19.04

Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M.: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Mitglieder des Bundesrates! Bevor ich auf die Beantwortung der Dringlichen Anfrage eingehe, erlauben Sie mir einleitend einige allgemeine Bemerkungen!

Ich bin eigentlich dankbar für die Möglichkeit, heute hier im Hohen Haus über den Atom­waffenverbotsvertrag zu sprechen. Dessen Inkrafttreten vergangenen Freitag, am 22. Jänner, war tatsächlich ein großer Schritt nach vorne. Das wurde auch vom UNO-Generalsekretär ausdrücklich begrüßt, und dem gingen jahrelange Bemühungen voraus, bei denen Österreich an der Speerspitze stand. Das war ganz richtig, und dazu stehe ich. (Beifall bei der ÖVP.)

Bereits 2014 fand in Wien eine Großkonferenz zu den humanitären Folgen dieser men­schenverachtenden Waffe statt. Damals ist uns etwas gelungen, worauf dieser Vertrag heute überhaupt aufbaut: Wir haben das Narrativ weg vom rein sicherheitspolitischen Fokus hin auf den humanitären Fokus dieser verheerenden Waffe gebracht. Die Risken sind leider, leider heute so real wie eh und je. (Bundesrat Schennach: Aber geh!) Ja, sie sind sogar größer geworden. Noch immer sind über 13 000 Nuklearwaffen existent, Europa ist noch immer der Kontinent mit der größten Ansammlung an Nuklearspreng­köpfen. Die Zahl der Staaten, die das Know-how haben, hat in den letzten Jahrzehnten zugenommen. Nur 60 Kilometer von der Kärntner Grenze entfernt – Sie haben vorhin AKWs genannt – gibt es die Nato-Basis Aviano mit einer Nuklearwaffe. Wenn die ex­plodiert, irgendein menschlicher Fehler passiert, dann sind Tschernobyl und Fukushima im Vergleich nichts. (Bundesrat Schennach: Danke für ...!) Das muss uns nur ganz klar sein.

Was noch dazu kommt: In den letzten Jahren wurden um Milliarden US-Dollar neue, effizientere Waffen, neue Einsatzsysteme entwickelt, die die Reaktionszeit verkürzen und das Risiko einer Fehleinschätzung erhöhen. Das heißt, das ist ebenso wie der Kli­mawandel, ebenso wie Cyberangriffe keine rein theoretische Diskussion – leider ist es keine theoretische Diskussion. Es ist keine spekulative Angstmache, wie gesagt wird, sondern leider eine reale Bedrohung. Gerade Tschernobyl und Fukushima haben uns ja vor Augen geführt, dass es auch in Systemen, die scheinbar foolproof sind und in denen es 20 oder mehr Sicherheitssysteme gibt, durch Fehlverhalten, durch Fehleinschätzun­gen Fehler geben kann.

Wir hatten in den letzten 75 Jahren, seit Hiroshima und Nagasaki, Glück. Das wissen wir heute, aber ich glaube, dass Glück alleine als politische Basis nicht ausreicht.

Im Zuge der Medienaktivitäten rund um diesen großen Schritt nach vorne – das Inkraft­treten des Atomwaffenverbotsvertrages – wurden vom Außenministerium mehrere Vi­deos produziert. Die intensive von Ihnen angesprochene Diskussion über eines der Vi­deos, in dem eine Atomwaffenexplosion über Wien simuliert wird, zeigt, dass dieses Thema aufregt, dass dieses Thema Emotionen hervorruft. (Bundesrätin Schumann: Na geh ...!)

Uns ging es aber dabei keineswegs um Effekthascherei, sondern um Warnung, um Be­wusstseinsbildung. (Heiterkeit bei der SPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Scherzkeks! – Weiterer Zwischenruf bei der SPÖ.) Das Risiko ist real, und um einen Gastkommentar von letzter Woche von Herrn Prof. Martin Senn zu zitieren: „Nuklearwaffen“ sind eine „manifeste und anhaltende Bedrohung für die Existenz der Menschheit.“ – Auch wenn es manche lieber nicht wahrhaben wollen: Wir dürfen nicht wegschauen. Wir dürfen nicht die Pan­demie als Begründung dafür nehmen, Krisenherde nicht zu beachten, humanitäre Ent­wicklungen nicht zu sehen, von realen Bedrohungen wegzuschauen. (Bundesrat Beer: Was haben wir für eine Krise?) Das hielte ich für die falsche Politik, und genau das wäre eine falsche Außenpolitik, die nicht im Interesse unseres Landes wäre. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)

