18.47

Bundesrat Dr. Johannes Hübner (FPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Minister! Frauen Ministerinnen! Sehr geehrte Damen und Herren! Kollege Reisinger hat mit seinem Antrag, der Wien als Musterbundesland so in den Mittelpunkt stellt, wahrscheinlich nicht den sensiblen Umgang mit Demonstranten, die für politisch unkorrekte Ziele demons­trieren, sondern nur mit Jugendlichen, die sich politisch korrekt verhalten, gemeint.

Wenn diese also zum Beispiel gegen Coronamaßnahmen demonstrieren, dann sollte die Polizei natürlich nicht sensibel vorgehen, sondern mit aller notwendigen Härte, und wenn sie gar Sympathien für die Identitäre Bewegung – oder wie das jetzt heißt: „Die Österreicher – DO5“ – zeigen, dann muss man noch härter vorgehen. Oder habe ich Sie da missverstanden? Meinen Sie, das gilt für alle? (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Grimling: Von Freiräumen haben wir gesprochen! – Bundesrat Reisinger: ... von Freizeittreffen von Jugendlichen! – Rufe bei der SPÖ: Zuhören! Zuhören ...!) – Aha, okay, ja: für Freizeittreffen von Jugendlichen. Okay, also darf ich da mitnehmen: nicht für politische Versammlungen, sondern nur für Freizeittreffen. (Bundesrat Reisinger: Ich habe es präzise formuliert!) Da muss man mit Sensibilität vorgehen – wenn es politische Anliegen sind, noch dazu nicht korrekte, offenbar nicht, sondern nur für Freizeit. Okay, gut, danke. (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Kehren wir aber zurück zum Paket der Tagesordnungspunkte 12 bis 16. Die Tages­ordnung - - (Ruf bei der SPÖ: Ihre Freunde sind nicht betroffen ...! – Weitere Zwi­schenrufe bei der SPÖ.) Ja, ja, ja, wir kommen auch noch zu Wien, da habe ich eine schöne Anekdote – eine sehr schöne Anekdote! – für die Sensibilität von Wien. (Ruf bei der SPÖ: Nein, zur Sache, bitte!) Unser Tagesordnungspunkt 16 aber, das Symbole-Gesetz, überschreibt, glaube ich, sehr schön das ganze Paket, das wir hier diskutieren. Statt Handlungen, Taten und Regelungen werden Symbole hineingesetzt: von A bis Z – also von 12 bis 16 – nur Symbole.

Fangen wir zum Beispiel mit dem Strafgesetz an. Was passiert im Strafgesetz? Es gibt eine neue Bestimmung, über die Kollege Schilchegger bereits berichtet hat, eine Be­stimmung, die absolut unanwendbar ist, die schon jetzt totes Recht, rein symbolisch, ist.

Wenn jemand einer Terrororganisation angehört, dann kann er mit bis zu zwei Jahren Haft bestraft werden. Wenn durch die Terrororganisation etwas passiert, gibt es jetzt schon erheblich höhere Strafdrohungen. Und ganz besonders arg ist: Wenn jemand einen Terroranschlag aus religiösen Gründen begeht, dann ist das ein Erschwerungs­grund. Das wird einen Terroristen sicher abhalten, einen Selbstmordattentäter, der einen Anschlag begeht, weil es Allah angeordnet hat oder ein anderer Gott – ich will jetzt niemanden diskriminieren! Der wird sich von der Gefahr, in Österreich mit einem Er­schwerungsgrund belastet zu sein und daher lebenslänglich statt ich weiß nicht was oder 19 Jahre statt 18 Jahre zu kriegen, abschrecken lassen! Das ist also eine Bestimmung, die an Absurdität und an Symbolhaftigkeit für diese Absurdität nicht zu überbieten ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Noch dazu ist sie natürlich rechtsstaatlich in höchstem Maße fragwürdig. Wenn ich ein religiöses Motiv diskriminiere und denjenigen höher bestrafe, dann ist die Frage: Welche anderen Motive sind denn lauterere Motive? Etwa reine Mordlust? Da gibt es keine Erschwerung. Oder sexuelle Lust wie im Fall Leonie? Das ist kein Erschwerungsgrund. Da hat man sexuelle Lust, das ist nichts. Wenn ich aber sage, Allah hat es mir einge­geben – dann bin ich ja unter uns gesagt am Rande der Zurechnungsfähigkeit, nach unserem Gefühl –, dann ist es auf einmal ein Erschwerungsgrund. (Beifall bei der FPÖ.)

Weil ich jetzt den Namen Leonie verwendet habe: Das ist auch interessant. Da kehren wir vielleicht zu Wien zurück. Das ist so ein Bereich, das ist allen sogenannten Stake­holdern, also allen, die solche Symbolgesetze verteidigen oder überhaupt konstruieren, sehr, sehr unangenehm. Das will man unter den Tisch kehren, weil man die Maß­nahmen, die da erforderlich sind, oder das, was da geschehen müsste, nicht will. Darüber will man nicht sprechen, weder über das Justizversagen noch über das Ver­sagen der Gesetzgebung noch über das Versagen der Exekutive. Das will man nicht. Deswegen muss das unter den Tisch gekehrt werden.

