16.12

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Frau Präsidentin! Geschätzte Regierungskolleginnen! Sehr geehrte Damen und Herren im Bundesrat! Man muss sich in der Politik an vieles gewöhnen, ans Rund-um-die-Uhr-Arbeiten, an ständige Kritik, da und dort schon einmal eine Morddrohung, aber an eines, das sage ich Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren von der Sozialdemokratie, werde ich mich nicht gewöhnen und eines werde ich auch niemals akzeptieren, nämlich dass Sie mir Korruption und strafrechtlich relevante Hand­lungen vorwerfen. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Bundesrates Steiner.)

Auch wenn Sie sich jetzt schwertun, mir in die Augen zu schauen (Bundesrat Steiner: Wir schauen Ihnen eh in die Augen! – Zwischenrufe bei der SPÖ), kann ich Ihnen nur sagen, ich werde mir das nicht gefallen lassen. Ich kann Sie jetzt nur ersuchen, meinen Ausführungen in ein paar Punkten zu folgen, denn die könnten für Sie relativ interessant sein. (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.)

Aus meiner Sicht ist es durchaus legitim, dass Sie versuchen, alles zu skandalisieren und zu kriminalisieren (Zwischenruf bei der SPÖ), aber eines sollte uns allen als demo­kratisch gewählten Vertretern der Bevölkerung schon bewusst sein, nämlich dass es zur Politik selbstverständlich auch dazugehört, neben inhaltlichen Entscheidungen auch Personalentscheidungen zu treffen. Die Regierung trifft unzählige Personalentschei­dungen, vom Verfassungsgerichtshof über die Nationalbank, von der Ernennung von Botschaftern bis hin zu Aufsichtsratsbesetzungen. Das ist das Wesen einer repräsenta­tiven Demokratie. Egal, wie sich die Regierung zusammensetzt, diese Entscheidungen werden getroffen. Sie sind immer dann legitim, wenn die ausgewählten Personen die notwendige Kompetenz mitbringen – und, ja, es ist richtig, dass es auch von Vorteil ist, wenn sie das notwendige Vertrauen genießen.

Egal, ob unter Rot-Schwarz, Türkis-Blau oder jetzt Türkis-Grün: Personalentscheidun­gen finden wöchentlich statt. Allein in den letzten eineinhalb Jahren der Zusammenarbeit mit den Grünen haben wir weit über hundert Personalentscheidungen getroffen. Das ist weder strafbar noch anrüchig, sondern es ist Aufgabe der gewählten politischen Vertre­ter – und das, sehr geehrte Damen und Herren, sollte einmal in aller Deutlichkeit ausge­sprochen werden. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Gegen eines verwahre ich mich ganz besonders – und das möchte ich heute ganz grundsätzlich festhalten –: Ich verwahre mich dagegen, dass von Ihnen, von der Sozial­demokratie, jede Personalentscheidung einer linken Partei als Segen dargestellt wird und jede Personalentscheidung einer bürgerlichen oder rechten Partei als Verbrechen dargestellt wird. (Heiterkeit bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Spanring.) Sehr geehrte Damen und Herren, das ist nicht akzeptabel! (Beifall bei der ÖVP.)

Jetzt, geschätzte Bundesräte von der Sozialdemokratie, zur Öbag im Detail: Ich glaube, wir alle sind uns einig, dass die Entwicklung der verstaatlichten Wirtschaft mit einer sehr, sehr schwierigen Geschichte, vielen Arbeitslosen und teilweise auch einer negativen wirtschaftlichen Entwicklung hin zu einer professionellen Beteiligungsmanagementarbeit in der Öbag, der Öbib, der ÖIAG und anderen Vorläufermodellen ein guter Schritt war. Darüber sind wir uns, glaube ich, alle einig.

