16.29

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bun­deskanzler! Sehr geehrte Ministerinnen der Regierung! Herr Bundeskanzler, ich mache jetzt einmal drei Feststellungen zu Ihren Ausführungen. Erstens: In Ihren Vorbemerkun­gen – wir werden das nachlesen – haben Sie eine explizite Drohung gegenüber der Fraktionsvorsitzenden Schumann ausgesprochen. (Vizepräsident Raggl übernimmt den Vorsitz.)

Zweitens: Die Art, wie Sie hier eine Dringliche Anfrage beantworten, scheint den Ver­dacht zu erhärten, dass viele Inhalte dieser Fragen richtig sind, denn es war wie eine Bestätigung, dass man sich diesen Fragen so nicht stellen will.

Drittens: Sie haben einmal mehr bewiesen, dass Sie offensichtlich auch in einer anderen Wirklichkeit leben als jener, die in den letzten Tagen zutage getreten ist und die das Land in der Tat entsetzt. Es ist dieser Zusammenbruch eines Sittenbildes. Die Frage ist ja noch, liebe Frau Kollegin Schumann, ob es hier nicht nur an moralischem Überbau fehlt, sondern auch hinsichtlich des ideologischen Überbaus sozusagen eine Leermeldung erfolgt ist.

Beides ist klar, und dann haben wir durch Ihre Beantwortungen festgestellt: Dort, wo es haarig wird, was die Öbag betrifft, verlagern Sie jetzt die Verantwortung weg von Ihnen und hin zu Finanzminister Blümel. Das widerspricht aber eklatant Ihren Chatprotokollen.

Damit wir nicht von irgendetwas reden, haben wir hier einmal einen Chat vom Kanzler an Herrn Schmid (eine Tafel, auf der ein Foto des Bundeskanzlers, ein Foto des Öbag-Vorstands Thomas Schmid sowie der Wortlaut „Du Aufsichtsratssammler:)“, gefolgt von zwei Smileys, die einen Kussmund formen und ein Herzchen zeigen, zu sehen sind), so quasi – ganz familiär –: „Du Aufsichtsratssammler“!, und dazu gibt es gleich zwei ordent­liche Bussiemojis. (Die BundesrätInnen der FPÖ halten Plakate in die Höhe, auf denen ein zwinkerndes Smiley, das einen Kussmund formt und ein Herzchen zeigt, abgebildet ist. – Zwischenruf bei der FPÖ.) – Warum soll er ihn - - (Weiterer Zwischenruf bei der FPÖ.) – Genau. Danke schön.

Dann schreibt der besagte Verantwortliche (eine Tafel mit einem Foto von Bundesminis­ter Blümel, einem Foto von Öbag-Vorstand Schmid und dem Wortlaut „Schmid AG fertig“ in die Höhe haltend): Die „Schmid AG“ ist „fertig“. Und dazu gibt es auch einen glück­lichen Thomas Schmid.

Jetzt aber kommt es: Unser Kanzler sagt, er hat damit nichts zu tun. Er schreibt, mit gleich drei Emojis (eine weitere Tafel, in deren oberer Hälfte neben einem Foto des Bun­deskanzlers der Wortlaut „Kriegst eh alles, was du willst.“, gefolgt von drei zwinkernden Smileys, die einen Kussmund formen und ein Herzchen zeigen, zu lesen ist – Bundesrat Steiner: So viele Bussi!): „Kriegst eh alles, was du willst.“ (Bundesrat Steiner: Tu’s für mich!) – Also wenn er sagt, dass er eigentlich nur auf das wartet, was Blümel tut: Da erfolgt eine ganz klare Einflussnahme! (Die BundesrätInnen der FPÖ halten neuerlich die erwähnten Plakate in die Höhe.)

