9.42

Bundesrat Stefan Zaggl (SPÖ, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Ich darf dir auch im Namen meiner Fraktion zu deiner Präsidentschaft recht herzlich gratulieren. Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Liebe Zuseherin­nen! Liebe Zuseher! Mit jeder neuen Übergabe, mit jedem neuen Bundesratspräsidenten beginnt immer wieder ein neuer Weg, an dem sich zeigt, dass es auch hier überpartei­liches Zusammenarbeiten wie auch einen Informationsfluss, der weiter als bis zur eigenen Parteitür geht, gibt. Ich wünsche mir auch von dem neuen Bundesrats­präsi­de­nten, dass er dies als in seinem Sinne sieht, denn die Arbeit in der Länderkammer sollte mehr sein als nur das Verfolgen des Wegs, der dem Parteibuch entspricht.

Natürlich wäre es wünschenswert, dass man auch in der Landesregierung den über­parteilichen Weg erkennt und anerkennt, da sehr oft gute Ideen und Lösungswege von jemand anderem als von Vertretern der eigenen Partei stammen können. – Dies sei als kleiner Gedankenanstoß an unseren Herrn Landeshauptmann gerichtet.

Als Tiroler sollte ich Ihnen nun vom schönen Land Tirol erzählen, und ja, unser Bun­desland Tirol ist durch unser Naturerbe, die Berge, die wunderbare Landluft, die klaren Gebirgsseen ein Land voller Leben, voller Klänge, voller Tradition. Doch leider ist Tirol nicht nur das Land der Berge, der Natur, sondern fast schon mehr das Land des Transitverkehrs, der Tourismusüberlagerung, der Wirtschaftsmacht und ein Land, in dem auf den kleinen Mann auf vielen Ebenen vergessen wird, denn die stark frequen­tierte Transitroute zerstört unser hochgelobtes Naturerbe und schadet unserer Bevölke­rung.

Meine Rede werde ich mit einem kleinen Ausflug in die Covid-19-Krise beginnen: Dem schönen Land Tirol standen und stehen leider weiter viele Herausforderungen bevor, da Tirol durch Covid-19 – medial war ja die ganze Welt dabei und konnte quasi zusehen – im Winter 2019 zu ungeahnter Berühmtheit kam. Hier lief auf jeglicher Ebene einfach fast alles schief. Dennoch sollte man auch bedenken, dass sich alle vor einer Situation befanden, in der jeder Fehler gemacht hätte, da wir so etwas noch nie erlebt hatten.

Die Fehler, die jedoch nach den sogenannten ersten Momenten passierten, waren dann eher nicht mehr so verständlich; und dass man immer wieder betonte: Wir haben alles richtig gemacht!, war jetzt auch keine Glanzleistung. Die Fehler sind passiert, und dass man gleich seinen Charakter zeigt und eingesteht: Wir waren mit dieser Ausnah­me­situation überfordert!, wäre wohl der richtigere Schritt gewesen.

Der weitere Verlauf hat die nächsten Fehler aufgezeigt, unter anderem als bundesweit der Aufruf zu den Massentests erklang. Unsere Gemeinden wurden von der Landes­regierung alleingelassen. Ebenso wurde unser Pflegepersonal, das in der Krise weit über sein Limit ging, zwar beklatscht, jedoch nicht richtig und mit genügend Masken, Schutz­kleidung und Desinfektionsmittel ausgestattet. Unter anderem wurden nach den ersten Öffnungsschritten für den Tourismus die Tests für die Touristen gratis zur Verfügung gestellt, die Mitarbeiter in der mobilen Pflege jedoch erhielten oft nicht einmal die Möglichkeit zu einer Testung, geschweige denn finanzielle Unterstützung vom Land.

Die Arbeitslosenzahlen explodierten – und auch da keine Lösung auf Landesebene, kein Auffangnetz. Da lässt wie bei vielen anderen Themen der Herr Landeshauptmann seine Hände auf dem Rücken. Covid-19 wird uns noch lange begleiten, und dank der ganzen zusätzlichen Öffnungsschritte, die jetzt wieder erfolgt sind – da uns sonst der Tourismus und die Einnahmen daraus fehlen –, steuern wir im September, allerspätestens im Oktober wieder auf einen Lockdown zu. Ja, wir benötigen die Einnahmen in der Wirt­schaft und auch unsere Bevölkerung braucht wieder die Wege zur Normalität, jedoch alles mit Vernunft und gesundem Menschenverstand, denn eines sollten wir nicht ver­ges­sen: Selbst Geimpfte sollten regelmäßig testen gehen, denn sie sind nicht immun, sie können die Krankheit bekommen und weitergeben. Da sollten sich einmal die Radiosender bei ihrer Ausstrahlung in den jeweiligen Ländern und auch bei ihren Wer­bespots genau überlegen, was sie an die Bevölkerung weitervermitteln – dies nur als kleiner Gedankenanstoß. Und dass die Testmöglichkeiten für die Einheimischen immer weniger werden, jedoch das Angebot für die Touristen verhältnismäßig besser aussieht, sehe ich auch als Problematik.

So ist es zwar löblich, Herr Landeshauptmann, dass Sie versichern, dass es keinen Impfzwang geben soll, jedoch wird gleichzeitig nicht gesetzlich geregelt, dass Personen, welche sich nicht impfen lassen möchten, einen Kündigungsschutz erhalten und es ihnen gegenüber keinerlei Diskriminierung geben darf. Diesbezüglich gibt es eindeutig einen Nachholbedarf. Auch auf Bundesebene sollten wir dies ins Auge fassen, da wir auch in dieser Hinsicht unsere Bevölkerung nicht im Stich lassen sollten.

