19.44

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Herr Präsident! Frau Bun­desministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Damit das nicht am Schluss passiert, mache ich es jetzt am Anfang. Ich bringe schon jetzt folgenden Antrag gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR zu Tagesordnungspunkt 19 ein:

Antrag

der BundesrätInnen Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen zu TOP 19, Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Gewährleistung bei Verbraucherverträgen über Waren oder digitale Leistungen (Verbrauchergewährleistungsgesetz – VGG) erlassen wird sowie das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch und das Konsumentenschutzgesetz geändert werden (Gewährleistungsrichtlinien-Umsetzungsgesetz)

in der 929. Sitzung des Bundesrates

„Die unterzeichneten Bundesrätinnen und Bundesräte stellen gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.“

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Ja, man kann nicht immer alles machen, vor allem nicht dann, wenn man nicht alleine regiert, trotzdem ein paar Punkte, warum wir für dieses Gewährleistungsrichtlinien-Um­setzungsgesetz sind, das die Warenkauf-Richtlinie und die Digitale-Inhalte-Richtlinie umsetzt.

Es erleichtert den Handel, verbessert den VerbraucherInnenschutz – eigentlich ein für die SPÖ spannendes Thema – und bringt zusätzliche Gewährleistungsrechte für Konsu­mentInnen, aufgrund der Harmonisierung des EU-Binnenmarkts erleichtert es aber natürlich auch das Handeln der UnternehmerInnen und der Vollzugs- und Justizorgane.

Worum geht es genau? – Bisher war es so, dass im ersten halben Jahr der Gewähr­leistungsfrist die VerbraucherInnen nicht beweisen mussten, dass das fehlerhafte Pro­dukt schon beim Kauf mangelhaft war. Das bezeichnet man als Vermutungsfrist, und das ist genau die entscheidende konsumentenfreundliche Frist bei der Gewährleistung, denn nach Ablauf dieser Vermutungsfrist müssen die VerbraucherInnen beweisen, dass der Mangel schon beim Kauf bestanden hat. Die Frist wird nun aber von einem halben Jahr auf ein Jahr verlängert, also verdoppelt.

Weiters ermöglicht die neue Regelung – auch eine sehr konsumentenfreundliche neue Maßnahme – die Geltendmachung der Gewährleistungsansprüche, seien es Reparatur, Austausch, Preisminderung oder gar Auflösung des Vertrages mittels einer formlosen Erklärung gegenüber dem Unternehmer, und zwar innerhalb der Gewährleistungsfrist von zwei Jahren. Die Ansprüche müssen also nicht mehr so wie bisher bei Gericht eingebracht werden. Wenn das Unternehmen allerdings in dieser Zeit nicht reagiert, muss die Möglichkeit bestehen, die Gewährleistung auch noch danach bei Gericht gel­tend zu machen, und daher wurde die „Gewährleistungsfrist“ – unter Anführungs­zeichen – um drei Monate verlängert. Das scheinen – so sehen wir das – sehr ausgewogene Regelungen zwischen UnternehmerInnen und KonsumentInnen.

Eine wichtige, dem digitalen Zeitalter geschuldete Änderung ist, dass Produkte mit digi­talen Inhalten oder digitalen Leistungen, die mit Geld oder auch mit Daten gekauft werden, nun auch unter das Gewährleistungsrecht fallen. Produkte mit digitalen Inhalten sind zum Beispiel digital bereitgestellte Filme, Musik, E-Books, Kurse, aber auch andere digitale Dienstleistungen wie Apps, Programme oder Streamings. Für diese digitalen Leistungen und für Smartgoods – auch ich habe recht viel gelernt bei diesem Tagesord­nungspunkt: Smartgoods sind Waren, die nur mit Software funktionieren, wie zum Beispiel smarte Fernseher oder Kühlschränke – wird es eine kostenlose Aktualisie­rungs­pflicht geben, die das vertragskonforme Funktionieren dieser Leistungen gewährleisten muss. Das heißt, notwendige Softwareupdates werden kostenlos zur Verfügung gestellt. Das ist ein großer und ein sehr lange geforderter Schritt, und das gilt auch für Verträge zwischen Unternehmen.

Weitere Maßnahmen, die gerade in der EU ausgearbeitet werden und die speziell die nachhaltige Wirtschaft betreffen – weswegen noch zugewartet wird –, werden eben durch die EU kommen, das sind zum Beispiel die Rechte der KonsumentInnen auf Reparatur – das, was Sie (in Richtung Bundesrat Egger weisend) gerade gefordert haben. Es wäre also schön, dem heute vielleicht trotzdem zuzustimmen, weil das ein großer Schritt ist – und vor allem ein Schritt ist und alles andere noch folgen wird. Das Vertrauen diesbezüglich wäre sehr schön, aber gut. Damit ist also allen – auch unseren Haushalten – der Einzug in die digitale Welt der Wirtschaft geebnet, und das ist natürlich begrüßenswert.

