15.03

Bundesrat Ingo Appé (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Kollege Leinfellner, herzlichen Dank für die Werbe­durchsage für die SPÖ! Wir SPÖ-Bundesräte schaffen es nicht, in einem Redebeitrag so oft SPÖ zu sagen. Herzlichen Dank dafür, denn das bleibt bei den Leuten hängen! (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Liebe Kollegen von der FPÖ, kommt bitte einmal aus eurer Blase heraus! Es geht nicht ums Anbiedern, es geht nicht darum, dass Rendi-Wagner den Job von Herrn Anschober haben will. Es geht ganz einfach um Menschenleben, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wir bieten Alternativen an, den Dialog, und wir versetzen die Menschen nicht in Angst und Schrecken. Das ist unsere Prämisse. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen von ÖVP und Grünen.)

Liebe FPÖ, wollt ihr wirklich, dass wir im Bundesrat dieses Gesetz jetzt zwei Monate blockieren, sodass nichts mehr möglich ist? Wollt ihr das in Zeiten dieser Pandemie, die nicht mehr nur vor der Tür steht, sondern schon unabwendbar da ist, die aufgrund der Mutation noch schlimmer wird, wirklich? Als Nicht-Humanmediziner nach einem Fach­mann zu reden ist nicht so einfach. Wollt ihr das wirklich? Das ist doch unverantwortbar! Das nur aus populistischen Gründen zu machen kann man nur auf das Tiefste ablehnen! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Da die Nebenwirkungen als so fürchterlich dargestellt werden: Lest doch einmal einen Beipackzettel von einem Medikament! Was da nicht alles drinsteht! Wir wissen, dass eine 80-Jährige im Falle einer Schwangerschaft Schwierigkeiten bekommt, wenn sie Tabletten gegen Bluthochdruck nimmt, aber deswegen werden wir jetzt nicht das Medi­kament verbieten! (Heiterkeit und Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen. – Zwischenrufe bei der FPÖ.) Liebe Freunde, jeder, der etwas mit Gesundheit am Hut hat und nicht den Aluhut, bekommt bei euren Wortmeldung Gänsehaut.

Sehr geehrter Bundesminister, wir hoffen, dass wir mit dieser vernünftigen Variante des Testens sicherer durch die nächsten Monate kommen werden. (Bundesrat Spanring: ... alles anders! – Zwischenruf des Bundesrates Ofner.) Damit ist auch dieses unselige Freitesten weg vom Fenster. Sie, liebe Regierung, haben sich damit eine Riesenblamage erspart, denn beim Freitesten aus dem Lockdown trotz hoher Infektionszahlen hat nichts gepasst – rechtlich nicht, und vom gesundheitlichen Nutzen her schon gar nicht. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Leinfellner.)

Angesagt ist nun ein vernünftiges Testen, und dies mit einer starken sozialdemo­kra­tischen Handschrift. So wie unsere Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner als unum­strittene Fachfrau festgestellt hat, ist neben dem so wichtigen Impfen eine durchdachte und verständliche Teststrategie – da liegt die Betonung auf wirklich durchdacht – enorm wichtig, um weitere Lockdowns zu verhindern. (Beifall bei der SPÖ.)

Was haben wir zum Schutz der Gesundheit erreicht? – Die Wohnzimmertests sind jetzt als Herzstück des vernünftigen Testens gesetzlich verankert. Die Tests kommen zu den Menschen nach Hause und in die Betriebe: Testen, Testen, Testen, mit einem massiven Ausbau des freiwilligen Testens – keine Zwangstesterei, wie die ganze Zeit propagiert wird!

Enorm wichtig sind die kostenlosen Tests für die wichtigen Schlüsselberufsgruppen wie das Gesundheitspersonal, die Pädagogen et cetera. Enorm wichtig ist auch die neue Teststrategie, die auch Grundlage für eine Sozialpartnereinigung ist, nämlich betreffend die Freistellung für das Testen während der Arbeitszeit, die so wichtige Maskenpause und den Kündigungsschutz bei einem positiven Testergebnis. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist auch angebracht, positiv zu vermerken, dass endlich auch mit der Opposition geredet wurde und deren Vorschläge auch angenommen wurden. Demnach muss die Lage schon wirklich sehr ernst sein (Heiterkeit bei BundesrätInnen der SPÖ), denn eines ist klar: Der harte Lockdown, in dem wir uns noch immer befinden, Herr Bundesminister, wirkt nicht, und es stehen Befürchtungen an, dass noch härtere Maßnahmen zu setzen sein werden.

Was noch erschreckender ist – Sie haben dies selbst bereits bestätigt –: Der mutierte Virus B.1.1.7 wird uns noch vor viel größere Schwierigkeiten stellen. Dies zeigen uns die derzeitige Lage in England und Irland und auch die bereits existierenden Verdachtsfälle in Österreich. Es ist daher höchst an der Zeit, in die Gänge zu kommen und eine klare, transparente Impfstrategie zu kommunizieren.