Ich kann ganz offen sagen: Wir hatten in der Antiatompolitik und in der Frage der Ab­rüstung eigentlich immer einen sehr starken überparteilichen Konsens, auch in diesem Hohen Haus, der es uns als Außenministerium erst ermöglicht hat, international als Speerspitze so effizient zu sein. Es tut mir leid, dass die SPÖ sich offenbar von ihrem eigenen Parteiprogramm verabschiedet, in dem noch steht: „[...] die Ächtung und das Verbot aller Massenvernichtungswaffen – egal ob chemisch, biologisch oder atomar“ – ist eine wesentliche Priorität. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Ich bedauere natürlich, dass offenbar von diesem Weg abgegangen wird. Ich gehe weiterhin davon aus, dass es einen Konsens gibt und dass Österreich sich bei Abrüstungsfragen und im multilateralen Bereich weiterhin an die Spitze stellen wird. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Bundesrates Beer.)

Aus den Flüchtlingslagern in Griechenland und in Bosnien erreichen uns leider immer wieder Bilder, die uns alle zu Recht erschüttern. (Bundesrätin Grimling: Glaub ich aber nicht!) Wesentlich ist für mich in dieser Situation, dass wir Verantwortung übernehmen und rasch handeln, und das tun wir auch. Die Frage in Österreich – um das klar zu ma­chen – ist nicht, ob wir helfen, sondern wie wir helfen, und das ist eine sehr legitime Frage. Wir setzen dabei auf Hilfe vor Ort, weil wir damit auch mehr Menschen erreichen. Wir haben uns immer – immer, das betone ich – solidarisch gezeigt, seit 2015, bitte, noch unter einer anderen Bundesregierung. (Bundesrat Schennach: Nur ist es noch nicht angekommen – weder die Container noch die Zelte!)

Wir haben 5 Millionen Euro über UNHCR und IOM für Griechenland zur Verfügung ge­stellt. Wir haben Container, Zelte und Hilfsgüter zur Verfügung gestellt. Wir haben uns bei den griechischen Partnern mit Nachdruck dafür eingesetzt, dass SOS-Kinderdorf sehr bald eine Tagesbetreuungsstätte in Lesbos eröffnen kann. Auch in Bosnien haben wir mit 1 Million Euro Soforthilfe geholfen. Wir haben uns gemeinsam mit Italien, Deutschland und der EU-Delegation vor Ort dafür eingesetzt, dass die Bedingungen für die Migranten umgehend verbessert werden. Erst vor wenigen Tagen habe ich mit mei­ner bosnischen Amtskollegin telefoniert und sehr eindringlich auf die gesamtbosnische Verantwortung bei der Verbesserung der humanitären Lage der Menschen im Land ver­wiesen. Ich glaube, so funktioniert effiziente Politik. (Beifall bei der ÖVP.)

Es wurde schon oft in diesem Haus wiederholt: Wir haben ja nicht nur vor Ort geholfen, sondern wir haben auch in Österreich massiv geholfen. So haben wir in den letzten fünf Jahren pro Kopf im Vergleich zum EU-Schnitt mehr als doppelt so viele Flüchtlinge auf­genommen. Seit 2015 haben wir 124 000 Menschen in diesem Land Schutz gegeben, darunter waren 56 000 Kinder und knapp 25 000 Frauen. Allein im Vorjahr waren es über 12 600 Schutzgewährungen, darunter waren 5 700 Kinder und über 2 000 Frauen. Das sind circa 100 Kinder pro Woche. Uns also mangelnde Hilfe, mangelnde Solidarität, Wegschauen oder gar Herabwürdigung zu unterstellen, geht einfach an der Realität vor­bei.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich habe es schon mehrmals hier im Hohen Haus hervorgehoben: Der Schutz und die Förderung der Grund- und Menschenrechte ist eine klare, unveränderte Priorität Österreichs. Dieser Einsatz kennt auch keinen Lockdown. Gerade unsere Mitgliedschaft im UNO-Menschenrechtsrat und unser Vorsitz im UNO-Menschenrechtsrat im letzten Jahr geben diesem Engagement große Visibilität. Wir scheuen auch nicht davor zurück, sehr heiße Eisen anzugreifen. Denken Sie etwa an die klare Verurteilung des Giftanschlags auf Nawalny durch den Menschenrechtsrat, der Situation der Uiguren in China oder der Entwicklung in Hongkong! Es ist auch kein Zufall, dass mich meine erste Auslandsreise – außer jener nach Brüssel – nach Genf geführt hat. Das war ein klares Signal für unseren Einsatz für Multilateralismus, für Menschen­rechte und für Abrüstung.

