13.15

Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Hohes Präsidium! Werte Frau Ministerin! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher vor den Bildschirmen! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Zuallererst möchte auch ich Ihnen, Frau Ministerin, für Ihre Schwangerschaft alles erdenklich Gute wünschen.

Ich muss trotzdem am Anfang meiner Rede das kundtun, was mich seit heute Morgen beschäftigt und so sehr aufwühlt, dass ich mir schwertue, mich zu fokussieren: Es ist die Herzlosigkeit, die sich in der Nacht gezeigt hat, gemischt mit der Unfähigkeit dieser Regierung, mit der wir zurzeit konfrontiert sind. Die Bilder der heutigen Nacht lassen mich nicht los. Kinder bewusst ins Elend zu schicken, das tut man nicht! (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Steiner-Wieser.) Wir haben politische Mittel wie das huma­nitäre Bleiberecht, so etwas ist in einer solchen Situation anzuwenden – Punkt. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Schumann: Genau!)

Bis zur Geburt beziehungsweise bis zum Mutterschutz, Frau Ministerin, wartet ja ein riesiger Berg Arbeit auf Sie. Ich beneide Sie nicht darum. Meiner Meinung nach ist es zu viel für eine Ministerin, für ein Ressort, denn in allen Themenbereichen, in jedem einzel­nen Themenbereich, brennt der Hut. Sie selber haben es im Nationalrat so beschrieben, dass nun der Turbo eingelegt werden müsse. Frau Ministerin, es ist ein multipler Turbo, den man jetzt zünden muss, weil man gar nicht beurteilen oder bewerten kann, welcher Bereich eigentlich der dringendere ist. Es geht in Ihrem Ressort nämlich um nicht weni­ger als um das Wohlergehen der Kinder, der Jugendlichen, der Eltern, der Alleinerzie­herInnen; es geht um das Leben von Frauen und Mädchen, und es geht um das Zusam­menleben aller Menschen, egal welcher Herkunft. – Das ist viel.

Vieles davon ist Querschnittsmaterie, ressortübergreifend, das ist klar, aber das darf nicht dazu führen, dass ein Ressort sich auf das andere verlässt und dass ein Minister, eine Ministerin auf den oder die andere wartet und dadurch schlussendlich nichts wei­tergeht. Ich möchte an ein paar wirklich dringenden Aufgaben festmachen, was in Zu­kunft zu tun ist und sozusagen schon gestern zu tun war.

Sie sind jetzt Ministerin für Jugend und Kinder – ja, auch für Kinder, auch wenn das leider im Namen des Ministeriums noch nicht vorkommt. Das, was wir schon die ganze Krise hindurch vermissen, ist die politische Aufmerksamkeit für die Themen der Kinder und Jugendlichen.

In Ihrer Welt, in Ihrer Blase – auch in der meiner Vorrednerin – kann man leicht davon reden, wie kreativ die Kinder und Jugendlichen diese Krise bewältigen, welche Powerfa­milien und Powerfrauen wir haben. Die Realität in meinem Umfeld – und ich kenne die Familien und die Not, mit der sie derzeit konfrontiert sind – ist: Sie sehen die Familien, die Privilegien haben, aber es gibt Familien, denen diese Privilegien nicht zustehen. Auf die müssen wir schauen und außerhalb dieser Blase denken, für diese Familien müssen wir da sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir warnen seit Monaten davor, und das, was jetzt eintritt, ist höchst bedenklich: Die Kinder- und Jugendärzte und -ärztinnen, die Kinder- und JugendpsychiaterInnen, die Kinder- und Jugendhilfe und so weiter – sie alle schlagen Alarm.

Die Regierung hat uns immer vor einer Triage gewarnt. (Bundesrat Steiner: Jetzt haben wir sie, die Triage, in der Psychiatrie!) Diese Situation, in der nicht mehr alle PatientInnen gleichwertig behandelt werden können, war immer sozusagen das Horrorszenario, das wir nicht haben wollten und das alle Maßnahmen legitimiert hat. Wir haben diese Situa­tion jetzt in der Kinder- und Jugendpsychiatrie, das heißt, aktuell können nicht alle Kinder und Jugendlichen versorgt werden. Es geht dabei nicht um Wehwehchen, nicht um einen Beinbruch, sondern es handelt sich um Suizidgefährdungen, um Essstörungen, um Angst­störungen, um Depressionen bei jungen Menschen.

Nein, Frau Ministerin, da können auch Sie nicht sagen, das ist die Zuständigkeit des Gesundheitsministers, denn solche psychischen Belastungen sind ein Produkt aus dem Versagen verschiedener Bereiche, eben auch aus dem Versagen eines Kinder- und Ju­gendressorts. Wenn junge Menschen die Belastungen ihrer Eltern täglich erleben müs­sen und wenn sie Angst vor Gewalt erleben müssen, nicht rauskönnen und keine Pers­pektive sehen, dann entstehen diese Belastungen. Da müssen Sie, der Herr Gesund­heitsminister, der Herr Bildungsminister und alle anderen Regierungsmitglieder jetzt ge­meinsam einen Plan entwickeln. Die jungen Menschen brauchen eine Perspektive. Ich denke da auch durchaus an eine Form von Belohnung dafür, was die jungen Menschen seit Wochen, seit Monaten an Entbehrungen ertragen.