Die Doppelmoral im heiligen Land Tirol, in der Landesregierung, zeigt sich immer wieder. Die Grünen befinden sich in der Landesregierung, sind aber ihrem großen Koalitions­partner immer wieder hörig. Wir brauchen nur zu mir ins Außerfern zu schauen: Der Transit­verkehr überrollt uns Tag für Tag, es gibt Stau über Stau. Die Lärm- und Fein­staubbelastung für unsere Bevölkerung wird immer mehr. Der Einfall, den es schon vor Jahren gab, war eine Zweitunnelvariante, die keine wirkliche Entlastung für das Außerfern bringt, jedoch einen Rieseneingriff in die Natur bedeutet – und da schreit keiner auf.

Es werden zwar die Verkehrseindämmung und der Umweltschutz in Tirol gepredigt, aber: In ganz Tirol? – Nein, nicht in ganz Tirol, denn das gallische Dorf in diesen beiden Bereichen ist das Außerfern, der Bezirk Reutte, da durch diese Tunnelvariante der Ver­kehr allgemein steigen würde, insbesondere aber der Transitverkehr. Dort gibt es seit Jahrzehnten keine sinnvolle Lösung. Oh, Moment, es würde sie doch geben, und zwar den Bahntunnel. Es sei nur kurz erwähnt, dass diese Variante von der SPÖ Reutte stammt, sie wäre aber die beste Lösung für Mensch und Umwelt.

Seit Kurzem gibt es da zumindest medial eine kleine Unterstützung vonseiten der Grünen, aber nur weil jemand etwas in die Zeitung schreibt, heißt es noch lange nicht, dass dies dann auch zur Anwendung kommt und Bestand hat. Schon oft gab es dann, wenn es darauf ankam, Umfaller – so auch bei der letzten Landtagssitzung vergangene Woche am Donnerstag. In Schmach und Schmerz muss man da wohl sagen: Der Wolf zählt mehr als die Unterstützung im Bereich Kinder- und Jugendanwaltschaft. Anstatt die Aufstockung der Anzahl der Mitarbeiter der Kinder- und Jugendanwaltschaft in die Tagesordnung einfließen zu lassen und als Dringlichkeitsanliegen zu sehen, wurde diese nun auf die nächste Sitzung vertagt, denn für unseren Landeshauptmann und sein Gefolge scheint es von größerer Tragweite zu sein, dass sich einige Wölfe wieder in Tirol aufhalten und naturgemäß einige Schafe gerissen haben. Ja, das ist für den Landwirt sehr tragisch, jedoch sollten wir eines nicht vergessen: Wir sind Gäste in der Natur – und nicht die Tiere, egal ob ein zahmes Reh, ein Wolf oder auch ein Bär. Wir haben den Wolf und den Bären aus ihrer natürlichen Umgebung verdrängt.

Doch nun wieder zurück zur Landtagssitzung vom 7.7.21, denn dort wurden – noch­mals – 1 300 Kinder ins Abseits gestellt und ihr Anliegen kurz am Ende der Sitzung be­han­delt. Lösungen dazu gibt es noch keine. Ich spreche von der Eule – es gibt acht Therapiezentren, die über ganz Tirol verteilt sind. Unser schönes Land Tirol ist flächen­mäßig ein kleines Bundesland, und trotzdem haben wir einen großen Ärztemangel bezie­hungsweise fehlen oft in den Seitentälern wie auch in den zwei Außenbezirken Fach­ärzte, insbesondere in der Kinderheilkunde. Daher sollten wir dankbar sein für diese acht Therapiezentren, die Ergotherapie, Logopädie, Physiotherapie und klinisch‑psychologi­sche Behandlungen unter einem Dach vereinen.

Vor jeglicher Therapie werden die Eltern miteinbezogen und auch die Eltern sowie die Geschwisterkinder unterstützt. Gerade bei Geschwistern, die mit einem verhaltens­auf­fälligen oder behinderten Gegenpart aufwachsen, entsteht oft eine Belastung, die die Kinder ihren Eltern nicht mitteilen können, da sie diese nicht auch noch belasten wollen.

Dass die Eltern, die Kinder und die etwas über 100 Mitarbeiter einer ungewissen Zukunft entgegensehen, schien die Landesregierung nicht sehr zu belasten – das ist wahr­scheinlich nicht das richtige Wählerklientel. Wir setzen uns selbstverständlich weiter für die Kinder und die Mitarbeiter ein und werden die Schließungen nicht hinnehmen.

Meine Schlussworte richte ich an Sie, Herr Landeshauptmann: Sehen Sie mit offenen Augen und hören Sie mit offenen Ohren, dann werden Sie erkennen: Der einzige Weg, um unserem Land Tirol Stärke und Sicherheit zu geben, ist ein gemeinsamer Weg, der alle im Landtag vertretenen Parteien miteinbezieht. Stellen Sie die überparteiliche Zu­sammenarbeit in den Vordergrund, dann werden wir gemeinsam Lösungen in verschie­densten Themenbereichen finden. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

9.52

Präsident Dr. Peter Raggl: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Christoph Steiner. Ich er­teile ihm dieses.