Symbolhaft, weil Sie gesagt haben, Wien ist so wunderbar (Bundesrat Schennach: Ist richtig, ja!): Es hat ja letzten Sonntag einen Trauerzug von Tullnern für Leonie gegeben. Es wurden Blumen, Kränze und Kerzen mitgebracht und vor dem Bundeskanzleramt niedergelegt und aufgestellt. Die MA 24 hat am Sonntag in Wien nichts Besseres zu tun gehabt, als die Kränze und Lichter 31 Minuten, nachdem diese dort niedergelegt und aufgestellt wurden, komplett wegzuräumen. (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling. – Bundesrat Steiner: Unglaublich!) Während Gedenkkerzen, Blumen und so weiter sonst tage- oder wochenlang bleiben können, hat man da an einem Sonntag innerhalb von einer halben Stunde alles entfernt. (Bundesrätin Grimling: Vielleicht hat das BKA das angeordnet!) So viel zur vorbildhaften Opferhaltung der Stadt Wien. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn wir aber über Symbole reden, dann müssen wir natürlich auch das Symbole-Gesetz heranziehen. Das ist ja die Kumulation der symbolistischen Terrorbekämpfung, wenn man den Terror bekämpft, indem man Symbole verbietet. Das ist ja für einen IS-Terroristen auch enorm abschreckend, wenn in Österreich sein Symbol verboten ist. Da wird er sich sicher nicht radikalisieren oder sicher nicht nach Österreich kommen. Das Gesetz ist aber nicht nur absurd, sondern es ist auch – da schaue ich vor allem zu den Sozialdemokraten hinüber – ein Angriff auf die Grundwerte unserer Gesellschaft. (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.)

Man kann sich noch überlegen, verschiedene islamistische Symbole zu verbieten, und kann sagen: Geht uns nichts an, das wollen wir hier alles nicht. Kollegin Grossmann, da komme ich zu Ihnen und zu Ihrer Kritik, dass wir die Kritik am Gesetz zu wenig scharf oder zu wenig klar geäußert haben, da will ich ein bisschen nachschärfen und das etwas klarer äußern: Wenn wir so weit sind, dass wir dann, wenn das DÖW eine Bewegung als rassistisch oder extremistisch einstuft, ein Gesetz verabschieden, das das Symbol dieser Bewegung verbietet, dann haben wir eine Iranisierung unserer Rechtspflege im Laufen.

Ich will jetzt nicht den Iran beleidigen, aber er gibt uns ein gutes Beispiel, in welche Richtung sich das alles entwickelt. Es gibt dort einen Wächterrat, der ist der Hüter der reinen Lehre. Dieser Wächterrat entscheidet, was an Gedanken, was an Vorschlägen im Parlament behandelt werden darf und wer Kandidat bei einer Wahl sein muss. Der Iran hat ja im Prinzip ein demokratisches System, so wie unseres, aber jeder, der dort kan­didieren will, und jede Gesetzesinitiative muss von einem Wächterrat freigegeben wer­den.

Genau das steckt hier nämlich dahinter. Wenn wir darüber entscheiden, ob uns eine Ideologie passt, dann sind wir sozusagen der selbsternannte Wächterrat. Es gibt auch andere Wächterräte. Diese sitzen nicht nur in Österreich, sie sitzen im Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, im Europarat, in der Europäischen Kommission, im Europäischen Parlament, in Dutzenden NGOs. Das sind diese Wächter, die entschei­den, was gedacht werden darf (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn), was rassistisch oder extremistisch ist oder was – unter Anführungszeichen – unsere demokratischen Werte gefährdet. Da sind wir jetzt schon fast bei einem orwellianischen Newspeak, wenn wir von demokratischer Wertegefährdung sprechen und uns aussuchen, wer demokratisch ist oder wer sich an einer demokratischen Diskussion beteiligen kann.

Deswegen ist dieses Symbole-Gesetz meiner Ansicht nach ein schwerer, schwerer Missgriff und ein schwerer Verstoß gegen unser liberaldemokratisches Grundprinzip. (Beifall bei der FPÖ.)

Hinzufügen darf ich noch, dass der – ich sage einmal: informelle – Wächterrat, der offenbar bei uns entscheidet, wer reden darf und wer nicht, ja schon alles versucht hat, um diese beiden Organisationen aus dem Weg zu räumen. Es hat gegen die Identitäre Bewegung und führende Mitglieder schon zwei Geschworenenverfahren gegeben. Es hat, glaube ich, bisher sechs Hausdurchsuchungen gegeben, Handyabnahmen. Man hat alles versucht, um sie zu kriminalisieren, alle Strafverfahren sind aber im Sande ver­laufen, weil eben eine Meinung in Österreich noch – noch! – nicht kriminalisiert ist. Ich sage: noch nicht kriminalisiert! Straftaten oder auch nur das Anstreifen an Straftaten konnten nicht nachgewiesen werden. (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.)

