darum, die Gemeindefinanzen krisensicher zu machen, in der schwersten, durch das Coronavirus verursachten Wirt­schafts- und Arbeitsmarktkrise. Es sind neben den Betrieben und Menschen, die arbeits­los geworden sind, vor allem auch die Gemeinden in schwere Finanznöte gekommen.

Seit Anfang April weisen wir als SPÖ-Fraktion auf diesen Umstand und auf die ver­heerenden Auswirkungen bei den öffentlichen Leistungen in den Gemeinden hin, und seit April nutzen wir jedes parlamentarische Werkzeug, Sie und Ihre Ministerkollegen zum Handeln aufzufordern.

Es steht außer Frage, die Gemeinden sind der größte Investor dieser Republik. So könnten wir auch die Rolle des wichtigen Konjunkturmotors einnehmen. Das würde die Wirtschaft ankurbeln. Das wünschen Sie sich doch so sehr, aber dazu brauchen wir Geld. Die Regierung hat die Möglichkeit, am Finanzmarkt Geld zum Nulltarif aufzu­nehmen. Auch das können wir Gemeinden nicht, und Sie denken auch nicht an ge­setzliche Novellen, die das ermöglichen würden. Herr Finanzminister, stellen Sie den Gemeinden die so dringend notwendigen Geldmittel zur Verfügung! Herr Finanzminister, kümmern Sie sich um das Land!

Wir haben Ihnen auch heute wieder 22 wichtige Fragen gestellt. Leider sind Sie uns abermals Antworten schuldig geblieben. Unser Befund über Sie und Ihre Politik wird dadurch leider ein weiteres Mal bestätigt. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

16.33

Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dipl.-Ing.in Andrea Holzner. – Bitte.