Zuletzt noch ein Wort zu den USA: Die stärkere Hinwendung zu den USA ist eine klare, strategische Ausrichtung dieser Bundesregierung. Wir machen diese strategische Aus­richtung logischerweise nicht von einer Person oder einer Regierung abhängig. Die ha­ben wir schon selber, sie ist ein Ergebnis einer strategischen Evaluierung Österreichs. Es ist richtig, dass uns die aufwühlenden und verstörenden Bilder des randalierenden Mobs, der das Herz der amerikanischen Demokratie gestürmt hat, neuerlich drastisch vor Augen geführt haben, dass wir verletzlich sind, dass unsere Demokratien, unsere offenen Gesellschaften nicht unverwundbar sind und – ich habe das in diesem Haus schon öfter wiederholt – dass diese immer kleiner werdende Gruppe von Staaten, die das gleiche Lebensmodell teilen, die die gleichen Werte teilen – das ist nur noch circa ein Viertel aller Staaten weltweit –, zusammenarbeiten, zusammenhalten muss. Eine wesentliche Führungsmacht in dieser Gruppe sind die Vereinigten Staaten. Das ist nun einmal eine Tatsache. Wir freuen uns sehr auf die Zusammenarbeit mit der neuen Admi­nistration.

Erste Kontakte wurden auch schon geknüpft; ich hatte letzten Freitag eine Videokonfe­renz mit John Kerry, dem Klimabeauftragten des Präsidenten. Die ersten Signale, die wir aus Washington hören, sind wirklich besonders positiv, Stichwort Verlängerung des Vertrages New Start um fünf Jahre, Stichwort Rückkehr zum Pariser Klimaabkommen und überhaupt Rückkehr zum Multilateralismus, wobei natürlich jetzt gerade die Weltge­sundheitsorganisation im Zentrum steht. Das sind sehr, sehr positive Aspekte und Signa­le, die uns als sozusagen liberaler Block weltweit in diesen multilateralen UNO-Organisa­tionen stärken.

Wir alle wissen, dass wir die globalen Probleme, wie die Pandemie, den Klimawandel, nur gemeinsam lösen können. Umso wichtiger ist, dass sich da die USA jetzt wieder vermehrt einbringen. Wir dürfen aber als Europäer auch nicht den Fehler begehen, dass wir uns jetzt mit einem Seufzer der Erleichterung in unseren Aschaffenburger Lehnstuhl zurücklehnen und sagen: Das ist jetzt alles vorbei, die vier Jahre können wir löschen, der Weltpolizist USA ist wieder da und wir sind wieder dort, wo wir vorher waren! – Es gibt kein Back-to-the-Future. Wir müssen uns sehr bewusst sein, dass in der meritori­schen Außenpolitik der Amerikaner, also in der Substanz, zum Teil vielleicht sehr viel weniger Kursänderungen stattfinden werden, als es der eine oder andere vermuten oder wahrhaben will. Was aber wichtig und sehr wesentlich ist, ist, dass der Ton ein anderer ist – und das begrüße ich jedenfalls.

