13.27

Bundesrat Ingo Appé (SPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundes­minister! Geschätzte Damen und Herren! Hohes Haus! Eingangs darf ich feststellen: Die 3G-Pflicht, egal ob im Handel, in der Gastronomie, im Pflegebereich oder auf anderen Arbeitsplätzen, dient dem Schutz und ist keine Strafe. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grü­nen.)

Für uns, die SPÖ, stehen in erster Linie die Sicherheit und der Schutz der Bevölkerung und insbesondere der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Mittelpunkt unseres Handelns. Arbeit darf nicht krank machen. Im Gegensatz zum Freizeitverhalten kann man sich am Arbeitsplatz nicht aussuchen, mit wem man zusammentrifft. Das bedeutet, ArbeitnehmerInnen müssen auch am Arbeitsplatz vor einer Ansteckung mit dem Coro­navirus geschützt werden – dies auch im Interesse der Wirtschaft.

Ohne Schutzmaßnahmen gleicht der Umgang mit dem Virus einem russischen Roulette. Dieser Schutz kann für die Dauer der Pandemie am besten durch die Anwendung der 3G-Regelung – also getestet, geimpft oder genesen – erfolgen. Vor 14 Tagen habe ich hier an dieser Stelle feststellen müssen, dass wir mit 2 700 Neuinfektionen die höchsten Zahlen seit dem Frühjahr 2021 hatten. 14 Tage später sprechen wir von fast 4 000 Neu­infektionen, dem heurigen Höchstwert. Leider waren die Zahlen gestern kein Ausreißer, denn auch heute wurden 3 700 Neuinfektionen festgestellt.

Die Bundesländer Niederösterreich und Oberösterreich stehen vor der Ampelschaltung auf Rot. Heute haben wir höhere Infektionszahlen als im Oktober des Vorjahres – um 400 Neuinfektionen mehr –, wie dies auch die Statistik im heutigen „Standard“ (einen „Standard“-Artikel in die Höhe haltend) eindrucksvoll bestätigt. Die Lage ist sehr ernst, so ernst, dass hier kein Platz für politische Spiele ist. (Präsident Raggl übernimmt den Vorsitz.)

In den letzten zwei Tagen haben wir Mandatare eine Flut an Mails von besorgten Bür­gerinnen und Bürgern erhalten, mit der Aufforderung, uns gegen diese Regelung auszu­sprechen. Die Mehrheit der E-Mails bezieht sich auf die Aussagen des Ex-Kanzlers und des Finanzministers, die ja verkündet haben, die Pandemie sei beendet. Dies ist, wie ich soeben dokumentiert habe, leider nicht der Fall und bezeugt, wie unverantwortlich solch flapsige Aussagen sind, die die Bevölkerung noch mehr verunsichern. (Beifall bei der SPÖ.)

Selbstverständlich spricht sich die SPÖ sehr klar gegen die Diskriminierung von Per­sonen aus, die nicht geimpft sind. (Bundesrat Steiner: Seit wann? – Zwischenruf des Bundesrates Hübner.) Daher war und ist es unumgänglich, dass bis zum Ende dieser Pandemie weiterhin die Möglichkeit besteht, sich gratis testen zu lassen. Italienische Verhältnisse – ArbeitnehmerInnen müssen für die Tests zahlen, um arbeiten gehen zu dürfen – haben in Österreich keinen Platz. Allen Bürgerinnen und Bürgern muss durch ein niederschwelliges und kostenfreies Testangebot die Teilnahme am Berufsleben er­möglicht werden.

Die Verlängerung der kostenfreien betrieblichen Testungen ist für uns daher die Voraus­setzung gewesen, die gesetzliche Grundlage für die 3G-Regelung am Arbeitsplatz mit­zutragen. 3G am Arbeitsplatz steht also vor der Tür. Mit 1. November wird mit einer 14-tägigen Übergangsfrist jene Verordnung in Kraft treten, die die genauen Modalitäten dafür regelt. Ziel ist es, die betrieblichen Tests so lange kostenlos zu ermöglichen, wie auch die Teilnahme am bevölkerungsweiten Screeningprogramm gratis ist. Für die Län­dertests hat der Nationalrat Ende März 2022 als vorläufiges Enddatum festgelegt.