Und jetzt kommt’s (auf die untere Hälfte der Tafel weisend, wo neben einem Foto von Öbag-Vorstand Schmid der Wortlaut „Ich bin so glücklich :-))) Ich liebe meinen Kanzler“, gefolgt von zwei lächelnden Smileys, zwei Daumen-hoch-Symbolen und zwei Muskel­armsymbolen, zu lesen ist): Wer so Einfluss nimmt, bekommt die Antwort: „Ich bin so glücklich“, „Ich liebe meinen Kanzler“! (Bundesrat Steiner: Bussi, Bussi! – Heiterkeit bei BundesrätInnen der FPÖ.) Wenn das nicht eine Peinlichkeit ist! (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Sie können hier Ihre Verantwortung nicht leugnen.

Was auch noch interessant ist: Sie verwenden ja wahnsinnig viel Geld für die Message­control, aber sie ist irgendwie zusammengebrochen. Lesen Sie die „Salzburger Nach­richten“, lesen Sie die „Tiroler Tageszeitung“, lesen Sie den „Standard“, lesen Sie das „Profil“. (Bundesrat Spanring: Lesen Sie die „Süddeutsche Zeitung“!) – Ja, die Deut­schen kommen noch dazu, weil zwei der ausgebooteten oder nicht genommenen Kan­didaten aus Deutschland sind. – Ein Entsetzen über den Verlust von Moral und Anstand geht da durch.

Und – ich habe das eine jetzt nicht dabei, aber Sie wissen es natürlich – diese Sprache: „Du bist Familie“. – Also ich weiß, wo man das sagt: In Sizilien zum Beispiel (Heiterkeit bei der FPÖ), in Kalabrien sagt man so etwas. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Das impliziert etwas: Herr Kanzler, Sie sind der Strippenzieher dieser Günstlingswirt­schaft! – Sie haben gesagt, Sie haben mit all dem nichts zu tun. Ich schaue zu unserem Kollegen von den NEOS: Ich habe mitbekommen, dass dort eine Strafanzeige wegen Lügen erstattet wurde, Lügen im Ibiza-Untersuchungsausschuss. Die Strafdrohung ist drei Jahre. Es ist kein Kavaliersdelikt, in einem Untersuchungsausschuss nicht die Wahr­heit zu sagen. Aber das werden ja - - (Bundesrat Bader: ... Gerichtsverhandlung!) – Ja, ja! Nicht nervös werden! (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Schau, Sie schicken dir auch schon welche, ja. (Die Bundesräte der FPÖ halten die erwähnten Tafeln – in Richtung Bundesrat Bader – neuerlich in die Höhe.) – Kollege Ba­der, die gelten alle für dich, offensichtlich. (Heiterkeit bei BundesrätInnen von SPÖ und FPÖ. – Bundesrat Steiner: Lieber Kollege Bader, schau! Kriegst ein Bussi von mir! Schau! Bussi, Bussi!)

Ich habe heute in den sozialen Medien – in den sozialen Medien wird man immer ganz kreativ, wenn es um wichtige, sensible Fragen des Landes geht – eine Umdichtung un­serer Bundeshymne gesehen. Sie beginnt: „Land der Posten, Land des Schachers“, es geht dann noch so weiter.

Herr Bundeskanzler, spüren Sie nicht irgendeine Verantwortung? Sie sagen: Wir ent­scheiden wöchentlich über Personal! – Entscheiden Sie wöchentlich über jede Personal­besetzung in dieser Weise? Werden da Emojis herumgeschickt, wenn Sie irgendjeman­den ernennen oder nicht? – Das kann nicht sein.

Das Nächste ist: Wir alle kennen ja dank der Veröffentlichungen diese Sprache. Ich frage mich jetzt, was problematischer für die Republik ist: Das, was auf Ibiza stattgefunden hat – woraufhin Sie gesagt haben, es geht nicht mehr –, oder das, was hier vorliegt? (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Schartel und Leinfellner.)

