10.06

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident, natürlich wünsche ich Ihnen auch im Namen der Fraktion der Grünen für die Präsidentschaft alles, alles Gute. Ich feiere eigentlich jedes Bundesland. Man kann neunmal hintereinander immer wieder ein neues Bundesland feiern, und ich finde jedes Bundesland schön – auch Tirol. (Hei­terkeit der Bundesrätin Zwazl.) Das sage ich jetzt, weil ich der erste Nichttiroler bin, der hier reden muss. Das liegt daran, dass wir – ich betone: noch – keinen grünen Bundesrat und keine grüne Bundesrätin aus Tirol haben, aber ich hoffe, das wird sich auch wieder einmal ändern.

Ich hoffe, Sie erlauben mir – Herr Landeshauptmann, herzlich willkommen im Bundes­rat! – auch als Nichttiroler, hier in diese Diskussion einzugreifen und doch noch einen kleinen Kommentar zur Vorrede zu machen. Ich mag Tirol wirklich sehr gerne. Ich gebe zu – ich habe das auch gestern der Kollegin aus Matrei erzählt –, Osttirol ist eine meiner Lieblingsdestinationen für Urlaube. Weil in der vorigen Rede von Tirolbashing ge­sprochen wurde: Ich fand eigentlich die Vorrede ein ziemlich gutes Tirolbashing, denn als Tiroler würde ich mich für diese Rede ein bisschen schämen – aber mehr will ich dazu jetzt nicht sagen. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Bundesrat Steiner: Dazu hast du als Wiener auch nicht das Recht! Nimm dir nicht zu viel heraus!)

Wenn ein neues Bundesland den Vorsitz übernimmt, dann wünscht man natürlich auch zum Vorsitz in der Landeshauptleutekonferenz und nicht nur zur Bundesrats­präsident­schaft alles Gute. Der Unterschied ist ja nur: Wir stehen in der Verfassung, die Lan­deshauptleutekonferenz nicht. Das Motto, das für diese Präsidentschaft gewählt worden ist, ist „Starke Regionen, starke Republik“, und ich bin sehr dankbar dafür, dass Sie auch die Europäische Union genannt haben. Ich glaube, das ist ein ganz wichtiges Zusam­menspiel, und hinsichtlich dieser Stärke gilt immer ein Vice-versa: Starke Regionen er­geben eine starke Republik, starke Republiken ergeben eine starke Europäische Union – aber der umgekehrte Weg ist ebenfalls richtig, und es muss eine richtige Balance geben, wie Sie auch schon gesagt haben.

Sehr geehrter Herr Landeshauptmann, Sie haben auch etwas anderes gesagt – und das halte ich auch für wichtig, zumal die Vorrede ein bisschen suggeriert hat, dass es falsch war, Menschenleben zu retten. Ich glaube, es war richtig – wie Sie ja auch gesagt haben –, dass wir Maßnahmen ergriffen haben, um unser Gesundheitssystem zu schüt­zen und um Menschenleben zu retten. Wenn es eine Krise gibt, ist die primäre Aufgabe von Politik, Menschenleben zu retten. Das haben wir getan, und das war richtig so. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Sie haben auch recht, wenn Sie sagen, dass sehr viel gelungen ist. Wir sind tatsächlich – das muss man wirklich betonen – gut durch diese Krise marschiert. Wir sind sicher nicht unbeschadet durch diese Krise marschiert, aber kein Land der Welt ist unbeschadet durch diese Krise marschiert.

Und wenn wir uns das global anschauen, natürlich auch die unterschiedliche Verteilung von Impfstoffen beispielsweise, dann sehen wir, dass wir noch sehr viel vor uns haben. Der Zusammenhalt der verschiedenen Gebietskörperschaften ist tatsächlich ein ent­scheidender und ganz wesentlicher Faktor, insbesondere wenn eine Krise stattfindet.

Zu einer guten Krisenbewältigung gehört sicher auch, sich das – danach oder auch zwi­schendurch – mit Abstand anzuschauen und zu evaluieren, was gut funktioniert hat, aber auch zuzugeben, was nicht so gut funktioniert hat, zu sagen: Da haben wir hervorragend gearbeitet!, und: Nein, in diesem Bereich haben wir nicht hervorragend gearbeitet! Es gehört zu einer Demokratie dazu, sich das anzuschauen. Da will ich jetzt gar nicht über das diskutieren, was in Ischgl passiert ist, das ist, glaube ich, breit ausgetreten worden. Es sind die Fehler genannt worden, es waren Unklarheiten da, es war natürlich auch am Anfang der Krise.

Was aber jetzt hilft, ist, zu schauen, wo es super funktioniert hat. Da haben wir zum Glück auch Expertinnen und Experten, die sich das angeschaut haben. Es gibt momen­tan, ganz neu herausgekommen, eine Studie zum Thema „Föderalismus im Gesund­heits­wesen“ – und es ist für uns alle wirklich wertvoll, wenn wir diese lesen – von der Austrian Health Academy. Die Autoren, das sind die GesundheitsökonomInnen Maria Hofmarcher und Christopher Singhuber, haben sich das genauer angeschaut, und sie haben festgestellt, dass es in manchen Bereichen gut war, vor Ort zu agieren. Und das müssen wir uns auch anschauen, denn der Föderalismus und auch das, was in den Gemeinden passiert, sind wichtig.

Wir haben aber auch gesehen, dass es zum Beispiel in dem Augenblick, in dem es eine stärkere Föderalisierung beim Contacttracing gegeben hat, zu massiven Problemen gekommen ist. Das müssen wir uns einfach ganz sachlich anschauen, daraus müssen wir die Konsequenzen ziehen, und dann, mit den richtigen Zukunftsperspektiven, werden wir auch zukünftige Krisen bewältigen können.