Jetzt darf ich konkret auf die Fragen eingehen (Bundesrat Beer: Ja, weil bis jetzt haben wir eine Themenverfehlung gehabt!):

Zu den Fragen 1 bis 3:

Ich habe schon gesagt, dass wir im Schatten der Pandemie nicht auf andere brennende Fragen vergessen dürfen. Mir ist es wichtig, dass wir diese abstrakt wirkende Bedrohung greifbar machen, und das haben wir mit diesem Video versucht, das war der Zweck dieses Videos. Es ist und bleibt die grausamste, menschenverachtendste Waffe, die je kreiert wurde, und sie hat das Potenzial, die Menschheit auszulöschen. Es ist kein Zufall, dass der Generalsekretär der UNO, António Guterres (Zwischenruf bei der SPÖ), diesen Schritt ausdrücklich begrüßt hat und die Umsetzung und Weiterführung des Atombom­benverbotsvertrages als die höchste Priorität – ich betone: die höchste Priorität – der UNO im Abrüstungsbereich betitelt hat. Der Präsident des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, Peter Maurer, hat sogar von einem Sieg für die Menschheit gesprochen.

Wie gesagt, ich bin weiterhin der Hoffnung, dass die SPÖ zu ihrem eigenen Programm steht. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Zu den Fragen 4 bis 8:

Die Verantwortlichkeiten für diesen Vertrag und für die Medienarbeit – und damit natür­lich auch jene für das Video – liegen eindeutig in meinem Ressort.

Zu den Fragen 9 und 10:

Die Produktion des Videos wurde nicht ausgeschrieben. Die Leistungen wurden gesamt­haft von der Firma DWTC erbracht. Die Kosten belaufen sich auf 4 000 Euro netto.

Zur Frage 11:

Das Inkrafttreten des Atombombenverbotsvertrages ist wirklich ein Meilenstein, denn – ich habe das jetzt schon mehrmals gesagt – die Waffe ist unvorstellbar grausam und dieses Video – das ist mir schon wichtig, zu betonen – basiert auf seriösen Fakten von Nukemap, das vom US-Nuklearexperten Alex Wellerstein entwickelt wurde. Über 200 Millionen Mal wurde damit ganz konkret die Auswirkung einer Nuklearwaffenexplo­sion auf Städte in Videos simuliert und verdeutlicht. Das ist dieses Mal auch geschehen. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Bereits bei unserer Wiener Konferenz zu den humanitären Konsequenzen von Atomwaffen haben wir 2014 solche Präsentationen verwendet, die damals unter Mitwirkung der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik entstan­den sind. Ich glaube, nach Ingeborg Bachmann kann man sagen: „Die Wahrheit ist den Menschen zumutbar.“ (Bundesrätin Grimling: Aber nicht zu Pandemiezeiten!)

Zur Frage 12:

Wir setzen 2021 einen ganz besonderen Fokus auf die Abrüstungsbemühungen. Ende 2021 oder Anfang nächsten Jahres werden wir die erste Konferenz der Unterzeichner­staaten des Atomwaffenverbotsvertrages hier in Wien haben. Zudem planen wir heuer im Herbst eine internationale Konferenz zu tödlichen autonomen Waffensystemen, so­genannten Killerrobotern. Auch bei dieser Initiative steht Österreich wieder an der Spitze. Auch da wird es wieder darum gehen, öffentliches Bewusstsein für diese Frage zu schaf­fen und gemeinsam mit Nichtregierungsorganisationen die Öffentlichkeit mitzunehmen.

Wir sind derzeit – dieses Jahr und letztes Jahr – auch im Vorsitz im Raketentechnologie­kontrollregime. Da geht es darum, den Export von Hochtechnologie für Trägersysteme zu unterbinden, die für Massenvernichtungswaffen Verwendung finden können.

Wir werden weiterhin an Themen dran sein, an denen wir schon in der Vergangenheit dran waren, nämlich bezüglich der Verwendung von Explosivwaffen in bevölkerten Ge­bieten. Das war die sogenannte Ewipa-Konferenz. Beim Wiener Atomabkommen mit dem Iran sind wir auch sehr stark involviert. Der Start-Vertrag wurde Gott sei Dank um fünf Jahre verlängert. Denken wir nun daran: Die strategischen Gespräche zwischen den USA und Russland haben im Vorfeld hier in Wien stattgefunden. Damals habe ich wie­derholt gesagt: Langfristig, mittelfristig wird das vermutlich nicht reichen, dass solche Gespräche nur zwischen zwei Partnern, nämlich USA und Russland, stattfinden, son­dern es muss auch China mit an Bord geholt werden. – Ich begrüße daher diesen muti­gen ersten Schritt der beiden – Putin und Biden –, aber es müssen weitere folgen – und ich bin guter Dinge, dass wir da wieder Wien als Verhandlungsort ins Spiel bringen kön­nen. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