Eines ist nämlich klar: Die derzeitige Pandemiebekämpfung dieser Bundesregierung ist eine Bankrotterklärung. Die Kompetenzen im Pandemiefall sind im Epidemiegesetz eigentlich klar geregelt. Die Kompetenz liegt ausschließlich bei Ihnen, Herr Gesundheits­minister. Da käme der Föderalismus eigentlich gar nicht zum Tragen. Wir müssen froh sein, dass jetzt die Länder und Gemeinden eingesprungen sind, aber Sie werden ja am laufenden Band von Bundeskanzler Kurz ohne Blinker rechts überholt.

Dies war schon bei der Aktion mit den FFP2-Masken für über 65-Jährige so. Übrigens, diese Aktion mit den Masken ist perfekt gelaufen: Wie hat es im vergangenen Jahr geheißen? – In kürzester Zeit haben die Betroffenen die Masken. – Bis heute wurde erst ein Teil ausgeliefert, und wenn man das Packerl erhalten hat, stellt man fest, es sind überraschenderweise Masken aus China, nicht vielleicht von einem der österreichischen Unternehmen, die ja auch zur Genüge Masken anbieten. Nein, nicht: Kauf ein in Österreich!, sondern: Kauf ein in China!, heißt die Devise. Dies ist wirklich traurig.

So, und nun zur nächsten Aktion plus, der Impfaktion 80 plus: Na hawidere, wie der Wiener zu sagen pflegt, das war auch wieder eine Überholaktion des Kanzlers von rechts ohne Blinker an Ihnen vorbei, Herr Bundesminister. Am 27.12. fand ja offiziell die mediale Eröffnung der Impfspiele statt: Österreich impft – hurra! –, Bundeskanzler rettet die Nation, Berichterstattung läuft nach Wunsch. Ein Auszug aus dem Videoprotokoll vom 30.12. zum Thema Covid-19-Impfstrategie lautet allerdings: Es wird angeregt, bereits neben Alten- und Pflegeheimen auch an den Krankenanstalten, zumindest an den Covid-Stationen, zu impfen. Es wurde nunmehr im E-Shop der BBG die Möglichkeit geschaffen, eine Woche nach dem Bestelltag der Alten- und Pflegeheime auch für die Covid-Stationen in Krankenanstalten Impfstoff zu bestellen. Darüber hinaus ist die Impfung in Krankenanstalten aber nicht möglich, da es im Jänner noch immer einen Engpass an Impfstoff gibt. Das restliche Personal in den Krankenanstalten (Zwischenruf des Bundesrates Novak) kommt wie ursprünglich geplant im Anschluss an die Alten- und Pflegeheime dran. – So weit der Auszug aus dem Protokoll.

Dann aber ist die Stimmung in Österreich umgeschlagen, und es hat für den Kanzler nicht so gut ausgesehen: alles zu langsam, Impfdosen vergammeln im Keller und so weiter waren dann die Meldungen. Auch im Ausland wurde da schon heftigst geimpft. So lautet die nächste Schlagzeile: „Kanzler greift durch“ – alle der Gruppe 80 plus werden ab sofort geimpft. Somit konnten Sie, Herr Gesundheitsminister, das Gesund­heitsministerium, die Länder die gesamten bisher geplanten Impfstrategien über Bord werfen – wieder eine Glanzleistung.

Wie sieht diese Aktion 80 plus nun allerdings in der Realität aus? – Freitagnachmittag kam ein E-Mail an die Bürgermeister: Bis 16 Uhr am Montag sind alle Impfwilligen der ÖGK zu melden. – Aha! Impfung am Wochenende ab 16. Jänner in der ÖGK – ein Kinderspiel, weil ja jeder Bürgermeister die Handy- und Telefonnummern seiner Bürger samt Filter für das entsprechende Alter in der Hosentasche hat. Also gab es eine Sonderschicht mit der Amtsleitung, ZMR-Listen abfragen, Infoschreiben drucken, kuver­tieren, Postversand. – Postversand? Fehlanzeige, denn es ist ja, wenn der Brief an­kommt, eine Woche zu spät für die Adressaten. Findet also am Wochenende Kuriere!

Viele Kollegen haben auf die Feuerwehren zurückgegriffen oder halt Freiwillige in An­spruch genommen, um mit den Informationen zeitgerecht beim Bürger zu sein – bei mir waren es zum Beispiel 511 Bürger und Bürgerinnen –, aber auf die Gemeinden ist wie immer Verlass. Wir haben es geschafft: Bis Sonntagmittag war alles ausgeliefert, und am Montag glich es auf der Gemeinde einem Bienenstock, aber wir haben es wieder geschafft, und um 16 Uhr waren 350 Impfwillige registriert. Nun kommt es: Um 17 Uhr haben wir die Infoblätter zur Impfung erhalten, am Dienstag in der Früh einen Antwort­katalog für eventuelle dringende Anfragen – aber eh wurscht. Gestern waren es schluss­endlich 400 von 511 – toll! –, alle mit der Erwartungshaltung, am Wochenende wird geimpft. – Nix da! Jetzt trauen sich die über 80-Jährigen nicht mehr aus dem Haus, weil sie stündlich auf den Anruf der ÖGK warten, wann sie zum Impfen drankommen. (Beifall bei der SPÖ.)