Ich sage eines: Das Sprachniveau ist dasselbe, aber die in Ibiza waren noch nicht in der Regierung, Sie jedoch sind in der Regierung, und das ist der Unterschied. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Für die, die in der Regierung sind, ist auch klar, dass es bereits Ermittlungen gibt. Es gibt Ermittlungen gegen den von Ihnen jetzt verantwortlich gemachten Herrn Blümel, es gibt Ermittlungen gegen seinen Vorgänger, Herrn Löger, gegen einige ÖVP-nahe Justiz­beamte und so weiter.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist ein Bild, angesichts dessen ich jetzt gerne in Anlehnung an die Worte des Bundespräsidenten sagen würde: So ist das Land nicht! – Aber so ist diese türkis-grüne Regierung, und ich hoffe sehr, dass der Kollege von den Grünen diesbezüglich auch eine sehr klare Sprache spricht.

Gestern Abend haben wir alle etwas erlebt: Ich habe lange gerätselt, wer dieser Herr in der „ZiB 2“ ist. (Bundesrat Bader: Krainer! Krainer heißt er!) – Nein, er heißt Hanger. Er dürfte aus dem Stall des Herrn Sobotka sein – rein geographisch, also nach dem, woher er kommt. Ich meine, es war schon das letzte Aufgebot, das ihr da geschickt habt. (Bun­desrat Steiner: Ja! – Zwischenruf der Bundesrätin Eder-Gitschthaler.) Er hat mir ja leidgetan. Er hat dann immer gesagt: Aber die Gewinne sprechen für die zwei!

Lieber Herr Himmer, du warst an der Spitze eines Unternehmens, du weißt es besser: Diese 5 Milliarden Euro sind Veränderungen von Börsenkursen zuzuschreiben – und mit Sicherheit nicht einem Alleinvorstand und einem Aufsichtsrat, die überhaupt nicht opera­tiv tätig sind! Das ist das, was in den Unternehmen, an denen sie die Vermögensanteile zu verwalten haben, erarbeitet wurde! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Steiner: Genau! Das ist subjektiv!)

Aber ich weiß ja nicht, Herr Bundeskanzler, warum ihr einem solch unbedarften jungen Mann das gestern angetan habt – offensichtlich hat sich niemand bereitgefunden, Rede und Antwort zu stehen. Ich muss ehrlich sagen, er hat mir mehr leidgetan, als dass meine Häme über diese Performance da war.

Nun, wir haben Karwoche: Wir haben erfahren, wie man versucht, gegenüber der katholi­schen Kirche aufzutreten. Und manche von euch glauben ja noch immer, dass ihr eine christliche Partei seid. Das seid ihr nicht mehr, das seid ihr schon lange nicht mehr! (Zwischenruf der Bundesrätin Eder-Gitschthaler. – Ruf bei der ÖVP: Hallo!) Man denke nur an euren Umgang mit den nicht ins Land geholten Minderjährigen, die in unwürdigen Lagern leben, weshalb die Bischöfe und viele andere an euch appellieren – das seid ihr also schon lange nicht mehr! (Bundesrat Spanring: Die passen schon gut zusammen!)

Jetzt geht es darum, dass man sagt: Zeigt einmal der katholischen Kirche, dass wir noch anders können! Wir können ja auch die Steuern verändern! – Und dann diese Häme: Wir haben in der Fastenzeit keinen Schnaps getrunken! – Normalerweise isst man in der Fastenzeit kein Fleisch, aber ist wurscht, man kann auch keinen Schnaps trinken. Im Ramadan ist beides nicht erlaubt. Warum aber genau die katholische Kirche? – Weil die katholische Kirche gegen ein solches Sittenbild, wie es diese Regierung abgibt, deren Überbau verloren ist, noch immer einen Widerstand darstellt und sie auch immer wieder öffentlich korrigiert.

Jetzt aber, dank dieser SMS, wissen wir, wie da vorgegangen wurde und was Herr Schmid alles zu tun gehabt hat.

Herr Bundeskanzler, Sie waren zwar nie Abgeordneter, aber Sie werden verstehen, dass wir Abgeordnete beziehungsweise Bundesräte uns Anfragebeantwortungen in der Form einfach nicht gefallen lassen können, da diese Sammelbeantwortung in der Antwort über die Fragestellung hinweghuscht. Man hat ganz offensichtlich etwas zu verheimlichen und spricht nicht Klartext. Das geht in der Weise nicht. Wir werden entsprechende Über­legungen anstellen, wie wir Sie gemäß den verfassungsrechtlichen Bestimmungen (Zwi­schenrufe bei der ÖVP) hier dazu bringen können, die Fragen auch im Einzelnen zu beantworten.

