10.08

Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Geschätzter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Gäste auf der Galerie und zu Hause via Livestream! Wie so oft haben wir es auch in diesem vorliegen­den Fall mit einem – ja –Sammelgesetz zu tun, bei dem die einzelnen Gesetzesänderun­gen ursächlich kaum etwas beziehungsweise im Grunde nichts miteinander zu tun ha­ben.

Kurz umrissen geht es zum einen um das sogenannte Weiterbildungspaket betreffend die hochschulische Weiterbildung, Universitäts- und Hochschullehrgänge und derglei­chen; ein Teil betrifft die Neuregelung und Evaluierung der Steop, also der Studienein­gangs- und Orientierungsphase. Zum anderen geht es dann um die Änderung in der Quereinsteigerregelung für Pädagoginnen und Pädagogen in der Allgemeinbildung der Sekundarstufe, und es geht um die Änderung des Bundesgesetzes über die „Diploma­tische Akademie Wien“. Das sind also vier ganz unterschiedliche Themenbereiche, die man auch ganz unterschiedlich und individuell bewerten und beurteilen muss.

Aus unserer Sicht gibt es da und dort Punkte, die wir durchaus begrüßen, bei denen wir durchaus auch mitgehen können. An anderen Stellen gibt es aber Punkte, die wir so nicht nachvollziehen können, die aus unserer Sicht in eine falsche Richtung gehen beziehungsweise die für uns eher noch unausgereift sind. Summa summarum fällt unser Urteil jedenfalls entsprechend durchwachsen aus, und aus diesem Grund können wir dem unsere Zustimmung auch nicht erteilen.

Schauen wir uns das Gesetzespaket einmal en détail an. Zunächst einmal das Weiterbil­dungspaket: Grundsätzlich sehen wir das Ziel dieser Reform, das uns genannt wurde, nämlich die Vereinheitlichung und somit auch eine bessere Vergleichbarkeit von Weiter­bildungsabschlüssen auf Bachelor- und auf Masterniveau, durchaus positiv. Auch die Verschlankung von 60 auf nunmehr neun Weiterbildungsgrade mag durchaus Sinn ma­chen, allerdings gibt es aus unserer Sicht da durchaus einiges zu hinterfragen. Da heißt es beispielsweise zum einen, dass diese Lehrgänge besser in die sogenannte Bologna­architektur eingepflegt werden sollen – so weit, so gut aus unserer Sicht –, zum anderen führt man im hoffentlich besten Wissen aber gleichzeitig Titel und Abschlüsse ein, die es außerhalb der Grenzen Österreichs gar nicht gibt, nämlich in dem Fall den Bachelor of Continuing Education und den dazugehörigen Master sowie Bachelor und Master Pro­fessional. Dazu fällt mir nur ein: Land der Berge, Land der Äcker, Land der Titel. (Rufe und Gegenrufe zwischen BundesrätInnen von ÖVP und SPÖ.) – Titel waren in Öster­reich schon immer sehr beliebt, und in diesem Fall geht es weiter.

Ich darf in dem Zusammenhang auch noch meine persönliche Skepsis zum Ausdruck bringen. Ich selbst habe an der Pädagogischen Hochschule Wien einen Master gemacht, nämlich den Master of Education, und habe dazu eine kleine persönliche Anekdote: Wenn ich Briefe nach Hause bekomme, dann ist der MEd in neun von zehn Fällen falsch geschrieben, nämlich wie ein medizinischer Abschluss und nicht wie der Master of Edu­cation. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Faßmann.) Selbst in Österreich sind diese Titel also beileibe noch nicht wirklich in der Praxis und im Alltagsgebrauch ange­kommen, und das wird mit den neuen Titeln vermutlich nicht besser werden, befürchte ich.

Spannend ist es aus unserer Sicht auch deshalb, weil uns im Ausschuss von einem Experten bestätigt wurde, dass gar nicht bezweckt wurde oder das Interesse gar nicht besteht, dass derartige Lehrgangsabschlüsse tatsächlich international vergleichbar sein sollen und im Hinblick auf eine mögliche Nostrifizierung entsprechend durchlässig sein sollen – aber okay!

Außerdem bleibt für uns auch noch eine Frage offen, nämlich was die wirklich weitge­hende Qualitätssicherung betrifft, die ja in Zukunft lediglich dann von der Agentur für Qualitätssicherung durchgeführt werden soll, wenn auch begründete Zweifel an der Qua­lität bestehen. Das geht uns eindeutig nicht weit genug und ist aus unserer Sicht auch nicht wirklich ausgewogen genug.

Zu guter Letzt sind wir auch in einem anderen Punkt mehr als skeptisch, nämlich dahin gehend, dass derartige kostenpflichtige Lehrgänge nur in Kooperation mit außerhoch­schulischen Rechtsträgern vergeben werden können. Nicht nur wir als Sozialdemokra­tInnen sehen das skeptisch, sondern zum Beispiel auch die Bundesarbeitskammer be­fürchtet ganz eindeutig, dass da quasi ein neues Geschäftsfeld, in Wahrheit ein eigener Wirtschaftszweig entstehen kann und möglicherweise ein privat finanziertes Parallelan­gebot von regulären Studien aufgebaut werden wird, das dann in weiterer Folge unter Umständen zulasten von regulären Studierenden gehen kann. Das kann nicht in unse­rem Interesse sein. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Bleiben wir gleich bei Kritik, denn die darf ich auch bezüglich Zugangsbeschränkungen, die bis 2027 weitergeführt werden sollen, ausführen. Sie werden weitergeführt, obwohl uns im Ausschuss ganz eindeutig und klar bestätigt wurde, dass mit diesen Zugangsbe­schränkungen eine sozial selektive Wirkung einhergeht. Daher ist das so in dieser Form für uns nicht zu befürworten.