Warum stimmen wir dieser Vorlage nun doch zu? – Da wir die vorher geplanten Maß­nahmen nur um acht Wochen hätten verzögern können und die Regelung dann doch gekommen wäre. Damit hätte diese erst kurz vor Weihnachten in Kraft treten können. Bei den derzeitigen Infektionszahlen wäre dies unverantwortlich gewesen, und es hätte zu noch viel schlechteren Konditionen für alle ArbeitnehmerInnen geführt. Der Druck der SPÖ hat sich ausgezahlt. Es ist schön, dass sich auch Bundesminister Kocher unseren Forderungen angeschlossen hat. Anscheinend hat er sich davor in der Regierung nicht durchsetzen können. (Bundesrat Steiner: Der lebt in einer anderen Welt!)

Wir sind für die 3G-Regelung am Arbeitsplatz, aber man kann nicht für 3G am Arbeits­platz sein und gleichzeitig die betrieblichen Gratistestungen streichen, wie die Regierung das ursprünglich vorgehabt hat. Das wäre ungerechte Politik auf dem Rücken der ArbeitnehmerInnen gewesen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Steiner: Ungerecht ...! – Bundesrätin Schartel: 3G ist Verrat! Wenn es 3G nicht gibt ...!) – Das wäre Verrat an den ArbeitnehmerInnen gewesen, liebe Frau Kollegin Schartel (Bundesrat Steiner: 3G ist Verrat! – Ruf bei der FPÖ: ... was Verrat ist! – weitere Zwischenrufe bei der FPÖ), um den doch populistischen Terminus Verrat aufzugreifen, wenn man ihn an dieser Stelle schon gebrauchen muss. (Bundesrat Steiner: Wer hat die Arbeitnehmer verraten? – Die Sozialdemokraten! Schon wieder! – Bundesrätin Schumann: Danke für die 60-Stunden-Woche!)

Wir haben erreicht, dass arbeitende Menschen nicht dafür zahlen müssen, arbeiten ge­hen zu können. Damit ersparen wir den ArbeitnehmerInnen monatlich einen Betrag von über 200 Euro, und dies gerade in Zeiten von laufenden Teuerungen. (Bundesrätin Schartel: Wenn es die 3G-Regel ...!) Die Gesundheit ist das höchste Gut, und es ist unser Auftrag, das auch zu bewahren. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Steiner-Wie­ser: Und die Masken geben wir auch gleich weg! Weg mit den Masken am Arbeitsplatz!)

Es geht bei Tagesordnungspunkt 9 nicht nur um die 3G-Regelung. Welche inhaltlichen Änderungen wird es im Epidemiegesetz und im COVID-19-Maßnahmengesetz geben? – Änderung im Rechtsschutz bei Absonderung; niedergelassene ÄrztInnen erhalten die Berechtigung zum Ausdruck von Zertifikaten; Verlängerung des COVID-19-Maßnah­mengesetzes; wie gesagt die 3G-Regelung am Arbeitsplatz; die Verordnungsermächti­gung für Impfintervalle, Anforderungen an Tests sowie Form und Inhalt der Nachweise; und last, but not least die Verordnungsermächtigung für die Bürgermeister.

Wie Sie sehen, ist da wieder eine Vielzahl von unterschiedlichen Maßnahmen in einem Beschluss verpackt. Daher war es für uns wieder nicht sehr einfach, unsere Zustimmung zum Gesamten zu erteilen. Schlussendlich aber waren uns die Wahrung und der Schutz der Gesundheit sowie die Abwehr von finanziellen Mehrbelastungen der Arbeitnehme­rInnen wichtiger, als die Zustimmung aufgrund der noch immer offenen und unbefrie­digenden Regelungen nicht zu erteilen. Wie gesagt, es ist bei Weitem nicht alles in Ord­nung.

Im Besonderen möchte ich als Bürgermeister die Verordnungsermächtigung für Bürger­meister ansprechen. Da fand eindeutig die Abwälzung der politischen Verantwortung für das Funktionieren der kommenden Wintersaison beziehungsweise des Wintertourismus auf die Bürgermeister statt, was keinesfalls zu akzeptieren ist. Dies führt zu einer völligen Zersplitterung der Vorschriften von Gemeinde zu Gemeinde. Vielleicht kann das noch innerhalb eines Bezirkes funktionieren, aber wenn dies an Bezirks- oder Landesgrenzen überschreitend zu exekutieren sein wird, dann wird es spannend werden.