Sie wurden von zwei Ministerinnen Ihrer Regierung begleitet. Meine Damen der ÖVP, nicht nur Sie (in Richtung Bundesministerinnen Köstinger und Tanner), sondern auch Sie (in Richtung ÖVP)! Also gegen solch einen Sexismus sind andere in der ÖVP auf­getreten. Ich kann mich an Reden einer Frau Fekter erinnern, die im Parlament erklärt hat, wieso die Quote richtig und wichtig ist. Ich kann mich an eine Rauch-Kallat erinnern, die aufgestanden ist und erklärt hat, wieso die Quoten richtig und wichtig sind und warum auch die Bundeshymne entsprechend zu adaptieren ist. Was ist jetzt los mit den ÖVP-Frauen? (Zwischenruf der Bundesrätin Holzner. – Heiterkeit bei der FPÖ.) Lassen Sie solch sexistische SMS einfach durchgehen? Das kann ich mir doch nicht vorstellen, denn die ÖVP-Frauen waren immer sehr couragiert.

Ich erinnere mich, als ich in dieses Haus gekommen bin, gab es eine Vizenationalrats­präsidentin namens Marga Hubinek. Marga Hubinek hat immer die Hosen angehabt (Heiterkeit bei BundesrätInnen der SPÖ), sie hat auf den Tisch gehaut und gesagt, was Sache ist. Jetzt ist Schweigen! (Zwischenruf der Bundesrätin Eder-Gitschthaler.) Aber ihr tut dem Kanzler und Herrn Blümel und den anderen nichts Gutes, wenn ihr solchen Sexismus durchgehen lässt (Beifall bei der SPÖ), denn irgendwann trifft er auch euch. Schweigen bedeutet nicht, dass man im Leo ist, dass man im Windschatten von irgend­etwas ist – man muss Stellung nehmen!

Herr Bundeskanzler, wir nehmen zur Kenntnis, Sie waren nicht bereit, die Fragen zum Korruptionssumpf, in dem Sie stecken, und zu dieser Günstlingswirtschaft, in der Sie der Strippenzieher sind, eine Familie aufgebaut haben natürlich haben Sie einen Adjutan­ten dabei, den willfährigsten Adjutanten, Herrn Blümel , zu beantworten. Da gibt es aber noch mehr, und das geht so nicht. Das werden Sie auch nicht so einfach mehr aus der Welt wischen können – der Herr Kollege von den NEOS wird das wahrscheinlich auch ansprechen , es wird das Gericht bemüht werden.

Sie haben hier Drohungen ausgesprochen, das schauen wir uns auch an, denn das steht Ihnen auch als Bundeskanzler nicht zu. Sie können zwar in Ihrer eigenen Welt leben, aber Sie können nicht einer Parlamentarierin hier drohen, wie Sie das getan haben. Ich weiß nicht, ob das noch jemand wie eine Drohung empfunden hat – aber ich sehe hier mehrere Leute nicken. Das war eine Drohung, wenn auch versucht versteckt.

In diesem Sinne nehmen wir Ihre Beantwortung in der Form nicht zur Kenntnis, Herr Bundeskanzler. Für uns sind Sie der Mann, der im Land der Posten und im Land des Schacherns seine Günstlinge in Stellung bringt, der gleichzeitig die Erhöhung des Ar­beitslosengeldes ablehnt, aber einer Person ermöglicht: Mach dir deine AG selber, mach dir die Ausschreibungen, setz deine Aufsichtsräte ein, die du willst! Sie sind daran be­teiligt, Sie waren daran beteiligt, das sieht man an all diesen Chatnachrichten. Herr Bun­deskanzler, Sie stecken weiterhin, auch nach dieser Dringlichen Anfrage, im Korrup­tionssumpf. Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

16.44

Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Karl Bader. Ich erteile ihm dieses. – Bitte.