Was den Aufsichtsrat der Öbag im Detail betrifft, empfinde ich es als eine gewisse Chuz­pe (Zwischenruf bei der SPÖ), dass Sie von der Sozialdemokratie gerade das jetzt der Regierung vorwerfen, denn dort sitzen nicht nur Vertreter, die von der damaligen Re­gierungskonstellation ÖVP und FPÖ nominiert wurden, sondern es sitzen in diesem Aufsichtsrat auch Vertreter mit sozialdemokratischem Parteibuch. Soweit ich die Chat­protokolle mitverfolgt habe, kann ich sagen, dass diese ganz eindeutig zeigen, dass es dort eine massive Einbindung der Sozialdemokratie in alle Entscheidungsprozesse gab. Es ist daher auch nicht überraschend, dass das Gesetz im Parlament – und da verstehe ich das Schmunzeln bei den Freiheitlichen – damals nicht nur von den Freiheitlichen und der ÖVP, sondern auch von allen Abgeordneten der Sozialdemokratie beschlossen wur­de. Auch der Vorstand der Öbag wurde einstimmig, mit den Stimmen aller Aufsichtsräte, auch der Aufsichtsräte mit sozialdemokratischem Parteibuch, beschlossen. (Zwischen­ruf der Bundesrätin Schumann.)

Ich spreche das hier nicht deshalb an, weil ich Ihnen das zum Vorwurf mache, sondern ganz im Gegenteil: Ich halte es für die Aufgabe von demokratisch gewählten Parteien, nicht nur inhaltliche, sondern auch personelle Entscheidungen zu treffen. Ich halte es für sinnvoll, wenn in einem Aufsichtsgremium wie jenem der Öbag auch demokratische Kräfteverhältnisse abgebildet sind. Ich würde es für falsch erachten, wenn da nur Perso­nen einer Weltanschauung vertreten wären, und ich erachte es für sinnvoll, dass es in diesem Aufsichtsrat ein breites Spektrum gibt. Ich glaube, dass es gut war, dass das Gesetz von Sozialdemokratie, Freiheitlichen und ÖVP mit einer breiten Zweidrittelmehr­heit beschlossen wurde; und dass die Entscheidungen im Aufsichtsrat einstimmig gefällt worden sind, ist sicherlich auch nicht zum Nachteil der Öbag und der dortigen Beteili­gungen.

Was ich Ihnen aber heute hier schon zum Vorwurf mache, ist, dass Sie, sehr geehrte Damen und Herren von der Sozialdemokratie, ein System skandalisieren, das Sie auf allen politischen Ebenen, überall dort, wo Sie in Verantwortung sind, leben (Widerspruch bei der SPÖ – Uh-Rufe bei der FPÖ) – und dort, wo Sie in der Opposition sind, haben Sie auch an diesem Gesetzwerdungsprozess und den Entscheidungen mitgearbeitet. (Beifall bei der ÖVP.)

Da hier zahlreiche Parteien vertreten sind, möchte ich in aller Offenheit sagen, ich habe in zehn Jahren Regierungsarbeit immer wieder sowohl mit sozialdemokratischen Vertre­tern als auch mit Vertretern der Freiheitlichen Partei als auch mit Vertretern der grünen Partei gemeinsam Personalentscheidungen besprochen, verhandelt und auch beschlos­sen. Ich halte das in einer repräsentativen Demokratie für ein absolut normales Vorge­hen und auch für nichts Verwerfliches. Ich halte es für notwendig, stets kompetente Per­sonen auszuwählen, und ich halte es für sinnvoll, wenn sie auch das Vertrauen der de­mokratisch legitimierten Vertreter genießen.

Im Ergebnis ist entscheidend, wie erfolgreich eine Institution ist und wie erfolgreich in Organisationen gearbeitet wird.

In den vergangenen zwei Jahren, seit die Öbag mit neuer Struktur tätig ist, ist der Wert des verwalteten Portfolios um knapp 5 Milliarden Euro gestiegen. Das ist sicherlich meh­reren Faktoren geschuldet, aber es ist sicherlich auch ein Verdienst aller Beteiligten dort, insbesondere auch des breit aufgestellten Aufsichtsrates.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Bundesrätinnen und Bundesräte der Sozialdemo­kratie haben heute eine Dringliche Anfrage formuliert, in der sie schreiben: Millionenge­schenke für die Spender, während die kleinen Leute leer ausgehen. – Die Wahrheit ist, geschätzte Bundesräte, und ich glaube, das tut Ihnen am meisten weh: Seit ich Bun­deskanzler bin, gab es eine Steuerentlastung für die Bezieher kleiner und mittlerer Ein­kommen und nicht für die Spitzenverdiener. (Beifall bei der ÖVP. – Heiterkeit bei Bun­desrätInnen der SPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Für die Arbeitslosen ...!)

