16.34

Bundesrat Günter Kovacs (SPÖ, Burgenland): Herr Präsident! Herr Minister! Sehr ge­ehrte Damen und Herren! Ich darf zu unserer Dringlichen Anfrage einmal etwas anders beginnen. Das Burgenland feierte vor zwei Tagen seinen 100. Geburtstag. Seit 100 Jah­ren gibt es das Burgenland, und wir haben dankenswerterweise eine Einladung vom Dritten Präsidenten des Nationalrates Norbert Hofer in das Palais Epstein erhalten. Es war für mich sehr überraschend, ich habe es nicht gewusst, aber der Landeshauptmann hat es dort ganz klar angesprochen – ich möchte auch ein bisschen ein Sittenbild auf­zeigen –, dass für das Burgenland als Bundesland, das 100-jähriges Bestehen feiert, noch keine Jubiläumsgabe budgetiert ist. Es ist keine Jubiläumsgabe im Budget, im Budgetbegleitgesetz drinnen.

Das ist das Sittenbild der Türkisen, des Herrn Finanzministers, nämlich diese Wert­schätzung zwar verbal auszudrücken, zu sagen, wie wichtig ihm das sei, die Bundes­länder, die Gemeinden, alles sei ganz wichtig, aber wenn es darum geht, dass man für ein Bundesland, das sehr stolz ist und – ich habe es bei diesen Vorträgen gesehen – das nicht das reichste Bundesland war, eine Jubiläumsgabe budgetiert, dann wird das nicht berücksichtigt. Im Gegenteil: Noch gestern oder vorgestern wurde zwischen zwei Ministerien gestritten, wer denn die Aufgabe hätte, diese Jubiläumsgabe zu budgetieren, der Ball wurde sozusagen zwischen Kanzler und Finanzminister hin- und hergespielt. (Vizepräsidentin Schwarz-Fuchs übernimmt den Vorsitz.)

Im Übrigen hat Niederösterreich das schon. 100 Jahre Niederösterreich: Da sind schon 9 Millionen Euro für nächstes Jahr budgetiert. (Bundesrätin Schumann: Na wow, 9 Mil­lionen?) 9 Millionen Euro. Ich habe aber vom Finanzministerium gute Signale erhalten, dass das in den nächsten Wochen doch noch budgetiert wird, damit das Burgenland auch diese Wertschätzung erhält, die man gegenüber den Ländern und Gemeinden im­mer ausdrückt. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf bei der SPÖ.)

Vielleicht einmal ein anderer Zugang: Kollege Dominik Reisinger hat vorhin schon er­wähnt, dass der oberösterreichische Gemeindebundchef Johann Hingsamer dieses Budget zerlegt, quasi zerpflückt hat. Das zeigt, dass man nicht einmal sagen kann, dass das von der SPÖ oder von anderen Parteien parteipolitisch motiviert ist. (Bundesrat Ba­der: Seids schon arm beieinander!) Er sagt ganz klar: Da ist vieles nicht in Ordnung.

Herr Minister, Sie haben vorhin davon gesprochen, dass alle – Bund, Land und Gemein­den – nicht so viel kriegen und dass das dann schwieriger wird, aber komischerweise kriegen jene, die eigentlich eh schon viel haben, sehr viel mehr. (Bundesrat Bader: Wer?) – Herr Bader fragt: Wer? Ich werde es ihm sagen, wenn er schon so lieb fragt (neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Bader): Das ist zum Beispiel Red Bull: 19,1 Millionen Euro Steuerersparnis (Ruf bei der SPÖ: Bist du gscheit!); die OMV: 13 Mil­lionen Euro Steuerersparnis; die Bundesimmobiliengesellschaft m.b.H.: 6,7 Millionen Euro Steuerersparnis; Shell Austria: 3,3 Millionen Euro Steuerersparnis; Magna Metal­forming: 2,5 Millionen Euro; Österreichische Lotterien: 2,3 Millionen Euro (Zwischen­ruf des Bundesrates Schennach); Glock: 1 Million Euro; Coca-Cola: 830 000 Euro; KTM Fahrrad – das kennen wir eh schon alle –: 830 000 Euro; McDonald’s Franchise: 760 000 Euro.

