12.23
Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geschätzte Frau Bundesministerin! Wie schon meine Kollegin Daniela Gruber-Pruner hervorgestrichen hat, ist bei der Gesetzesvorlage zu Hass im Netz etwas Beispielhaftes passiert: Man hat sich für eine ordentliche Begutachtung Zeit genommen – und viele haben sich an dieser Begutachtung beteiligt. Und siehe da: Viele dieser Vorschläge aus dem Begutachtungsverfahren wurden auch aufgenommen, was wir hier ausdrücklich und positiv hervorheben wollen; zum Beispiel die Möglichkeit, bei Verletzung der Privatsphäre immateriellen Schadenersatz über ein elektronisches Kommunikationsnetz zu begehren, die Einführung eines einfachen, kostengünstigen Mandatsverfahrens oder einfachere Täterausforschung und Deckelung des Streitwerts.
Ich war über 30 Jahre lang ehrenamtlicher Bewährungshelfer, und ich möchte hier auch ein bisschen zur Veränderung des Strafprozessrechtes und über das, was da neu eingeführt wurde, sprechen. Ich hebe zum Beispiel speziell die Schaffung der Rechtsgrundlage dafür, dass psychosoziale und juristische Prozessbegleitung nun gegeben sind, hervor. Das ist für Opfer von Hass im Netz essenziell. Außerdem möchte ich die Neustrukturierung und Ausweitung der Prozessbegleitung auf bestimmte Opfergruppen, speziell auf – sehr vulnerabel! – minderjährige Zeugen, erwähnen; auch das ist ganz wichtig. Es gibt auch die Schaffung einer Möglichkeit – ich habe es vorhin schon angesprochen – zur erleichterten Ausforschung der Täter. Ebenso anzuführen ist, dass die Kostenersatzpflicht des Privatanklägers bei Verfahren wegen übler Nachrede entfällt. All das ist sehr positiv angesichts der Geißel unserer Zeit, nämlich dem Hass im Netz.
Hass im Netz zerstört. Er vergiftet Gesellschaften, er vergiftet Gemeinschaften, er trifft besonders schützenswerte Bereiche. Er trifft zum Beispiel Menschen mit Migrationsbackground, er trifft Kinder, er trifft Frauen, er trifft vielleicht Andersgläubige, er trifft vielleicht Andersdenkende und so weiter. Das heißt, es war und ist notwendig, Hass im Netz zu beschränken und gegen Fakenews aufzutreten. (Beifall bei der SPÖ, bei BundesrätInnen der ÖVP sowie des Bundesrates Arlamovsky.)
Nun gibt es – Vorredner Kolland hat es ja schon ausgeführt – diesen schwierigen Akt der Balance. Auf der einen Seite geht es um die Freiheit der Meinungsäußerung und auf der anderen Seite um den Schutz vor Angriffen im Netz.
Da kommt nun der zweite Teil dieser Regierungsvorlage – Frau Bundesministerin, ich glaube, den haben Sie zu verantworten –, und der ist nicht gut gelungen. Warum? – Ja, der Digital Services Act ist vor wenigen Tagen von der Europäischen Kommission präsentiert worden. Es ist klar, dass er in seinen zwei Teilen einerseits die Verantwortlichkeit der Digidienste benennt und andererseits, in Teil zwei, auch ein Regularium vorsieht und auch die Algorithmen unter besondere Beobachtung nimmt. Und wir beginnen da jetzt – sehr nett, aber Unsinn – einen Fleckerlteppich. Österreich fängt jetzt mit einem Regulativ an, aber gerade was das Netz betrifft, ist es so unsinnig, sich im regulatorischen Bereich nur auf ein Land zu beschränken. Wir brauchen da eine gemeinsame europäische Vorgangsweise und nicht den Beginn eines Fleckerlteppichs!
Was ist da passiert? – Wir übertragen die rechtliche Entscheidung einer privaten GmbH. Das ist doch nicht notwendig! In zwei Jahren kommt eine europäische Regelung. Das hätte man strafgesetzlich regeln können und müsste man nicht auslagern. Bei dieser Vorlage sind außerdem keine Qualifikationserfordernisse für Menschen genannt, die diese Sache zu behandeln haben. Das heißt also, wenn Facebook nächtens einen Rechtspraktikanten einsetzt und dieser sich denkt: Ui, das ist mir zu heiß, ich nehme das lieber sofort aus dem Netz!, dann kann er das machen. Es besteht aber immer die Gefahr einer Einschränkung der Meinungsfreiheit. Es sollte also durch bestimmte Qualifikationserfordernisse gewährleistet sein, dass da nicht Laien entscheiden.
Wir sehen das ja zum Beispiel bei den Mobilfunkanbietern. Fragen Sie einmal bei Ihrem Mobilfunkanbieter nach, was zwischen 2 Uhr und 4 Uhr in der Früh los ist, wer da aller Daten von ihm will. Das ist dort die heiße Zeit und das wird hier auch nicht anders sein.
Was da fehlt, ist die Möglichkeit einer externen inhaltlichen Überprüfung einer Entscheidung. Das ist doch notwendig! Es ist auch nicht klar, von welchen Plattformen wir hier sprechen. Ist es Facebook oder sind es auch noch andere Plattformen mit Chatfunktionen oder Open-Source-Entwicklungsplattformen? Wer ist hier betroffen?
Dieser österreichische Alleingang macht keinen Sinn, deshalb werden wir diesem Teil auch nicht zustimmen.
Die Entscheidungen, was verboten oder erlaubt ist, was im Netz aufscheint oder nicht, können nicht Google, Facebook und Freunde treffen, dazu braucht es klare Richtlinien, und diese klaren Richtlinien werden mit dem Digital Services Act kommen. Da geht es dann nicht um die Fragen von Filtern oder Blackboxes, sondern um einen klaren gemeinsamen Weg in Europa mit einem Ziel: den schrecklichen Hass im Netz zu bekämpfen, Fakenews zu bekämpfen und gleichzeitig Meinungsfreiheit zu erhalten.
Ist Kollege Spanring noch hier? (Rufe bei der FPÖ – auf den Platz des Schriftführers weisend –: Hinter Ihnen!) – Kollege Spanring, da Sie hier Fragen gestellt haben wie: Woher wir kommen?, und da noch ein bisschen unsicher sind, würde ich einfach vorschlagen: Greifen Sie zu Charles Darwin – wir hatten erst das Darwin-Jahr –, das kann sicher sehr hilfreich sein! Weihnachten bietet auch die Zeit, bei Darwin nachzulesen. Lesen Sie vor allem das Buch über die Regenwürmer! Ich habe noch nie ein so spannendes Buch wie die Geschichte über die Regenwürmer gelesen. (Allgemeine Heiterkeit.)
In diesem Sinne: Danke. Wir werden der Hass-im-Netz-Bekämpfung zustimmen, die rechtliche Ausführung allerdings ablehnen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Zwazl.)
12.32
Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Mag. Karoline Edtstadler. – Bitte, Frau Bundesministerin.