Ich werde später noch einen Antrag dazu einbringen, und ehrlich gesagt: Wer dem nicht zustimmt, nämlich dass jetzt ein Paket für Kinder und Jugendliche geschnürt wird, dem sind die Kinder offensichtlich wurscht. Ich werde Sie alle daran messen, ob Sie bei die­sem Antrag mitgehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Ministerin, Sie sind jetzt auch Ministerin für Kinderrechte in Österreich, und Ihre Aufgabe ist die Koordinierung dieses Themas. Kinderrechte betreffen zwar wieder alle Ressorts, aber bei Ihnen muss der Lead liegen, das heißt, Sie müssen die Fäden in die Hand nehmen. Im Frühjahr 2020 sind die Concluding Observations der Vereinten Natio­nen eingetroffen, also die Arbeitsaufträge der UNO an Österreich, was im Bereich Kin­derrechte zu tun ist. Ich würde gerne Folgendes wissen: Wann startet die Erledigung dieser Aufgaben? Wann startet die Abarbeitung dieser Aufträge? Die Liste der Kinder­rechtebaustellen ist lang. Bitte, kommen Sie da in die Gänge!

Als Familienministerin betrifft Sie natürlich auch das Thema Kinderarmut. Ich weiß, ich habe es hier schon öfters erwähnt, aber es muss offensichtlich sein, denn es tut sich nichts. Kinderarmut zu akzeptieren, Kinderarmut zuzulassen ist politisch und gesell­schaftspolitisch fahrlässig, denn wir alle wissen, dass die Reparatur dessen, was in früheren Jahren sozusagen verbockt wird, in späteren Jahren um ein Vielfaches teurer wird. Da geht es um Gesundheitsprobleme, da geht es um Bildungsprobleme in jungen Jahren, die zur Arbeitslosigkeit und zu chronischen Erkrankungen im Erwachsenenalter führen. Das heißt, es ist schlau, in der Kindheit zu investieren, und es ist nicht schlau, zu warten, bis Erwachsene in der Armutsspirale festhängen. (Beifall bei der SPÖ.) Dass in diesem Zusammenhang die Unterhaltsgarantie jetzt wieder nicht kommt, versteht wirk­lich niemand mehr.

Frau Ministerin, als Familienministerin betrifft Sie aber auch das Thema Kindergärten. Am Sonntag war der Tag der Elementarbildung, und die Kindergärten und Krippen sind über die 15a-Vereinbarungen mit den Ländern teilweise auch in Ihrem Ressort verankert. Sie selber haben die Notwendigkeit eines flächendeckenden Angebotes betont. Ja, das ist wichtig, aber wichtig ist auch die flächendeckend gleich hohe Qualität in diesem Be­reich. Da gibt es noch viel zu tun. Jedes Kind, egal ob am Bodensee oder am Neusiedler See geboren, hat ein Recht auf die beste elementare Bildung. Auch da braucht es nächste Schritte. (Beifall bei der SPÖ.)

Noch ein Thema für Sie, Frau Ministerin – ich habe es vorhin angedeutet –: Während ich hier spreche, frieren Tausende junge Menschen und ihre Eltern in den Elendscamps in Griechenland und in Bosnien. Da kann jeder Minister und jede Ministerin natürlich auf die anderen warten, auch jedes Land kann auf das andere Land warten, das hilft aber den Kindern nicht. Wer als EntscheidungsträgerIn angesichts dieser Bilder noch ruhig schlafen kann, hat kein Herz – das ist meine Meinung. Wer doch ein Herz hat, kann die Petition, die wir gestartet haben, ab sofort unterzeichnen. (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Ministerin, Sie haben im Nationalrat gesagt, Sie möchten jungen Menschen Pers­pektiven geben – wir auch! –, aber es braucht noch mehr: Wir müssen die Kinder und Jugendlichen jetzt auffangen und retten. Deshalb stellen wir als SozialdemokratInnen gemeinsam mit den NEOS – vielen herzlichen Dank an dieser Stelle – folgenden Ent­schließungsantrag, den ich hiermit einbringe:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Mag.a Daniela Gruber-Pruner, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen betreffend „umgehende Umsetzung eines Zukunftspaketes für Kinder- und Jugendliche“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die zuständige Bundesministerin für Frauen, Inte­gration, Familie und Jugend wird aufgefordert, umgehend Maßnahmen zur Bekämpfung der negativen (psycho-) sozialen Auswirkungen der Corona Krise auf Kinder und Ju­gendliche zu treffen und ein Zukunftspaket für Kinder und Jugendliche auf den Weg zu bringen.“

*****

Frau Ministerin! Es warten viele, eigentlich zu viele Aufgaben auf Sie, die gelöst werden müssen. Sie können das gemeinsam mit Expertinnen und Experten probieren, aber – Hand aufs Herz! – ein Riesenressort, wie Sie es gerade aufbauen, wird weder den Kin­dern und Jugendlichen noch den Eltern noch den Frauen etwas bringen. Leider haben Sie und Ihre RegierungskollegInnen es erneut verpasst, ein Signal für die in Österreich so dringend notwendige eigenständige Kinder- und Jugendpolitik und somit für die Ge­genwart und Zukunft der jungen Menschen zu setzen, daher lehnen wir dieses Gesetz ab. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.26

Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Der von den Bundesräten Mag.a Daniela Gruber-Pruner und Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschlie­ßungsantrag betreffend „umgehende Umsetzung eines Zukunftspaketes für Kinder- und Jugendliche“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als weiterer Redner zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Markus Leinfellner. Ich erteile ihm das Wort. – Bitte schön.