Zu den Fragen 13 und 14:

Zu Ihrer Frage zur zivilen Nutzung der Kernenergie: Das ist in Wirklichkeit für uns ein laufender Schwerpunkt, wird natürlich federführend vom BMK betrieben, aber da gibt es überhaupt keinen Zweifel an unserer aktiven österreichischen Antiatompolitik und an unserer Position. Wir sind dazu laufend im Kontakt mit den anderen EU-Regierungen, natürlich vor allem mit unseren Nachbarstaaten. Da geht es vor allem um das Thema Einhaltung der höchsten Sicherheitsstandards. Das ist etwas, wozu wir sogar eine eigene Abteilung im Ministerium haben, das ist etwas, das wir seit Jahr und Tag sehr aktiv betreiben.

Zu den Fragen 15 bis 17:

Ich habe das hier auch schon öfter gesagt: Ich glaube, dass sich das Außenministerium, was die Arbeit während der Coronazeit betrifft, absolut nicht verstecken muss. Das sage ich nicht für mich selber, sondern für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hauses: Diese haben letztes Jahr Großartiges vollbracht: Mit der größten Rückholaktion der Ge­schichte des Landes wurden über 7 500 Menschen zurückgeholt. Es gab eine heiß lau­fende Hotline, die teilweise so beansprucht war wie die berühmte 1450; wir hatten über eine Viertelmillion Anrufe. Auch heute haben wir noch über 1 000 Anrufe am Tag betref­fend Landeerlaubnisse, Erteilung von Exportgenehmigungen unter Hochdruck, ständiger Austausch mit unseren Nachbarn bezüglich Grenzmanagement, Pendlern, Saisonarbei­tern.

Die Vertretungsbehörden sind auch weiterhin eine Art Pandemieradar der heimischen Wirtschaft. Wir versuchen – das ist eine der wesentlichen Prioritäten für die nächsten ein, zwei Jahre –, den österreichischen Exportunternehmen im Ausland konkret zur Sei­te zu stehen, gemeinsam mit den Außenwirtschaftscentern, um der österreichischen Ex­portwirtschaft sozusagen zu einem Restart zu verhelfen.

Zu den Fragen 18 bis 21:

Selbstverständlich erhalte ich dazu regelmäßig Berichte. Selbstverständlich tausche ich mich dazu auch mit den Kollegen in der Bundesregierung aus, und selbstverständlich bekomme ich auch laufend Berichte vom UNHCR in Genf, mit dem wir regelmäßig in Kontakt sind.

Zum einen erhalten wir Berichte über die von Österreich mitfinanzierten Programme, zum anderen auch öffentlich zugängliche Berichte des UNHCR zu einzelnen Ländersi­tuationen. Zudem gibt es einen regelmäßigen Austausch, zum Beispiel mit Filippo Gran­di, dem Hochkommissar, persönlich, oder mit Vertretern des UNHCR zu humanitären Krisensituationen in anderen Teilen der Welt.

Zu den Fragen 22, 23 und 26:

Ich habe schon eingangs gesagt: Wir lassen weder Griechenland noch Bosnien im Stich und helfen ganz konkret dort, wo Bedarf ist, wo der Bedarf am größten ist, nämlich vor Ort, zuletzt in Griechenland mit der begleitenden Hilfe und der Finanzierung für die Ta­gesbetreuungsstätte des SOS-Kinderdorfs oder in Bosnien mit der raschen Bereitstel­lung von 1 Million Euro für die Internationale Organisation für Migration. Es gibt also kei­ne mangelnde Hilfe, es gibt keine mangelnde Solidarität. Ich glaube, Österreich hat in Wirklichkeit in den letzten Jahren ein Übermaß an Solidarität an den Tag gelegt. (Oh-Rufe bei der SPÖ.)

Zu den Fragen 24 und 25:

Es gibt keine Beschlussfassung auf europäischer Ebene. Noch einmal, um das zu beto­nen: Es gibt keine Beschlussfassung auf europäischer Ebene. Österreich liegt mit seiner Entscheidung, keine unbegleiteten Minderjährigen aufzunehmen, absolut im EU-Main­stream. Deutlich mehr als die Hälfte der Mitgliedstaaten, nämlich 15, nehmen keine Kinder auf. Seit September haben elf Mitgliedstaaten zugesagt, Kinder aufzunehmen. Die Zahlen variieren zwischen zwei in Slowenien und 150 in Deutschland und Frank­reich.