Jetzt komme ich aber zum dritten Teil. Das ist das Staatsbürgerschaftsgesetz. Auch das läuft ja unter dem Titel Extremismusbekämpfung und Terrorismusbekämpfung. Jetzt wurde ja die Möglichkeit geschaffen, unter gewissen Voraussetzungen die Staatsbürger­schaft zu entziehen, wenn jemand terroristische Taten begangen hat. Auch das wird natürlich die Täter enorm abschrecken, wenn sie dann die Staatsbürgerschaft verlieren.

Der Drudenfuß ist aber der: Das ist nur dann möglich, wenn gewährleistet ist, dass der Betroffene nicht staatenlos wird. Das heißt, man muss dem betroffenen österreichischen Terroristen nachweisen, dass er eine andere Staatsbürgerschaft hat und diese noch aufrecht besteht. Wenn das nicht nachgewiesen werden kann, dann ist die Aberkennung nicht möglich. Jetzt können Sie sich bei der Zahl der terroristischen Anschläge in Öster­reich, die ja Gott sei Dank nicht überbordend ist, ungefähr vorstellen, wie oft dieses Gesetz der Aberkennung der Staatsbürgerschaft nach terroristischen Taten zur Anwen­dung kommen wird. Ich wage zu sagen: nie. Immerhin passt es aber, und insoweit ist es auch stimmig, in das gesamte Paket hinein: reiner Symbolismus.

Da wir aber nicht nur reinen Symbolismus als Kernaufgabe eines Politikers und eines Abgeordneten sehen, wollen wir auch einen konkreten Vorschlag machen, was man da tun kann.

Wir haben ja nicht nur in der Sache Leonie, sondern in vielen anderen ähnlich gelagerten Fällen gesehen, dass ein beachtlicher Prozentsatz aller Straftaten, die in Österreich begangen werden – bei manchen Arten von Straftaten sogar ein 50 Prozent erreichen­der Anteil –, von Leuten, die als Asylwerber nach Österreich gekommen sind oder sich hier aufgrund humanitärer Bleiberechte und ähnlichen Gründen aufhalten, verübt wurde. (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.) Solche Leute sind dann, wenn sie einmal die österreichische Staatsbürgerschaft erhalten, und da tut ja die SPÖ jetzt sehr viel, zumindest die Vorsitzende - - (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Ich will euch nicht in Geisel­haft nehmen. Die Vorsitzende tut sehr viel dazu, dass die österreichische Staatsbürger­schaft noch schneller erworben werden kann (Bundesrat Schennach: Das Licht leuchtet schon!) und dass die Leute überhaupt nicht mehr außer Landes geschafft werden können, außer man verpflichtet sie sicherheitshalber, die alte Staatsbürgerschaft zu be­halten, damit man sie dann nach dem Terrorismusgesetz abschieben kann. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn man das Asylrecht in seinem Kern ernst nimmt (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn), dann ist es ein Recht auf Schutz auf Zeit für die Dauer einer konkreten Verfol­gung.

Präsident Dr. Peter Raggl: Herr Bundesrat, darf ich Sie bitten, dass Sie zur Antrag­stellung kommen?

Bundesrat Dr. Johannes Hübner (fortsetzend): Ich komme zum Schluss!

Wir sind ja nicht im Jahr 1951, als die Genfer Konvention designt wurde. 1955 ist sie in Kraft getreten – da ist es um Heimatvertriebene gegangen, denen eine Rückkehr nicht möglich war. (Bundesrat Schennach: Wer Asyl hat, hat ...! – Zwischenruf der Bundes­rätin Lancaster.) In unserem Fall gehen wir aber davon aus, dass jemand auf Zeit hier ist und daher, wenn das Schutzbedürfnis weggefallen ist, auch zurückkehren muss. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Deshalb sollte ein Bleiberecht, das auf Asyl oder humanitärem Bleiberecht als Asylderivat beruht, niemals zur Staatsbürgerschaft führen können.

Ich stelle daher folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Dr. Johannes Hübner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „keine Staatsbürgerschaftsverleihung an Asylberechtigte“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Inneres wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend einen Entwurf zur Änderung des Bundesgesetzes über die österreichische Staatsbürgerschaft (Staatsbürgerschaftsgesetz 1985) zuzuleiten, welcher explizit den Ausschluss der Verleihung der Staatsbürgerschaft an Fremde, denen der Status eines Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten zukommt, vorsieht.“

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Ich bitte, bevor Sie hier wütende Ablehnung signalisieren, zu überdenken, ob das Ganze nicht Sinn macht und dann nach dem eigenen Gewissen und nach guter Überzeugung darüber zu entscheiden. – Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf bei der SPÖ.)

19.00