Wenn etwas nicht funktioniert, warum auch immer, wer wird dann zur Verantwortung gezogen werden? – Der Bürgermeister oder die Bürgermeisterin. Dass unter den Politi­kern ein Bürgermeister beziehungsweise eine Bürgermeisterin zu jener Personengruppe zählt, die noch das höchste Vertrauen und Ansehen in der Bevölkerung genießt, das haben ja auch bei der Enquete gestern Experten und Redner festgestellt. – So weit, so gut! Der Bürgermeister ist aber auch der einzige Politiker, der neben der Verantwortung vor Ort auch persönlich für sein Tun haftet und zur Verantwortung gezogen werden kann.

Das wird dann spannend, wenn ich als Bürgermeister nun aufgrund von diversen Fak­toren Covid-Maßnahmen setze. Wirtschaftliche Folgen wird jede Entscheidung so oder so haben. Schon jetzt werden wir als Bürgermeister mit Klagen in diversesten Zusam­menhängen mit unserem politischen Handeln konfrontiert. Ich denke, dass der in der zweiten Lesung des Nationalrates eilig eingebrachte Abänderungsantrag mit dem Zu­satz, dass „nach dem Wort ‚Bürgermeister‘ die Wortfolge ‚mit Zustimmung der Bezirks­verwaltungsbehörde‘ eingefügt“ wird, nicht ausreichen wird, um alle offenen Probleme und Fragen zufriedenstellend zu erledigen, geschätzte Kolleginnen und Kollegen. Daher möchte ich nochmals feststellen, dass diese Verordnungsermächtigung nichts anderes ist als das Abschieben der politischen Verantwortung zurück auf Gemeindeebene.

Nun möchte ich zu Tagesordnungspunkt 14, Beschluss des Nationalrates betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetz und das Medi­zinproduktegesetz geändert werden, Stellung nehmen. Die Verlängerung der Möglich­keit für die Länder, bei Bedarf Barackenspitäler zu errichten, ohne ein längeres Bewilli­gungsverfahren durchlaufen zu müssen, können wir noch nachvollziehen. Die Verlän­gerung der Notzulassung für Selbsttests ist allerdings nicht mehr akzeptabel. Man hätte längst auf das übliche und notwendige Prüfverfahren umstellen können.

Da wir gerade über das Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetz sprechen, möchte ich die Pflege nicht auslassen. Wie sieht es mit der Unterstützung des Bundes für die Pflege aus? Wann wird die dringend erforderliche Pflegereform angegangen? Es ist Zeit für eine bundesweit einheitliche Pflegesystematik. Es bedarf einer garantierten Finanzie­rung des Pflegeangebotes durch einen Pflegegarantiefonds sowie einer Ausbildungsof­fensive und fairer Arbeitsbedingungen. Daher möchte ich folgenden Entschließungsan­trag einbringen:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Ingo Appé, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Pflegeoffensive jetzt!“, eingebracht im Zuge der Debatte zum Beschluss des Nationalrates vom 13. Oktober 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Krankenanstalten- und Kuranstalten­gesetz und das Medizinproduktgesetz geändert werden

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, unverzüglich Regierungsvorlagen auszuarbei­ten und dem Nationalrat sowie dem Bundesrat zu übermitteln, mit der

- ein Pflegegarantiefonds geschaffen wird, indem die bisherigen finanziellen Aufwendun­gen für Pflegeleistungen von Bund und Ländern zusammengefasst werden

- eine zusätzliche Pflegemilliarde aus Budgetmittel zur Verfügung gestellt wird, damit künftig alle Pflegebedürftigen ihre benötigten Pflegeleistungen kostenfrei zur Verfügung gestellt bekommen

- eine Ausbildungsoffensive sofort gestartet wird

- und die Verbesserung der Arbeitssituation für Pflegeberufe

rasch umgesetzt wird.“

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Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

13.39

Präsident Dr. Peter Raggl: Der von den Bundesräten Ingo Appé, Kolleginnen und Kolle­gen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Pflegeoffensive jetzt“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Des Weiteren zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. Ich erteile ihr dieses.