Ich möchte noch einmal betonen, dass wir in den vergangenen Jahren im Schnitt doppelt so viele Menschen aufgenommen haben wie die gesamte EU, und wenn ich pro Kopf rechne, steht Österreich seit 2015 bei Asylanträgen von unbegleiteten minderjährigen Fremden EU-weit an zweiter Stelle. Also auch da haben wir einen großen Solidarbeitrag erbracht. (Beifall bei der ÖVP.)

Zur Frage 27:

Großteils sind die österreichischen Hilfsmittel in Lesbos angekommen, und sie sind auch zum Teil schon im Lager im Einsatz. Die restlichen Hilfsgüter – das haben wir uns vor Kurzem wieder über die Botschaft vor Ort versichern lassen – sind in Reserve und wer­den, ich betone, vom UNHCR dann eingesetzt, wenn Bedarf danach besteht. Die Ent­scheidung, ob und wann welche Hilfsmittel, die wir zur Verfügung gestellt haben, einge­setzt werden, wird nicht – auch wenn es Sie enttäuscht – in Wien getroffen, sondern dort, wo sie getroffen werden muss, nämlich vor Ort.

Zu den Fragen 28 und 29:

Der Schutz – ich habe es schon eingangs gesagt – und die Förderung der Menschen­rechte sind eine klare Konstante der österreichischen Außenpolitik. Menschenrechte und Grundrechte sind einfach ein Grundstock, ein Grundpfeiler unserer gesamten Wertege­sellschaft, und wir stehen dafür fortlaufend international ein und haben auch eine beson­ders große Glaubwürdigkeit bei diesem Thema.

Sie müssen aber, und das wissen wir auch, immer wieder aufs Neue erkämpft werden. Man kann das nie sozusagen for granted nehmen, sondern man muss sich immer wieder aufs Neue für sie einsetzen. Ich habe eingangs schon unsere Mitgliedschaft und den Vorsitz im UNO-Menschenrechtsrat genannt, wo wir besondere Sichtbarkeit und Visibi­lität in diesem Bereich erreichen konnten. Wir sind nicht davor zurückgeschreckt, im Rahmen des Menschenrechtsrates Themen wie Belarus, Hongkong, Xinjiang, Vene­zuela, Syrien oder Myanmar oder auch Rassismus und Polizeigewalt auf die Tagesord­nung zu setzen.

Zu den Fragen 30 und 31:

Selbstverständlich ist die Einhaltung unserer menschenrechtlichen Standards ein wichti­ges Thema, auch in den Gesprächen innerhalb der EU, selbstverständlich natürlich auch mit Ungarn und Polen. Das ist sogar leider Gottes ein häufig wiederkehrendes Thema, und ich glaube, ich habe das sogar hier vor dem Bundesrat gesagt: Da gibt es natürlich sehr viele offene Fragen, allein die von Polen ausgerufenen LGBT-freien Zonen, die Dis­kriminierungen, die eindeutig gegen LGBTI-Personen an den Tag gelegt werden, sind eines europäischen Staates im 21. Jahrhundert einfach unwürdig.

Wir haben letzten September als allererster Staat das Thema Intersexpersonen im UNO-Menschenrechtsrat auf die Tagesordnung gesetzt, dort aufgegriffen, und es gab unter österreichischem Vorsitz zum allerersten Mal überhaupt eine gemeinsame Erklärung von Staaten dazu. Vor Kurzem hat Österreich an Polen in einem gemeinsamen offenen Brief von 49 Botschaftern und Botschafterinnen für den Schutz von LGBTI-Personen und deren Rechten appelliert. Also auch hier: Es ist ganz klar, dass wir uns engagieren. Ich sage aber auch ganz klar, dass die Realität zeigt, dass es uns nicht immer gelingt, unsere eigenen Standards innen aufrechtzuerhalten, was natürlich schwierig ist, weil es die Glaubwürdigkeit nach außen infrage stellt. Da braucht es sicher mehr Sensibilisie­rung.