Nebenbei sind zudem noch viele Fragen offengeblieben: Wie kommen ältere Personen aus dem ländlichen Bereich in die Impfzentren der Bezirke, wenn sie nicht mobil sind? Was ist mit den Bettlägerigen, den 24-Stunden-Betreuten und -Betreuern und, und, und? All die­se Fragen wurden an die Bürgermeister gestellt, und wieder werden wir alle alleine ge­lassen. Wir Gemeinden helfen zwar, wo wir können, aber alles werden wir auch nicht stemmen.

Wie hat Hans Winkler in der „Kleinen Zeitung“ treffend bemerkt? „Die Regierung muss sich wünschen, dass möglichst wenige sich impfen lassen wollen, denn sie hat nicht genug Impfstoff.“ – Genau so ist es auch. In Kärnten ist die Situation so, dass wir es vielleicht schaffen, wenn auch zusätzliche Impfungen zugelassen und geliefert werden, bis Ostern, Ende März, diese Impfwilligen 80 plus durchzuimpfen – bis Ende März. Das ist kein Märchen, da ist die Schlagzeile der „Kleinen Zeitung“: Bis Ende März 27 820 Imp­fungen für Kärnten.

Nur hat das Ganze noch einen Pferdefuß, Herr Minister: Diese Impfdosen für jene über 80 wären die gewesen, die Sie eigentlich laut eigener Zielvorgabe in Ihrer Impfstrategie für das Krankenhauspersonal und die Ärzte vorgesehen hätten. Dazu passt dann auch noch die Schlagzeile der „Kronen Zeitung“: „Schröcksnadel fordert die“ sofortige „Impfung für ÖSV-Athleten“. (Bundesrat Schennach: ... das ist ...!) – Ist das schon der Beginn eines Verteilungskampfes um Impfstoffe? Wo liegt die Priorität in unserem Land: Wintertourismus, Skiliftlobbyisten, Skisportler? Bei aller Hochachtung für ihre Leistung, muss wirklich alles – unser Gesundheitssystem, unsere Wirtschaft, unsere Kinder und die Freiheit von uns allen – geopfert werden? Ich hoffe inständig nicht.

Zurück zur Impfstrategie: In Dänemark weiß heute jeder Staatsbürger, wann er im heurigen Jahr seine Impfung bekommt. Bei uns ist jetzt elf Monate nichts passiert, es herrschen nur Unwissen und Unsicherheit. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ. – Zwischenrufe der BundesrätInnen Bader und Zwazl.) Die Conclusio des Ganzen lautet: Da hat das Machtwort von Bundeskanzler Kurz zum völligen Impfchaos geführt.

Abschließend das Resümee zur Erfolgsgeschichte dieser Bundesregierung: Coronaapp gescheitert, Coronaampel gescheitert, Massenteststrategie gescheitert, Impfstrategie gescheitert. (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.) Um diesbezüglich den Österreiche­rinnen und Österreichern mehr Sicherheitsgefühl geben zu können, bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Ingo Appé, Kolleginnen und Kollegen betreffend „keine Verzöge­rung bei den Corona-Impfungen und Vorbereitung des Einsatzes von Selbsttests“

eingebracht im Zuge der Debatte über den Beschluss des Nationalrates vom 14. Jänner 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 und das COVID-19-Maßnahmengesetz geändert werden. (1197/A)

Die unterfertigten Bundesrätinnen und Bundesräte stellen daher nachstehenden Ent­schließungsantrag:

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird auf­gefordert, die Durchführung der Corona-Impfungen nicht zu verzögern und unverzüglich alle vorhandenen Impfdosen an die Länder zur Verimpfung auszuliefern.

Er wird weiters aufgefordert, umgehend eine zentrale digitale Möglichkeit zur Impf­an­meldung und eine zentrale digital einsehbare Statistik über die bereits erfolgten Impfun­gen zu schaffen.

Um möglichst breites, regelmäßiges und niederschwelliges Testen zu ermöglichen, soll in Zukunft darüber hinaus auch auf den Einsatz von Tests zur Eigenanwendung gesetzt werden, sobald diese am Markt verfügbar sind.

Die Bundesregierung wird daher aufgefordert, die notwendigen Schritte, was die arbeits­rechtliche Situation und den Kontakt zur Gesundheitsbehörde (Verdachtsfall-Manage­ment, PCR-Testung, etc.) betrifft, umgehend klar zu regeln. Weiters ist die Qualität, die Sicherheit und die Zulassung dieser Tests sicher zu stellen.

Die Bundesregierung hat dafür Sorge zu tragen, dass derartige Selbsttests breitflächig und kostenfrei zum Einsatz gebracht werden.“

*****

Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

15.18

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Der von den Bundesräten Ingo Appé, Kollegin­nen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „keine Verzögerung bei den Corona-Impfungen und Vorbereitung des Einsatzes von Selbsttests“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bundesrat Andreas Arthur Spanring zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.