Ich sage Ihnen ganz ehrlich – weil der übliche Spruch immer kommt: Standortsicherung, viele Mitarbeiter, klar, die muss man unterstützen! –, Herr Finanzminister, schauen Sie einmal hinaus zu den Leuten, schauen Sie, wie es ihnen momentan geht, ob es den Leuten so gut geht, dass sie nicht auch eine Art Standortsicherung brauchen, nämlich alle Österreicherinnen und Österreicher, um sich das Leben noch leisten zu können! Wenn wir uns die letzten Wochen und Monate anschauen und das, was sich momentan abspielt, sehen wir: Es wird für viele immer schwerer. Ich denke, dort müsste man an­setzen.

Energiepreise: Fahren Sie zur Tankstelle, fragen Sie einen Pendler, ob ihm diese öko­soziale Steuerreform so richtig taugt, ob ihm das wirklich so gut gefällt, was ihr be­schlossen habt, dass er jeden Tag an der Tankstelle noch mehr für den Sprit zahlen darf! Das ist einfach nicht in Ordnung, an diese Menschen haben Sie überhaupt nicht gedacht.

Wie gesagt – ich kann es nur noch einmal wiederholen –: Diese Worte kommen nicht einmal von mir, das kommt ja alles vom Herrn ÖVP-Abgeordneten und Gemeindebund­chef Hingsamer; der sagt das. (Bundesrat Bader: Ihr seids schon arm beieinander, wenn ihr schon einen Schwarzen zitieren müsst! Arm seids ihr!)

Wenn man - - (Bundesrätin Schumann: Ach, Herr Bader! – Ruf bei der SPÖ: Heute ha­ben wir schon genug! – Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP. – Zwischenruf des Bundesra­tes Steiner.) – Ja, ich habe einen ÖVP-Mann zitiert. Sie werden ihm recht geben, nicht? (Zwischenrufe bei der ÖVP. – Zwischenruf der Bundesrätin Schumann. – Bundesrat Bader: Zitieren wir wieder den Doskozil!) – Wenn man sich die Chats der ÖVP ansieht: Immer wieder wurde nach „steuerbaren Weibern“ gesucht, die man in Aufsichtsräte set­zen wollte. Die innerparteiliche Kontrolle schafft Kurz ab, indem er ein Durchgriffsrecht bei der Besetzung von Regierungsämtern und Wahllisten aushandelte.

Sogar vor der Kirche, liebe ÖVP-Bundesräte – vor der Kirche, einer moralischen Kon­trollinstitution! –, machte der bekennende Katholik Kurz nicht Halt. Im März 2019 kündig­te Kurz-Intimus Thomas Schmid dem Kanzler an, dass er dem Generalsekretär der katholischen Bischofskonferenz ein „ordentliches Package mitgeben“ wird, wie Thomas Schmid damals schrieb. – Ja, jetzt schauen Sie alle betroffen. Was schrieb der Kanzler zurück: „Ja super. Bitte Vollgas geben“ – Vollgas gegen die Kirche! (Bundesrat Bader: Silberstein! – Bundesrätin Schumann: Also das muss einem schon peinlich sein!) Kurz darauf meldete sich Schmid, dass man das vollzogen hat: „Also Schipka war fertig! [...] Er war zunächst rot dann blass dann zittrig“. – Kurz bedankte sich: „Super danke viel­mals!!!!“ (Bundesrat Bader: Gratuliere, Herr Moralapostel!) – Danke, danke vielmals, Herr Bader. (Bundesrätin Schumann: Also, Herr Bader, das ist ja wirklich ...! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

So funktioniert das System Kurz. Doch Österreich ist Gott sei Dank nicht Ungarn. Die Attacken auf die liberale Demokratie werden dieser Tage nicht nur offenbart und the­matisiert, sondern viele Kontrollinstitutionen erwachen und leisten ihre Arbeit, und das ist gut so. Die Justiz wird das machen.