Die Instrumente, die wir EU-intern zur Verfügung haben, der berühmte Artikel 7 und an­dere, sind noch ausbaufähig, sind noch nicht gut genug. Aber ich glaube, gerade in den letzten Jahren sind einige positive Schritte gelungen.

Ich denke zum Beispiel an das Peerreview, also das Monitoring zwischen den Mitglied­staaten im Rechtsstaatlichkeitsbereich, oder an das, was von der Gruppe der Frugal Four letzten Dezember im Menschenrechtsrat durchgesetzt wurde: die Rechtsstaatlich­keitskonditionalität. Das sind, glaube ich, wesentliche Punkte, wo schon Fortschritte er­reicht werden konnten.

Zu den Fragen 32 bis 35:

Ich glaube, dazu wurde schon sehr viel, wenn nicht alles gesagt. Der Migrationspakt und das ganze Thema Migration waren ganz intensiv Gegenstand der Regierungsverhand­lungen. Ich persönlich sehe den Pakt nicht als geeignetes Mittel, um die Herausforde­rungen im Migrationsbereich zu lösen. Die österreichische Haltung hat sich nicht geän­dert, und es gibt dazu auch keinerlei Reaktionen aus dem internationalen Umfeld.

Zur Frage 36:

Ich bleibe bei meinen Aussagen: Wir teilen mit den Vereinigten Staaten eine Wertege­meinschaft und ein Lebensmodell, und das ändert sich nicht, je nachdem, wer gerade im Weißen Haus sitzt oder gesessen ist. Wir müssen gemeinsam für unser westliches, demokratisches, liberales Wertesystem eintreten, nicht beckmesserisch und nicht recht­haberisch, aber durchaus mit Selbstbewusstsein. Natürlich gibt es Kritikpunkte, selbst­verständlich gibt es Kritikpunkte. Die gibt es auch zwischen den EU-Mitgliedstaaten. Wir gehen auch mit Frankreich oder Dänemark oder anderen Staaten nicht immer zu 100 Prozent konform: Ich denke zum Beispiel an die Todesstrafe, ich denke zum Beispiel an die Polizeigewalt im Zusammenhang mit den Black-Lives-Matter-Protesten. Aber ge­rade die enge Partnerschaft ermöglicht es, dass wir diese Themen auf Augenhöhe an­sprechen, und so ist es zum Beispiel bei einem Besuch von Mike Pompeo, dem dama­ligen Secretary of State, im August letzten Jahres geschehen.

Zu den Fragen 37 bis 39:

Unsere Botschaften berichten natürlich laufend über die Entwicklungen vor Ort, und das war vor und nach der Erstürmung des Kapitols nicht anders. Der Sturm auf das Kapitol war natürlich ein verheerendes Signal, und das zeigt sich gerade auch in den sehr hä­mischen Kommentaren und Bewertungen, die es teilweise in dem einen oder anderen autokratischen System gegeben hat. Es war wirklich ein schwarzer Tag für die Demo­kratie, und dafür gibt es weder eine Rechtfertigung noch eine Verteidigung.

Wir haben – und das war nicht nur ich, sondern auch der Bundeskanzler und andere – das noch am selben Tag, am selben Abend, in aller Deutlichkeit verurteilt, und ich habe das seitdem öffentlich immer wieder wiederholt. Zur Rolle des ehemaligen Präsidenten Donald Trump habe ich mich in diesem Zusammenhang auch sehr klar geäußert: Er hat Öl ins Feuer gegossen. Er hat klar Grenzen überschritten, und er kann sich auch jetzt seiner Verantwortung nicht entziehen.

Zur Frage 40:

Ich habe eingangs schon gesagt, dass sich die Bundesregierung um enge Kontakte zu den USA bemüht, egal, wer gerade im Weißen Haus sitzt. Wir machen unsere Außen­politik bewusst nicht an einer Person fest, auch wenn sich manche das vielleicht wünsch­ten. Ich hielte das aber für unvernünftig, denn da müssten wir – da laufend Wahlen sind – alle paar Jahre unsere außenpolitische Orientierung ändern. Wir werden diese Linie auch fortsetzen, und ich bin froh darüber, dass die Bundesregierung ganz bewusst einen stärker transatlantischen Weg geht. Wir sind viel zu lange sozusagen Rücken zu Rücken statt Schulter an Schulter mit ihnen gestanden, und wenn wir uns die geopolitischen Entwicklungen anschauen, dann wissen wir, dass wir langfristig diese, wenn man so will, Allianz der liberalen, offenen, freien, demokratischen Gesellschaften vorantreiben müs­sen. Ich halte auch die Idee des amerikanischen Präsidenten, sozusagen die Demokra­tien zusammenzubringen, für einen sehr positiven Vorschlag, den wir natürlich unterstüt­zen werden.

