15.56

Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Hohes Präsidium! Sehr ge­schätzter Herr Minister! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher zu Hause! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister, ich glaube, Sie können tatsächlich froh sein, dass es die SPÖ gibt und dass uns das Wohlergehen der Menschen in unserem Land so wichtig ist, dass wir bereit sind, mitzuwirken. (Beifall bei der SPÖ.) Wir sind bereit, mitzuwirken, damit wir dieses Virus in unserem Land bald besiegen und keinen weiteren Lockdown mehr brauchen. Wir können mit gutem Gewissen und selbstbewusst be­haup­ten: Die Teststrategie, die nun vorliegt, geht auf unsere Rechnung! (Beifall bei der SPÖ.)

Man muss schon sagen, ohne uns Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen wäre das Chaos perfekt. Wenn man den Vorschlag zum Freitesten noch vor wenigen Tagen gesehen hat – von der Vorgehensweise ganz zu schweigen –, dann wird schon klar, dass es da mittlerweile eine Überforderung in der Bundesregierung gibt.

Ja, die Herausforderungen sind groß. Wer möchte schon eine Pandemie bewältigen müssen? Vernünftige Menschen, Menschen mit Hausverstand werden aber in einer Krise immer versuchen, alle Menschen, die zu einer Lösung beitragen können, einzu­binden, und das sind nun einmal alle Parteien, die Sozialpartner, die Länder und die Gemeinden und so weiter. Unsere Parteivorsitzende und wir als Gesamtpartei bringen, das können wir mit Fug und Recht behaupten, seit Monaten Vorschläge, wie diese Pandemie bewältigt werden kann. Von uns liegt seit Monaten eine Teststrategie auf dem Tisch und endlich, so muss man sagen, werden diese Vorschläge auch aufgegriffen.

Wir haben oft den Eindruck, dass Wählerstimmen, dass die persönlichen Umfragewerte des Kanzlers einfach wichtiger sind, und dann kommt am Ende des Tages solch ein Chaos heraus. Die Leute werden es mittlerweile müde, permanent eine Karotte vor die Nase gehalten zu bekommen, die man ihnen dann am nächsten Tag wieder wegnimmt. All das, was mit Vertrauen und Zusammenhalt zu tun hat, ist keine Frage der Appelle, sondern das muss man leben, denn nur dann kann es gelingen. (Beifall bei der SPÖ.)

Dieses Vertrauen und dieser Zusammenhalt, die auch meine Vorrednerin angesprochen hat, schwinden zunehmend und entgleiten dieser Regierung, weil sie nicht gelebt werden und nicht ernst gemeint sind. Die Menschen können die Maßnahmen nur mehr schwer mittragen, weil sie nicht stringent sind, weil sie schwer nachvollziehbar und manchmal auch nicht sinnvoll sind. (Beifall des Bundesrates Hübner.)

Ich bin jetzt ganz ehrlich: Dass wir heute hier mitgehen, ist für uns – sagen wir es gelinde – zwiespältig. Wir könnten natürlich auch auf dem Standpunkt stehen und sagen: Regelt euch doch dieses Chaos selber, wir haben damit nichts zu tun! Schaut selber, wie ihr aus diesem Chaos herauskommt! – Dafür sind uns als SozialdemokratInnen aber die Menschen und dieses Land zu wichtig. Wir springen ein, damit die Gesetze zumin­dest halbwegs erträglich sind. Wir fühlen uns den Menschen verpflichtet. Wir spüren Verantwortung und wollen aus dieser Krise nicht auf deren Rücken politisches Kleingeld machen, wie dies die andere Oppositionspartei, die FPÖ, permanent versucht. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.)

Ich möchte an drei Beispielen veranschaulichen, was zurzeit alles schiefläuft und wo dringend nachgebessert gehört. Das eine sind die Schulen. Hoffentlich, muss ich sagen, werden jetzt, während wir hier im Parlament sind, die Selbsttests ausgeliefert, und das ist gut so, diese brauchen wir ganz dringend. Diese Idee hatte der Bildungsminister, um den Schulstart für kommenden Montag zu ermöglichen. Das hat ihm allerdings der Kanzler ganz eiskalt abgedreht, was ich sehr, sehr schade finde.

Nicht flächendeckend beliefert sind bis dato, muss ich sagen, die Kindergärten. Diese haben aber im Unterschied zur Schule aktuell offen und sie hatten permanent offen, auch in den letzten Wochen. Sie alle wissen, dass es verdammt schwer ist, sich als MitarbeiterIn in der Elementarbildung zu schützen, weil man mit Handschuhen und Masken nicht gemeinsam mit Kindern arbeiten kann. Deshalb möchte ich bitten, dass für MitarbeiterInnen im Bildungsbereich ab der Elementarbildung diese Testmög­lich­keiten ab sofort flächendeckend zur Verfügung stehen und dass auch diese KollegInnen bei der Impfstrategie prioritär behandelt werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Es geht da – welch ein Zufall! – größtenteils um Frauen, und diese Frauen brauchen, wie meine Kollegin und Fraktionschefin schon gesagt hat, mehr Beachtung, denn sie sind die, die derzeit diese Jobs nach bestem Wissen und Gewissen machen. Sie haben nebenbei eine Familie, sie haben oft zu pflegende Angehörige zu versorgen, Kinder, die im Homeschooling sind, und so weiter. Frauen leisten zurzeit Ungeheures und viele, viele Alleinerzieherinnen sind wirklich am Ende und können bald nicht mehr. Es braucht da Aufmerksamkeit und konkrete Unterstützungsmaßnahmen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein zweites Beispiel: Wie derzeit mit den Kindern und Jugendlichen umgegangen wird, ist, finde ich, skandalös. Oberstufenschüler – das sind Teenager! – sind teilweise seit Mitte Oktober nicht mehr in der Schule gewesen, das heißt, nicht mehr unter Gleich­altrigen gewesen. Volksschulkinder, die gerade mit der Schule begonnen haben, haben keinen persönlichen Kontakt zu ihrer Lehrerin, und Sie wissen, wie sehr die Kinder die­sen persönlichen Austausch brauchen, das Gesicht sehen müssen.