Herr Bader, was glauben Sie eigentlich, wenn die Partie vom Herrn Finanzminister, vom Herrn Kanzler sagt, die Landeshauptleute sind „alte Deppen“ (Zwischenbemerkung von Bundesminister Blümel) – das haben wir heute eh schon einmal gehört –, wenn ge­chattet wird: Das sind „alte Deppen“!, was glauben Sie, was der dann über einen Bür­germeister denkt? Glauben Sie, dass dann ein Bürgermeister bei Herrn Kurz hierar­chisch ganz weit oben steht? Glauben Sie das wirklich? Glauben Sie wirklich, dass die Gemeinden für Herrn Kurz, für den Herrn Finanzminister ein derartiges Anliegen sind? – Mitnichten, das ist sicher einmal nicht der Fall.

Deshalb wird sich in der nächsten Zeit – ich tippe auf die nächsten Wochen, wenn man es gut rechnet; wahrscheinlich in den nächsten Monaten – in diesem Haus eh einiges verändern, wenn wir in Neuwahlen gehen werden. Wenn man nämlich ein guter Beob­achter ist – und das sind wir –, dann sieht man schon die Betroffenheit der Grünen, die ja nicht einmal mehr einen Wortwechsel mit der ÖVP machen, und das verstehe ich irgendwie.

Ich habe es heute schon einmal erwähnt, man kann den Grünen eigentlich gratulieren, man muss ihnen wirklich auch einmal gratulieren: eine Partei mit 14 Prozent, die es geschafft hat, den Kanzler der Republik Österreich auszuhebeln. Die ÖVP sitzt jetzt da, hat es aber trotzdem noch geschafft, dass Herr Kurz als Klubobmann hier herinnen sitzt und der Herr Finanzminister noch im Amt ist, wo ich schon vor einem Monat oder vor zwei Monaten gehört habe, dass er eigentlich – da verstehe ich ihn sogar – gar nicht mehr mag, gar nicht mehr will, aber er noch dableiben musste, weil halt der Kanzler noch da war. (Bundesrat Steiner: ... ins Kanzleramt holen!) Nun ist aber der Kanzler auch nicht mehr da, also schauen wir uns das an, wie das weitergeht. (Zwischenruf des Bun­desrates Bader.)

Ich möchte zum Finanzpaket doch noch einige Zahlen nennen, um das auch ein biss­chen plastisch zu machen, was Gemeinden davon gehabt haben oder was sie eben nicht davon gehabt haben. Ich habe mir eine Stadt ausgesucht, nämlich Eisenstadt. An Mitteln aus dem KIP, dem kommunalen Investitionsprogramm, waren 1,696 783 Millionen Euro, also rund 1,7 Millionen Euro, versprochen. Was ist tatsächlich angekommen? – In Eisen­stadt sind 544 957,95 Euro frisches Geld angekommen, ohne diese Auflagen.

Sie wissen es, Herr Bader, es gibt Auflagen. Es gibt für kleine Gemeinden Schwierigkei­ten, denn sie müssen 50 Prozent finanzieren. Für diese 50 Prozent muss man einen Kredit aufnehmen, nur dann kriegt man dieses Geld. (Bundesrat Spanring: Die ÖVP sucht ...!) Ist das dann Gleichheit für alle? Ist das dann so super für den ländlichen Raum, wenn kleine Gemeinden mit ein paar Hundert Einwohnern, die sich das ja freilich - - (Bundesrat Bader: Also meine kleinen Gemeinden haben alle ihre Anträge gestellt und ihr Geld abgeholt!) – Sie wissen es, Herr Bader, wahrscheinlich besser, dass jeder Bür­germeister, der das riskieren würde, mit einem Fuß im Kriminal stehen würde, wenn er da über die Stränge schlägt.

