15.37

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Ich stehe immer noch unter dem Eindruck der Worte des Finanzministers, der jetzt tatsächlich im Zusammenhang mit dem Resilienzfonds gesagt hat: Wir haben die Sozialpartner und die Länder nicht eingebunden, weil es sonst zu Streitereien gekom­men wäre. – Also da fällt einem demokratiepolitisch wirklich nichts mehr ein, aber es ist so hinzunehmen, wie es ist! (Beifall bei der SPÖ.)

Nun zur Sache: Die Beschäftigten in den Krankenanstalten sind am Limit. Die Belastun­gen der Pandemie und ihrer Folgen waren in den Spitälern übermenschlich. 54 Prozent aller Spitalsärzte haben überlegt, psychotherapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen, 32 Prozent haben es dann wirklich getan. 52 Prozent der Spitalsärzte überlegen, den Job zu wechseln oder zu kündigen. Das geht aus einer sehr großen Befragung der Spi­talsärzte durch die Ärztekammer in Wien hervor.

Aber nicht nur die Ärzte können nicht mehr, auch das Pflegepersonal ist am Limit, so eine schwere Zeit haben die Beschäftigten in den Krankenhäusern, in den Alten- und Pflegeheimen und auch in der mobilen Pflege durchgemacht, und es ist noch lange nicht vorbei. Schon vor der Krise war das Gesundheitspersonal extrem belastet, und dann kam noch Corona.

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten haben x-mal darauf hingewiesen, und jetzt wäre es doch mehr als logisch, die Beschäftigten in diesem Bereich rasch zu entlas­ten – aber nein, das schafft diese Ankündigungsregierung nicht. Sie geht vor nach der Devise: Ankündigungen sind alles. Was schert uns dann die praktische Umsetzung oder wirklich sinnvolle Reformen?

So geht die Regierung auch beim Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz vor, aber hier noch schlimmer. ÖVP und Grüne legen den Beschäftigten noch einen zusätzlichen Be­lastungsrucksack oben drauf. Die derzeit so hohen Arbeitsstunden für das Krankenan­staltenpersonal von bis zu 55 Wochenstunden hätten eigentlich mit 30. Juni 2021 Ge­schichte sein sollen, aber nein: Vier weitere Jahre – nicht ein Jahr, nicht zwei Jahre, vier weitere Jahre! – sollen die Beschäftigten so viel arbeiten, und erst dann folgt ein Zeit­raum von drei Jahren, in denen sie bis zu 52 Stunden arbeiten sollen.

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten stehen ganz fest auf der Seite der Ar­beitnehmerinnen und Arbeitnehmer und werden solch einer Verlängerung der Mehrbe­lastung für das Gesundheitspersonal ganz sicher nicht zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

So einer unmenschlichen Vorgangsweise erteilen wir eine Absage. Sieben weitere Jahre der Ausbeutung des Krankenhauspersonals – das kann nur einer türkis-grünen Bundes­regierung einfallen. Arbeitszeitregelungen haben die Aufgabe, die Beschäftigten zu schützen – zu schützen vor Überlastung, zu schützen vor gesundheitlichen Schäden – und zu ermöglichen, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gesund und fit bis zum regulären Pensionsantrittsalter arbeiten können.

In diesem Bereich haben sie eine weitere Schutzfunktion, nämlich den Schutz der Pa­tienten. Wer möchte schon von einem überlasteten, übermüdeten Arzt oder von einer überlasteten, übermüdeten Ärztin operiert werden, von einer Pflegerin betreut werden, die nach 50 Stunden im Dienst einfach nicht mehr kann? Darüber denkt die ÖVP aber nicht gerne nach, war sie doch die treibende Kraft bei der Einführung der 60-Stunden-Woche unter tosendem Applaus der FPÖ. Noch mehr Belastung – nicht mit uns. (Bun­desrat Spanring: Das hat es ja vorher noch nicht gegeben bei den Krankenschwestern!)

Daher stelle ich folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Bekämp­fung des Personalmangels im Gesundheitswesen“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert umgehend ein Maßnahmenbündel bestehend aus Verbesserungen im Bereich der Ausbildung und im Bereich der Arbeitsbedingungen für das Gesundheitspersonal, insbesondere für Ärztinnen und Ärzte sowie das Pflege­personal, zu erarbeiten und noch heuer zur Umsetzung zu bringen.“

*****

Nur das kann die Lösung sein – gerade aus den Erfahrungen der Pandemie –: ein Maß­nahmenpaket, das den Beschäftigten hilft und den Beruf wieder attraktiver macht. Wir werden in Zukunft viele gut ausgebildete und hoch motivierte Mitarbeiterinnen und Mitar­beiter in den Spitälern, in der Pflege älterer Angehöriger und in den Sozialberufen brau­chen.

Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang die Covid-19-Prämie ansprechen – Bundes­rat Ingo Appé wird dazu noch einen Entschließungsantrag einbringen. Die Regierung hat eine Covid-19-Prämie für das Gesundheitspersonal angekündigt. 500 Euro, das ist okay, ein erster Schritt, darüber kann man sich freuen. Der Teufel steckt aber im Detail. Der Zeitpunkt der Ankündigung war natürlich so gewählt, dass man von den bestürzenden Vorgängen rund um Kanzler Kurz und neuerlich um Finanzminister Blümel ablenkt.

Okay, es gibt also 500 Euro für das Gesundheitspersonal – aber da darf niemand ver­gessen werden! Der Gesundheits- und Pflegebetrieb funktioniert nur, wenn alle Bereiche ineinandergreifen, daher muss die Prämie genauso den Sanitätern und Sanitäterinnen, den Beschäftigten in den Teststraßen, den Reinigungskräften, dem Sicherheitspersonal, den Beschäftigten in den Behinderteneinrichtungen, in den sozialen Berufen, den Ordi­nationsassistentInnen und auch den Beschäftigten in der Verwaltung zustehen. Die Liste ist lang. (Beifall bei der SPÖ.)

Im Gesundheitssystem kann kein Teil ohne den anderen funktionieren. Darauf weisen auch völlig zu Recht die Gewerkschaften GÖD, die Gesundheitsgewerkschaft und auch die Younion ganz klar hin; denn schlechter kann man es nicht machen, als dass man mit einer Prämie die Beschäftigungsgruppen auseinanderdividiert und die Gesundheitsver­sorgung in der Pflege spaltet. Kein gut funktionierender Betrieb würde jemals so handeln, denn Sie als türkis-grüne Regierung spalten mit der Prämie ja bereits sowieso bei den anderen Beschäftigungsgruppen. Keine Prämie gibt es zum Beispiel für die Kindergärt­nerInnen, die gar keine Maske tragen können, um ihre Arbeit zu machen. Keine Prämie gibt es für die Beschäftigten in der Produktion, im Handel, für die ZugbegleiterInnen und für die vielen, die alle das Land in der Krise am Laufen gehalten haben.

Was diese Regierung macht, ist reine Ankündigungspolitik ohne Mehrwert. Staatliche Stellen und staatsnahe Betriebe haben 2020 rund 223 Millionen Euro für Werbung aus­gegeben, und nun nimmt man 95 Millionen Euro für die Menschen in die Hand, die sich für andere Menschen in der Krise aufgeopfert haben. – Das sind die Worte von Gerald Gingold, dem Obmann der Kurie der angestellten ÄrztInnen der Ärztekammer Wien. Dem ist nichts hinzuzufügen.

In und nach der Coronakrise braucht es gerade für den Gesundheits- und Pflegebereich endlich echte Wertschätzung. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten fordern die rasche Umsetzung von Konzepten, die diese für jede und jeden von uns so wichtigen Bereiche der Gesundheits- und Sozialversorgung in eine positive Zukunft führen.

Lassen Sie mich noch zwei Sätze sagen, denn das liegt mir ganz stark am Herzen: Wir freuen uns natürlich darüber, dass die Notstandshilfe für weitere Monate – bis Oktober – auf das Niveau des Arbeitslosengeldes angehoben wird, es ist aber unerträglich, dass die Kündigungsfristen von Arbeiterinnen und Arbeitern und Angestellten nicht angegli­chen werden. Drei weitere Monate gilt es hier zu warten, und das bei dieser schwer belasteten Beschäftigungssituation. Drei Jahre lang hat es geheißen: Die Wirtschaft muss sich für die Angleichung der Kündigungsfrist vorbereiten; dann, im Jänner, hätte es so weit sein sollen. Es hieß dann: Noch einmal sechs Monate warten, aber dann kommt es ganz bestimmt mit 1. Juli – nichts ist gekommen!

Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Man kann nicht einzelne Gruppen gegeneinander aufwie­gen. Man kann nicht jene, die Notstandshilfe kriegen, und jene, die Arbeiterinnen und Arbeiter, die in kürzesten Kündigungsfristen innerhalb einer Woche ihren Arbeitsplatz verlieren, gegeneinander aufwiegen. Es braucht einen ordentlichen Kündigungsschutz und es braucht die Angleichung der Kündigungsfristen von Arbeitern und Angestellten (Beifall bei der SPÖ) – gerade in dieser schwer belasteten Arbeitsmarktsituation, denn wir wollen nicht ein neues Prekariat schaffen und neue geknechtete Menschen, die sich alles gefallen lassen müssen, nur damit sie nicht ihren Arbeitsplatz verlieren. In diesem Sinne: Glück auf! (Beifall bei der SPÖ.)

15.46

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Der von den BundesrätInnen Korinna Schu­mann, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Be­kämpfung des Personalmangels im Gesundheitswesen“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Karlheinz Kornhäusl. – Bitte, Herr Bundesrat.