Die psychische Belastung dieser jungen Menschen ist massiv, die soziale Isolation wirkt langsam verheerend. Ich frage mich: Was ist angedacht, um die Folgen dieser Proble­matik abzufangen? Wer in dieser Regierung denkt an die Kinder? – Das frage ich mich wirklich! (Bundesrat Hübner: Was ist Ihr Vorschlag?) Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Bildung permanent Verhandlungsmasse ist – die Bildung spielt näm­lich kurzfristig kein Geld ein. Auch Kinder sind Verhandlungsmasse, weil sie aktuell keine Wählerstimmen bringen.

Die Folgen – das, was diese Generation derzeit ausbrütet – werden gravierend sein. Wir werden uns wahrscheinlich in einigen Monaten hier herinnen wünschen, dass wir besser auf diese Generation geschaut hätten. Ich sage das nur ungern voraus und hoffe, dass ich mich täuschen werde, aber ich fürchte, dass wir in dieser Hinsicht noch ganz üble Sachen erleben müssen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein drittes, vielleicht kleines Beispiel – auch ein Beispiel dafür, dass mangelnde Koope­ration zu vielen, vielen Fehlern führt, die vermeidbar wären – aus dem Bereich Lohnver­rechnung: ArbeitnehmerInnen, die in letzter Zeit in Quarantäne waren, haben nachweis­lich am Ende des Jahres Steuernachteile. Ich bin mir sicher, das ist nicht im Sinne der Erfinder – der Regierenden, der EntscheidungsträgerInnen –, aber diese Fehler passie­ren, wenn man die Experten und Expertinnen nicht einbezieht. Es fällt einem kein Stein aus der Krone, wenn man in einer Krise auf Experten zugreift und sie in die Lösungs­findung miteinbezieht.

Zum Glück springen immer wieder auch die Länder ein, und ich möchte es am Beispiel Wien festmachen: Gestern wurde im Bildungsausschuss in Wien neuerlich eine Sonder­finan­zierung im Umfang von 10 Millionen Euro für Hort- und Kindergartenessensbeiträge während dieses neuerlichen Lockdowns beschlossen. (Beifall bei der SPÖ.) Das ist für die Familien in Wien eine wirklich große Entlastung.

Noch ein Beispiel: Heute startet in Wien die Impfstrategie. An diesem Wochenende, von 15. bis 18. Jänner, werden die MitarbeiterInnen des Gesundheits- und Pflegebereichs geimpft. Ab 18. Jänner können sich dann alle WienerInnen für eine Impfung registrieren lassen. Wir nehmen uns da ein Beispiel an Dänemark. Die haben das vorbereitet und rollen das jetzt in einem Tempo aus, das wir auch bräuchten. Wir brauchen ein höheres Tempo bei der Testausrollung und bei der Impfausrollung. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Dass wir heute hier trotzdem mit mehr oder weniger gutem Gewissen mitgehen können, ist darauf zurückzuführen, dass wir als Sozialdemokratie in den Verhandlungen einige Verbesserungen durchsetzen konnten. Es geht um die Masken und die Maskenpause, die gemeinsam mit der Gewerkschaft verhandelt worden ist. Es geht darum, dass posi­tive Testergebnisse keine Kündigung rechtfertigen. Es geht darum, dass die Berufsgrup­pen­testungen kostenlos sind, dass Betriebe bei der Einrichtung von Impfstraßen und Teststraßen unterstützt werden und um einiges mehr. Darauf können wir stolz sein.

Da das Vorausschauen nicht die Stärke dieser Regierung ist, möchten wir jetzt noch einen Entschließungsantrag einbringen, der vor allem eine Branche betrifft, die von diesen vielen Lockdowns zurzeit ganz hart betroffen ist, nämlich die Kunst- und Kultur­branche. Obwohl sie so diszipliniert versucht haben, alles zu tun, um das Infektions­ge­schehen gering zu halten, wurden sie doch sehr, sehr hart getroffen. Daher bringen wir folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Nach dem Lockdown: Kultur möglich machen und realistische Rahmenbedingungen setzen“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere der Gesundheitsminister wird aufgefordert, – wenn aufgrund sinkender Infektionszahlen Lockerungen der Maßnahmen gegen Covid-19 in Aussicht gestellt werden – in den entsprechenden Covid-Verordnungen eigene, branchenspezifische Regelungen für den Kulturbereich vorzusehen, die die spezifischen Voraussetzungen von Kulturbetrieben berücksichtigen.

Jedenfalls sollen die Verordnungen – auch nach offenen Gesprächen mit den Betrof­fenen – folgendes enthalten:

- Klare und rechtzeitige Vorgaben für Kulturbetriebe.

- Gleichbehandlung der Kultur.

- Vorgaben für zu erstellende Präventionskonzepte.

- Niederschwellige Testmöglichkeiten.

- Lebensnahe Öffnungszeiten von Kulturbetrieben.

Zentraler Ausgangpunkt der Regelungen sollen jedenfalls die von den Kulturbetrieben zu erstellenden Präventionskonzepte sein, die die jeweiligen Bedingungen vor Ort opti­mal berücksichtigen.“

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Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

16.08

Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Der von den Bundesräten Mag.a Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Nach dem Lockdown: Kultur möglich machen und realistische Rahmenbedingungen setzen“ ist genügend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Als nächster Redner ist Herr Bundesrat Günther Novak zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.