Zur Frage 41:

Ich erwarte mir am ehesten zwei Dinge. Ich kann zusammenfassen: Der Ton macht die Musik, und der Ton wird sich ändern; und es wird eine höhere Berechenbarkeit geben. Die Amerikaner wissen aber sicher um den Wert von Allianzen und signalisieren das auch. Das Team, das jetzt da am Ruder ist, von Präsident Joe Biden bis Tony Blinken, das sind absolute außenpolitische Vollprofis, die genau wissen, wie das Geschäft läuft, und gerade auch, was Europa betrifft, sehr viel Erfahrung mitbringen, und das ist etwas sehr Positives.

Aber wir Europäer dürfen jetzt nicht einfach, wie ich schon gesagt habe, die Hände in den Schoß legen und uns freuen und denken, der Weltpolizist ist wieder da und wir sitzen jetzt wieder unter der Schirmherrschaft der USA; das wird nicht geschehen. In der Sub­stanz werden weit weniger Kurswechsel zu sehen sein, als wir oder einige Kommenta­toren es jetzt vielleicht vermuten.

Ich glaube aber, dass wir Europäer aus den letzten vier Jahren die richtigen Lehren zie­hen müssen. Punkt eins ist, jetzt aktiv auf die Vereinigten Staaten zugehen, sich strate­gisch interessant machen, Themen definieren, in denen wir konkret mit ihnen zusam­menarbeiten wollen. Aus österreichischer Sicht ist das zum Beispiel ganz logisch der Westbalkan – Stichwort: Bosnien-Herzegowina. Zweitens ist mir auch sehr wichtig, dass wir uns der Gemeinsamkeiten stärker bewusst sind. Wir sind manchmal wahnsinnig gut darin, in den transatlantischen Beziehungen nur das Trennende zu sehen und das Ge­meinsame zu übersehen. (Vizepräsidentin Hahn übernimmt den Vorsitz.)

Zur Frage 42:

Das ist natürlich eine sehr umfangreiche Frage, ich glaube aber, ich habe schon einiges angerissen. Dreh- und Angelpunkt in diesem Jahr wird sicher die transatlantische Zu­sammenarbeit sein, das Thema Abrüstung, Wien als Ort des Dialoges. Etwas, das ich sehr bedauert habe, etwas, das Opfer von Covid-19 wurde, war der Westbalkan. Wir werden dieses Jahr versuchen, den Westbalkan wieder stärker auf die Agenda zu set­zen. Letztes Jahr ist es ja leider Gottes unter deutschem Vorsitz nicht gelungen, die Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien und Albanien zu eröffnen. Ich glaube, dass 2021 nicht wieder ein verlorenes Jahr für den Westbalkan sein darf. Wir müssen wissen, dass wir in dieser Region, die für uns, für unser eigenes Interesse, für unsere eigene Sicherheit, aber auch menschlich – wir haben immerhin eine halbe Million Menschen hier, die sozusagen familiäre Verbindungen in diese Region haben – wahnsinnig wichtig ist, in starker Konkurrenz zur Türkei, zu China, Russland und anderen stehen.

Ein Thema, das uns natürlich begleiten wird, ist der sogenannte Ring of Fire, die zuneh­menden humanitären Krisen, die wir von Belarus bis zur Westsahara haben.

Und das letzte Thema, das ich in der internen Arbeit sehr stark in den Fokus nehmen will, ist die Wirtschaft – gemeinsam mit den Außenhandelscentern unsere Exportwirt­schaft zu unterstützen, von Buenos Aires bis Moskau, bis Peking –, damit wir als Export­nation am Ende dieser Krise wieder sehr schnell in die Gänge kommen. – Danke sehr. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

19.31

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein. Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung die Redezeit eines jeden Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stefan Schennach. – Bitte, Herr Bundesrat.