Seit ich Bundeskanzler bin, gab es mit dem Familienbonus die größte Familienentlastung in der Geschichte der Zweiten Republik. Und weil wir von kleinen Leuten sprechen: Seit wir tätig sind, gab es für die Pensionistinnen und Pensionisten in Österreich stets eine höhere Pensionsanpassung als unter sozialdemokratischen Bundeskanzlern zuvor. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Steiner: Da war aber ein Freiheitlicher Sozialminister, bei diesen Gesetzen!)

Sehr geehrte Damen und Herren, das ist die Wahrheit und das muss man sagen, wenn wir von kleinen Leuten sprechen, und daher fordere ich Sie auf und ersuche Sie: Bitte unterlassen Sie die Unterstellungen, und bitte unterlassen Sie es, mir strafrechtlich re­levantes Vorgehen vorzuwerfen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich komme nun zur Detailbeantwortung Ihrer Fragen.

Zur Frage 1:

Obwohl es regelmäßige Versuche gibt, strafrechtliche Vorwürfe vor allem durch Anzei­gen von politischen Parteien oder anonyme Anzeigen zu konstruieren, werden nach meinem Kenntnisstand derzeit keine strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gegen mich geführt.

Zu den Fragen 2, 22, 42, 43, 44, 45, 46 und 48 (Heiterkeit der Bundesrätin Schumann):

Wie bereits anlässlich meiner Befragung im Untersuchungsausschuss ausgeführt, ersu­che ich um Verständnis, dass Details zu meiner Kommunikation – sei es via Handy, Festnetz, E-Mail et cetera (die BundesrätInnen der FPÖ halten Plakate in die Höhe, auf denen ein zwinkerndes Smiley, das einen Kussmund formt und ein Herzchen zeigt, ab­gebildet ist – Bundesrat Steiner: Bussi, Bussi! Wir sind auch konstruktiv!) – aus Sicher­heitsgründen nicht öffentlich beantwortet werden können. Gerne bin ich bereit, in den entsprechenden Gremien mit der nötigen Geheimhaltungsstufe Auskunft darüber zu ge­ben. (Bundesrat Spanring: Also über das keine Auskunft zu geben?)

Zu den Fragen 3, 4, 12, 24, 25, 26, 27, 33, 35, 47, 49, 52, 53, 54, 55, 56, 59, 60 und 69:

Als Bundeskanzler bin ich mit vielen Unternehmen, Wirtschaftstreibenden und Füh­rungskräften von Unternehmen in Kontakt. Auch meine Regierungskollegen pflegen ei­nen regen Austausch mit Personen des wirtschaftlichen Lebens. Diese Kontakte finden in der Regel in Form von physischen Treffen statt, aber es gibt auch immer wieder Aus­tausch auf postalischem, elektronischem oder telefonischem Wege. Bei diesen Gesprä­chen meinerseits sind auch immer wieder andere Regierungskollegen dabei. Die The­men, die dabei angesprochen werden, sind sehr breit und reichen von allgemeinen politi­schen Fragen über Themen der Regierungsarbeit bis hin zu Themen der konkreten Fra­gestellungen der jeweiligen Unternehmen.

Zu den Fragen 5 bis 19, 21, 34, 37, 38 und 39:

Die Bestellung des Öbag-Aufsichtsrates ist in der Verantwortung des Finanzministe­riums, das auch dafür verantwortlich ist, die entsprechenden Personen dafür auszuwäh­len. Der Aufsichtsrat der Öbag ist zuständig für die Bestellung des Vorstandes. Darüber hinaus trifft man als Regierung unzählige Personalentscheidungen, und auch die Mi­nister, die Mitglieder der Bundesregierung sind, treffen unzählige Personalentscheidun­gen. Das fängt bei Personalentscheidungen im Ministerrat an – vom Verfassungsge­richtshof über die Nationalbank bis hin zur Ernennung von Botschaftern –, darüber hi­naus gibt es viele Aufsichtsräte, die von Ministern direkt bestellt werden – von den ÖBB über die Kultureinrichtungen bis hin zu Unternehmen, die im Eigentum der Republik stehen.

Diese Personalentscheidungen müssen getroffen werden, denn die Gesetze in Öster­reich sehen das so vor. Die Personen, die ausgewählt werden, müssen natürlich immer qualifiziert sein, und es ist auch sinnvoll, wenn es ein entsprechendes Vertrauen ge­genüber diesen Personen seitens des Eigentümers gibt.