Wir haben im vergangenen Coronajahr gesehen, dass im Besonderen die Zahl der Stu­dienanfänger aus Nichtakademikerfamilien weiter zurückgegangen ist. Die Zusage, es wird dann im Anschluss an das Jahr 2027 eh noch evaluiert werden, ist für uns eindeutig zu wenig. Ich glaube, es braucht auch vonseiten des Ministeriums ein klares Bekenntnis, nämlich dahin gehend, dass das Studieren für alle, die es wollen, und für alle, deren schulische Leistungen dies ermöglichen würden, möglich sein muss. Es muss für alle, die das wollen, möglich sein und es muss für alle möglich sein, egal aus welchem Eltern­haus sie kommen und egal ob sie vielleicht schon eine akademische Vorprägung durch die Eltern mitbringen oder nicht. Es ist in Wahrheit aus unserer Sicht wirklich das Min­deste, dass wie im ganz konkreten Fall, nämlich in den Bereichen Medizin und Psycho­logie, im Rahmen der Aufnahmeverfahren kostenlose Unterstützungsangebote ange­dacht sind. Das ist gut, positiv und zu befürworten, kann aber aus unserer Sicht nicht alles gewesen sein.

Ich gehe in diesem Zusammenhang noch einen Schritt weiter. Betreffend das Monitoring der Steop: Ja, das ist gut, war eh schon überfällig, würde ich meinen, und ist daher zu begrüßen. Wir werden aber ganz genau ein Auge darauf haben, ob diese 30 ECTS im ersten Semester tatsächlich so erreicht werden können, ob das so grundsätzlich auch möglich ist.

Noch in aller Kürze zur Quereinsteigerregelung für das Lehramt an Sekundarstufen: Seit etlichen Jahren ist uns bekannt – und das ist, glaube ich, gar kein Geheimnis mehr –, dass ein Lehrerinnen-/Lehrermangel auf allen Ebenen droht, besonders im Bereich der Mittelschulen und polytechnischen Schulen. Insofern ist es natürlich grundsätzlich sehr positiv, dass es den QuereinsteigerInnen, die das möchten, jetzt auch erleichtert werden soll, mit facheinschlägiger Berufserfahrung den Weg ins Lehramt zu finden.

Es ist positiv, dass diesbezüglich Maßnahmen gesetzt werden, aber – dazu auch meine persönliche Kritik – man rechnet im Jahr mit etwa 250 QuereinsteigerInnen, die diesen Weg gehen wollen, das hat uns der Experte im Ausschuss bestätigt. Wenn man diese 250 pro Jahr rein mathematisch auf das Bundesgebiet umrechnet, dann würden das heiße 28 – genau 27,7 – potenzielle Lehrkräfte für jedes Bundesland bedeuten. Aus mei­ner Sicht wäre das leider nur ein Tropfen auf den heißen Stein, und das wird uns – so ehrlich müssen auch Sie sein – die gesamte Problematik des Lehrermangels ganz und gar nicht lösen können, denn dafür bräuchte es viel, viel mehr, zumal mit 28 Lehrkräften oftmals nicht einmal der Bedarf eines einzigen Bezirks gedeckt wäre. Ich spreche zum Beispiel von dem Bezirk, aus dem ich selbst komme, denn auch da besteht ein großer Mangel.

Die Krise hat uns einmal mehr gezeigt, dass wir ganz besonders in einer Phase, nämlich in der Schuleingangsphase, bei den AnfängerInnen, bei den ganz Kleinen, zusätzliches Unterstützungspersonal im Bereich der Pädagogik brauchen, weil die Herausforderun­gen einfach weiter steigen. Das fordern alle Fraktionen der Personalvertretung – egal ob FCG oder FSG, da sind alle einer Meinung –, und sogar Vertreter der Bildungsdirektion Niederösterreich, das kann ich nur bestätigen, sind diesbezüglich mit uns einer Meinung. Das ist positiv und gut, aber es braucht ganz dringend weitere Anstrengungen und wei­tere Maßnahmen, um ein bestmögliches Bildungssystem auch für die Kleinsten zu ge­währleisten.

Zusammengefasst: Es gibt sehr positive, sehr gute Ansätze im Universitätsgesetz, teil­weise sind sie aber, wie ich schon sagte, unausgewogen und unausgegoren, teilweise gehen sie aus unserer Sicht auch nicht unbedingt in die richtige Richtung. Daher wird es von uns keine Zustimmung geben. Wir würden uns einfach wünschen, dass wir viel­leicht noch das eine oder andere Gespräch führen, um die Lücken, die für uns noch da sind, schließen zu können. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesra­tes Arlamovsky.)

10.19

Präsident Dr. Peter Raggl: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Doris Berger-Grabner. Ich erteile ihr dieses. – Bitte.