11.20

Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Präsident! Vielleicht vorweg: Das UG 2002 ist ein sehr gutes Gesetz. Es ist 2004 in Kraft getreten, es hat den österreichischen Universitäten Autonomie gebracht, und die österreichischen Universitäten konnten sich seit damals wirklich gut entwickeln. Es hat eine politische Unabhängigkeit und auch eine gewisse Distanz zu Entscheidungsprozessen im Ministerium gebracht. (Vizepräsidentin Hahn übernimmt den Vorsitz.)

Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, als ich 2000 meine Berufungsverhandlun­gen – von der TU München kommend – an der Universität Wien führte. Ich habe sie damals mit einem Beamten des Ministeriums geführt, und auch der hat gesagt: Sagen Sie, Herr Faßmann, warum kommen Sie eigentlich von der TU München zurück, das ist doch eine sehr gute Universität? Warum gehen Sie an die Uni Wien? – So etwas würde man heute nicht mehr hören, weil sich heute die Rektorate bemühen, qualifizierte Perso­nen aus dem Ausland zu bekommen. Die Universitäten haben in den letzten Jahren, in den letzten 15, 20 Jahren fast einen wirklich guten Prozess hinter sich gebracht. Ich bin dahin gehend stolz auf diese österreichischen Universitäten. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

Das UG 2002 hat damals auch eine sehr ausbalancierte Machtverteilung, Checks and Balances, innerhalb der Universitäten gebracht. Da ist ein Rektorat, und das kann und soll agieren. Daneben gibt es einen Senat, der für curriculare, für studienbezogene An­gelegenheiten zuständig ist, der sich aus den Universitätsangehörigen zusammensetzt. Daneben gibt es einen Universitätsrat, der letztlich auch eine gewisse Verbindungsstelle zu gesellschaftlichen Anliegen darstellt. Das ist also eine wirklich gute Checks-and-Balances-Machtverteilung, an der wir auch in der vorliegenden Novelle nichts geändert haben.

Es muss aber eine Novellierung geben, denn es sind verschiedene externe Umstände eingetreten. Jemand hat das EuGH-Urteil hinsichtlich des § 109 erwähnt. Darauf musste man reagieren. Sie haben erwähnt, dass wir heute bei der Vergabe geschlechtsspezifi­scher Bezeichnungen anders vorgehen müssen. Es gibt unterschiedliche externe, aber auch interne Anpassungsnotwendigkeiten. Rektorate, Studierendenvertretungen haben mit uns gesprochen und haben gesagt: Das und das sollte man ändern! – Es hat ei­nen ausgiebigen Konsultationsprozess gegeben, aber das ist ja, glaube ich, etwas sehr Gutes.

Frau Grossmann, Sie behaupten, Universitäten entfernen sich vom Humboldtʼschen Bil­dungsideal. Darf ich Sie fragen, auf welcher empirischen Basis diese doch heftige Aus­sage basiert? Ich bin Universitätsprofessor, ich kann Ihnen sagen: Keineswegs bewegt sich die Universität vom Humboldtʼschen Bildungsideal weg – nein, ganz im Gegenteil. Wenn Sie so wollen: Das ist die Raison d’Être der Universität. Darauf sind sie stolz. Schauen Sie sich doch Curricula an, Frau Grossmann! Das sind keine Ausbildungs­curricula, das sind Bildungscurricula. Darauf legen Universitäten wirklich großen Wert. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ich will nur sagen: Wenn Sie so eine wirklich starke Aussage treffen, die letztlich auch die Universitäten in ihrem Herz trifft, dann müssen Sie irgendeine Form des Belegs und nicht nur eine Behauptung bringen. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Schumann: Das hat sie in ihrer Rede gemacht! – Widerspruch bei der SPÖ.)  Ich habe mir die Rede sehr genau angehört, aber dieser Beleg fehlte. (Zwischenruf des Bundesrates Beer.) – Darf ich Frau Grossmann weiter antworten?

Frau Grossmann, Sie haben auf den Leistungsdruck der 16 ECTS hingewiesen. Darf ich nur noch einmal sagen: 16 ECTS in vier Semestern bedeuten vier ECTS pro Semester. Vier ECTS ist eine zweistündige Lehrveranstaltung. Da von einem Leistungsdruck zu sprechen, kann ich so nicht nachvollziehen. Eine zweistündige Lehrveranstaltung ist machbar. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.)