Die Prozesse, wie es zu diesen Entscheidungen kommt, funktionieren aus meiner Sicht immer gleich, ganz egal, wer gerade regiert – ob Rot, ob Blau, ob Schwarz, ob Pink, ob Türkis oder Grün. Der Bundeskanzler ist in unterschiedlicher Weise in diese Prozesse involviert. In einige ist er eingebunden, in andere nicht. Über manche wird er informiert, manche erfährt er aus der Zeitung. (Bundesrat Steiner: Aus den Chats! Bussi, Bussi! Mach’s für mich!) So ist es jetzt in der Koalition, und ähnlich habe ich es in allen anderen Regierungen, deren Teil ich war, auch immer erlebt.

Zu den Fragen 20 und 72:

Im Regierungsprogramm ist eine Vielzahl an Projekten angeführt, und das Finanzminis­terium ist in seinem Bereich zuständig für Vorbereitungen und Analysen zur Umsetzung dieser Projekte.

Zur Frage 23:

Es fanden zahlreiche Termine im BKA und im BMEIA sowohl mit als auch ohne meine Teilnahme statt. Ich habe naturgemäß keine Kenntnis über alle Themen der einzelnen Termine.

Zu den Fragen 28 und 29:

Wie schon mehrfach beantwortet und medial bekannt, bin ich nicht Martina Kurz, und es gab auch kein Treffen mit Johann Graf.

Zu den Fragen 30, 31, 32, 50, 51 und 61:

Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung und deren Mitarbeiter berichten in re­gelmäßigen Abständen über wichtige Informationen aus den verschiedenen Beteiligun­gen der Republik. Diese Informationen werden im Rahmen der Sitzung des Ministerrates oder in anderen Besprechungen mit mir geteilt. Das Bundesministeriengesetz regelt da­bei eindeutig die Zuständigkeit der Mitglieder der Bundesregierung. Als Bundeskanzler ist es mir aber ein Anliegen, dass mir regelmäßig über relevante Vorgänge aus den je­weiligen Zuständigkeitsbereichen berichtet wird.

Zur Frage 36:

In der Vorbereitung jeder Regierungsbildung gibt es in der Regel verschiedene Überle­gungen, welche Personen infrage kommen, um ein konkretes Ministeramt zu bekleiden. Ernannt werden sie am Ende vom Bundespräsidenten auf Vorschlag des Bundeskanz­lers.

Zur Frage 40:

Mitglieder der Bundesregierung sind nicht von verwaltungsinternen Regeln umfasst, sie sind daher grundsätzlich auch frei bei der Wahl ihrer technischen Mittel. Schutz- und Sicherheitsmechanismen sind immer im konkreten Fall zwischen obersten Organen und Ressort zu treffen. Der Umgang mit klassifizierten Informationen ist im Informationssi­cherheitsgesetz geregelt. Selbstverständlich sind diese gesetzlichen Regelungen daher auch von Mitgliedern der Bundesregierung anzuwenden. Falls erforderlich, werden vom jeweiligen Ressort dafür technische Mittel zur Verfügung gestellt.

Zur Frage 41:

Ein Mitarbeiter meines Kabinetts hat mich bei verfahrensrechtlichen Fragestellungen unterstützt und mich als Vertrauensperson begleitet.

Zu den Fragen 57 und 58:

Aktuell haben alle Mitglieder meines Kabinetts die EDV-Richtlinien des Bundeskanz­leramtes unterschrieben.

Zu den Fragen 62, 63 und 66:

Mit den beiden von Ihnen angeführten Herren gab es keine persönlichen Termine oder persönlichen Kontakte auf elektronischem Weg im angeführten Zeitraum.

Zu den Fragen 64, 65, 70 und 71:

Es obliegt den zuständigen Ministerinnen und Ministern, mich in Sicherheitsfragen und Justizangelegenheiten im Anlassfall zu informieren.

Zur Frage 67:

Nein.

Zur Frage 68:

Der damalige Vizekanzler hat mich kurz vor Erscheinen des Ibizavideos informiert, dass er darin unwahre Behauptungen über mich aufgestellt hat, und sich dafür entschuldigt.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP.)

16.28

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung die Re­dezeit eines jeden Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stefan Schennach. – Bitte, Herr Bundesrat.