Nun zum Restrukturierungs- und Insolvenz-Richtlinie-Umsetzungsgesetz: Auch da wer­den EU-Richtlinien in österreichisches Recht integriert. Es geht um zwei wichtige Vor­gaben: erstens die Einführung eines Instruments zur Vermeidung von Insolvenz – gleich­zeitig auch zum Erhalt von Arbeitsplätzen – und zweitens einer Verkürzung der Entschul­dungsfrist auf drei Jahre.

Bei der ersten Maßnahme geht es darum, dass Unternehmen, die an der Zahlungs­unfä­higkeit schrammen, die Möglichkeit haben, sich wieder zu erfangen und so eine Insol­venz abzuwenden. Dabei handelt es sich um Unternehmen, die eigentlich bestehen könnten – das ist das Spannende und Wichtige daran –, die aber ohne entsprechendes Entgegenkommen der GläubigerInnen und eventuelle Umstrukturierungen in die Insolvenz fallen würden. Wenn also eine Chance zur Erholung des Unternehmens besteht, soll diese genutzt werden können, um den Betrieb aufrechtzuerhalten. Das Instrument dafür nennt sich präventiver Restrukturierungsrahmen mittels Restrukturie­rungsplan.

Wenn es also wahrscheinlich wird, dass Zahlungsunfähigkeit ins Haus steht, was von WirtschaftsprüferInnen oder SteuerberaterInnen dem Unternehmen immer kommuniziert werden muss und sich auch an bestimmten Kennzahlen zeigt, dann können redliche UnternehmerInnen bei Gericht die Durchführung eines präventiven Restrukturierungs­verfahrens beantragen. Voraussetzung sind eine nachvollziehbare Fortbestehens­pro­gnose und der Plan. Zusätzlich kann eine dreimonatige Vollstreckungssperre beantragt und auch verlängert werden. Der Vorteil bei diesem Plan und bei dieser Neuerung ist, dass nicht mehr alle Gläubiger zustimmen müssen, sondern nur Gläubiger mit 75 Pro­zent der Summe der Forderungen der Gläubiger. Das Unternehmen bleibt zusätzlich in Eigenverwaltung, hat aber einen Restrukturierungsbeauftragten, der zwischen den Schuldnern und den Gläubigern vermittelt und die Einhaltung des Plans kontrolliert.

Diese Maßnahme ist natürlich gesellschafts- und wirtschaftspolitisch relevant, da, wenn das Unternehmen gerettet wird, auch Arbeitsplätze gerettet werden; und auch für die Gläubiger, die oft langfristig und jahrelang mit den Unternehmen zusammenarbeiten, ist der Bestand des Unternehmens von Bedeutung, denn wenn eine Insolvenz vermieden werden kann, werden die Forderungen, auch wenn sie etwas gekürzt werden, doch nicht so weit gekürzt wie bei einer Insolvenz.

Wenn aber trotzdem eine Insolvenz im Raum steht, kommt es zur zweiten Maßnahme, die heute geregelt wird: einer schnelle Entschuldung für einen schnellen Wiedereinstieg. Die verkürzte Entschuldungsfrist wird jetzt auch für sogenannte redliche VerbraucherIn­nen, also Private, gelten. Das ist gut, denn es ist für UnternehmerInnen wie für Private wichtig, aus diesem lähmenden Teufelskreis des Schuldenhabens herauszukommen, um wieder Perspektive und damit Mut und Kraft für das Weiterarbeiten zu erhalten – gerade jetzt, nach vielen schweren Monaten der Coronakrise.

Mit diesen Gesetzesänderungen entfernen wir uns von der unternehmerischen Sicht­weise des Scheiterns als Makel und bewegen uns hin in Richtung einer Kultur der zweiten Chance, des Lernens aus Fehlern und des Neuanfangs mit Kraft und Motivation. Geben Sie sich einen Ruck – stimmen Sie mit uns! – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

19.52

Vizepräsident Günther Novak: Danke. – Der von den Bundesräten Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung einge­brachte Antrag zum Verhandlungsgegenstand, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2021 betreffend ein Gewährleistungsrichtlinien-Umsetzungs­gesetz keinen Einspruch zu erheben, ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Hübner. – Bitte.