Frau Grossmann, das ist aber gar kein Vorwurf. Sie erwähnen klarerweise die Dinge, die Sie für kritisierenswürdig halten, aber die Dinge, die, glaube ich, auch aus Ihrer Pers­pektive heraus wahrscheinlich sehr positiv sind, haben Sie nicht erwähnt. Frau Schwarz-Fuchs, Sie haben darauf hingewiesen: Wir haben eine ECTS-Gerechtigkeit in das Ge­setz hineingeschrieben. (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.) Learningagreements sind ganz wesentlich für Studierende, die sich in der Zielgerade befinden, es ist nämlich ein beiderseitiges Agreement, dass diese Studierenden dann auch in einem gewissen Sinn zu privilegieren sind. Sie haben nicht darauf hingewiesen, dass es eine bessere Anrechenbarkeit von Vorqualifikationen und bessere Beratung gibt. Dass so etwas wie ein Syllabus am Beginn des Semesters vorgelegt wird, in dem klar gesagt wird, was im Semester gemacht werden muss, haben Sie auch nicht erwähnt. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Herr Dipl.-Ing. Gross, Sie haben betont, dass es sich da um einen Kompromiss han­delt. – Genau, es ist ein Kompromiss. Ich habe auch immer betont, dass ich den Kompro­miss nicht als Schwäche ansehe, sondern der Kompromiss ist so etwas wie eine de­mokratiepolitische Notwendigkeit, und der Weg, den man gehen muss, um diesen Kom­promiss zu erzielen, ist meiner Ansicht nach auch nicht Zeitverschwendung, sondern eine Notwendigkeit.

Herr Arlamovsky, Sie haben am Beginn Ihrer Rede viele positive Dinge hervorgestrichen und dann haben Sie ganz überraschend gesagt: Eigentlich ist es aber das Gleiche wie immer. – Das hat mich sehr überrascht, und dann habe ich in Ihrer Rede auf das Vi­sionäre gewartet, aber das Visionäre ist dann nicht gekommen, sondern Sie haben Din­ge wiederholt, die wir schon gehört haben.

Darf ich noch etwas sagen, Herr Spanring? – Minimale Veränderung, maximaler Ärger: Ich habe nie behauptet, dass ich eine maximale Veränderung anstrebe, denn dann hätte ich wahrscheinlich mit Sicherheit eine maximale Verärgerung erzielt. Ich sage aber im­mer: Gesetze müssen sich inkrementell weiterentwickeln. Wir müssen wissen, wohin wir kommen wollen, aber die Schritte dorthin können immer nur inkrementell sein, klarer­weise auch mit Einschluss des Gesetzgebers, des Parlamentes.

Sie haben dann Beispiele von Beschwerden und Ereignissen, die sich diesbezüglich abgespielt haben, aus Ihrer Whatsapp-Gruppe erwähnt. Ich darf darauf hinweisen: Wir haben eine Studierendenombudsstelle, die unabhängig ist, sehr gut funktioniert und jähr­lich einen Bericht über solche Dinge an das österreichische Parlament übermittelt. (Zwi­schenruf bei der SPÖ.) Ich kann Ereignisse, die Sie geschildert haben, nie in ein Gesetz hineinschreiben, aber das sind Dinge, die klarerweise in der Ombudsstelle behandelt gehören und dort auch einer Lösung zugeführt werden müssen. (Zwischenruf des Bun­desrates Spanring.)

Frau Hahn, ich darf das zurückweisen, Sie haben gesagt, ich habe eine eingeschränkte Sichtweise auf studentische Realität.

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Eine individuelle, habe ich gesagt.

Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann (fortsetzend): Jeder von uns hat eine individualisierte Sichtweise auf studentische Reali­tät – Frau Hahn, Sie auch! (Allgemeine Heiterkeit. – Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte bei allem Dissens, den wir haben – oder vielleicht haben wir auch ab und zu einen Konsens; das ist ja gar nichts Negatives –, die Gelegenheit nützen, an dieser Stel­le den Verantwortlichen der Universitäten, den Studierenden, den Krisenstäben, den Rektoraten für ihre professionelle Arbeit in dieser wirklich unglaublich schwierigen Zeit zu danken. Das kann ja keiner bestreiten. Ich finde es wirklich positiv, dass wir trotz all dieser schwierigen Umstände eine Steigerung der Prüfungsaktivität haben und dass wir im vergangenen Studienjahr auch einen Rekord an Abschlüssen erzielen wollten. Das zeigt, dass die Universitäten in schwierigen Zeiten sehr gut gearbeitet haben.

Mein Schlusssatz ist weiterhin: Ich werbe für die Akzeptanz dieser Novelle. Ich glaube, das ist ein vernünftiger, inkrementeller und konsensorientierter Schritt in die richtige Richtung. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenruf bei der SPÖ.)

11.29

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Werden weitere Wortmeldungen gewünscht? (Bundesrat Steiner hebt die Hand.) – Bitte, Herr Bundesrat.