Wir wissen nicht, und das wurde bereits gesagt, ob diese Pandemie noch einmal neu aufflammt. Auch ich mache mir derzeit Sorgen. Es gibt bereits die Ersten, wie zum Beispiel den niederländischen Premier Rutte, die zugeben, dass sie das falsch einge­schätzt haben. Die Infektionszahlen in den Niederlanden und auch in anderen Ländern, gerade bei der Jugend, steigen enorm. Wir haben auch in Österreich wieder steigende Zahlen bei den Neuinfektionen, und deswegen ist es gut, dass sich Länder und Bund wieder zusammensetzen und sich anschauen, was man dagegen machen kann. Sie haben auch recht, denn wir brauchen gerade in den Regionen und gerade in den Ge­meinden unbedingt die Werbung für die Impfung. Wir müssen die Menschen tatsächlich überzeugen, sich impfen zu lassen. Das ist der Weg. – Und getestete Gäste, Herr Kollege Steiner, sind keine Belastung, sondern eine Sicherheit für die Gäste! (Beifall bei Grünen und ÖVP, bei BundesrätInnen der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky. – Zwischenruf des Bundesrates Ofner.) Das ist gut für den Tourismus. Wenn man sich in einem Lokal aufhält und weiß, es wurde gecheckt (Bundesrat Ofner: Genau!), wenn man weiß, das sind Genesene, das sind Getestete, das sind Geimpfte, dann ist man auch in Sicherheit und braucht sich nicht zu fürchten. (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.) Das ist eine ganz wichtige Sache.

Wir haben auch von der Bedeutung gesprochen, und da möchte ich schon auch betonen: Wir brauchen nicht nur starke Regionen, wir brauchen nicht nur eine starke Republik, wir brauchen auch eine starke Europäische Union. Und die Europäische Union hat, das haben wir auch gesehen, zu Beginn der Pandemie keine besonders gute Rolle gespielt. Da haben wir bemerkt, dass die Europäische Union auch in einer Art Sinnkrise war – das kann man, glaube ich, so sagen –, dass sich dann so etwas wie: Ich zuerst und die anderen einmal nicht!, breitgemacht hatte. Ich bin aber sehr froh, dass die Europäische Union jetzt wieder ein starker Player in dieser Sache ist.

Sie haben das Beispiel Antibiotika genannt, und das halte ich für ein sehr, sehr gutes Beispiel. Wir als Europäische Union brauchen Stärke, damit wir Produktionsstätten hier behalten und damit wir auch Versorgungssicherheit haben. Das ist übrigens auch in außenpolitischer Sache nicht uninteressant, denn es gibt gewisse Expansionsbestre­bungen, die nicht demokratischer Natur sind, und da spielt eine starke Europäische Union eine wichtige Rolle und zum Beispiel auch der Recovery Fund, der jetzt ein­gerichtet worden ist.

Wir haben auch im Europaausschuss, der von Herrn Kollegen Buchmann geleitet wird, dieses Thema immer wieder ganz prominent auf der Tagesordnung. Was die Euro­päische Union macht, was auch die Länder machen und was unsere Bundesregierung gemacht hat – ich nenne zum Beispiel die Investitionsprämie, die wir in den letzten Monaten sehr erfolgreich initiiert hatten –, ist, aus der Krise hinaus zu investieren. Dabei muss man beachten, dass das immer auch bedeutet, in andere Krisenbewältigungen hinein zu investieren. Die Digitalisierung, Sie haben sie genannt, ist dabei auch für den ländlichen Raum eine ganz wichtige und entscheidende Komponente. Natürlich ist das auch der Klimaschutz: Da haben wir mit dem Green Deal auf europäischer Ebene, mit unzähligen Maßnahmen auf Bundesebene und mit vielen Maßnahmen auch auf Landesebene sehr viel zu tun, und da wird es noch viel mehr zu tun geben.

Wir hatten im Europaausschuss Frau Berger vom Europäischen Rechnungshof zu Gast, die erzählt hat, dass es zum Beispiel bei internationalen Zugverbindungen Probleme gibt. Gerade Tirol braucht ja besonders Transit auf der Schiene, das wäre eine ganz entscheidende Lösung. Da müssen alle Länder zusammenarbeiten, auch da brauchen wir eine Europäische Union. Es gibt aber, wie wir gehört haben, noch Defizite. Da können wir noch viel gemeinsam machen.

Wichtig ist, das haben Sie auch gesagt, dass wir da in einen Wettbewerb guter Ideen treten, dass wir mit großem Respekt, dort, wo Differenzen bestehen, auch immer die Gemeinsamkeiten sehen. Ich glaube, das trifft nicht nur beim Wolf (erheitert in Richtung Landeshauptmann Platter) zu, das trifft in vielen Bereichen zu. Solange wir gemeinsam eine sachliche Debatte führen – die natürlich manchmal auch emotional werden darf, überhaupt keine Frage –, können wir gemeinsam gute Lösungen finden. Es gibt ein schönes Indianersprichwort: Wenn du mit mir diskutierst, dann gehe einmal eine Meile in meinen Mokassins!

In diesem Sinne, glaube ich, können wir gemeinsam – nämlich in den Regionen und ich als Wiener – gute Lösungen finden. Ich hoffe, es war in Ordnung, dass ein Wiener gesprochen hat, wenn es um Tirol geht, und ich wünsche alles Gute. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Landeshauptmann Platter – erheitert –: Danke!)

10.16

Präsident Dr. Peter Raggl: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Dr. Karl-Arthur Arlamovsky. Ich erteile dieses.