Die gute Nachricht von der Sozialdemokratie: Wir gehen es jetzt wenigstens an. Wir haben ja gehört, es wurde vereitelt – 1,2 Milliarden Euro! –, einen Rechtsanspruch auf diese kostenlose Kinderbetreuung zu haben. Wie geht es euch? Wie geht es euch wirk­lich dabei, wenn ihr das hört? (Zwischenruf des Bundesrates Preineder.) – Gut, Herr Preineder, na das ist ja wirklich super, wenn es euch gut geht, wenn man 1,2 Milliarden Euro nicht für die Kinder investiert hat (Bundesrat Bader: Das ist eine Unwahrheit, die Sie da sprechen! Das ist einfach nicht wahr! Es wird auch nicht wahrer, wenn Sie es wiederholen! – Widerspruch bei der SPÖ – Bundesrätin Schumann: Das ist keine Un­wahrheit, die Nachmittagsbetreuung ist nicht gekommen!) und wenn man das dann in Chats herumschickt und es nicht - - (Bundesrat Spanring: Das ist keine Unwahrheit! Das ist im Chatverlauf drinnen! – Zwischenruf des Bundesrates Bader.) – Herr Bader, es ist deswegen eine Wahrheit, weil ein Rechtsanspruch nicht möglich ist. (Anhaltende Zwischenrufe bei ÖVP, SPÖ und FPÖ.) Es ist kein Rechtsanspruch möglich, und das wissen Sie, das wissen Sie ganz genau! (Bundesrätin Grimling: Was ist hier eine Un­wahrheit?! – Bundesrätin Schumann: Realitätsverlust, Herr Fraktionsvorsitzender!)

Gott sei Dank haben wir heute schon eine Initiative von unserer Vorsitzenden, von Pa­mela Rendi-Wagner, mit dem Landeshauptmannstellvertreter von Niederösterreich: eine Resolution, in der dieser Rechtsanspruch auf kostenlose Ganztagskinderbetreuung ge­fordert wird. Ich kann euch nur sagen: Macht jetzt wenigstens dort mit! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir versuchen jetzt praktisch noch das Beste rauszuholen. Fünf Jahre haben Familien, Eltern vielleicht nicht gewusst, wo sie das Kind hingeben sollen. Sie hätten schon fünf Jahre einen Rechtsanspruch, und nur aus einer Eitelkeit heraus, dass man halt dann in dieser Phase den Kanzler stellen will, ist das nicht passiert. Ist das ehrenhaft? Herr Ba­der, ist das ehrenhaft? (Zwischenruf bei der ÖVP. – Heiterkeit bei der SPÖ.)

Und es geht noch weiter. (Bundesrat Bader: Du willst ernsthaft ein Moralapostel sein!?) Es geht ja nicht nur um diese 1,2 Milliarden Euro – was ja schon extrem viel Geld für unsere Kinder ist; es ist nicht in Ordnung, was da passiert ist –, sondern: Wie viel ist in den letzten Jahren durch dieses manipulative Verhalten von einem Bundeskanzler der Republik Österreich passiert, wo sich viele Gemeinden – Gemeinderatswahlen, Land­tagswahlen –, wo sich alles einem manipulierten Kanzler hat unterwerfen müssen, der uns praktisch von vorn bis hinten die Unwahrheit gesagt hat, jahrelang die Unwahrheit? (Beifall bei der SPÖ.)

Wir müssen das ausbaden, und das ist keine Kleinigkeit. Das ist keine Kleinigkeit, denn es könnten vielleicht noch einige Mandatare von den anderen Parteien hier herinnen sitzen, wenn man ehrlich gespielt hätte, wenn man wirklich ehrlich gewesen wäre und nicht manipuliert hätte.

Meine Damen und Herren, diese Dringliche Anfrage mit 33 Fragen zu den Gemeinden war dem Finanzminister gerade 13 Minuten wert. (Bundesrat Bader: Das tut ja richtig weh, wenn man dir zuhört!) Dividieren Sie das einmal durch 33 Fragen, dann sieht man, was das für ein Zeitfaktor ist, was da wirklich los ist! (Bundesrätin Schumann: Und Sei­ten in den Teilheften zitiert, lest nach, liebe Leute! – Bundesrat Bader: Ungeheuerlich!) Außerdem waren da ein paar Sachen dabei, die überhaupt nicht stimmen. Bei der kalten Progression wurde uns das hier so dargestellt, als ob alles passt. (Rufe und Gegenrufe zwischen BundesrätInnen von ÖVP und SPÖ.) In Wahrheit passt es gar nicht. Er hat den Tarif nicht angesprochen, das sind 2,4 Prozent. Das passt halt hinten und vorn nicht. Wenn man hier nicht einmal eine ordentliche Antwort auf Fragen bekommt, zumindest eine, die wahr ist, dann ist es auch nicht mehr in Ordnung.

Meine Damen und Herren, herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

16.47

Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank.

Als Nächster ist Herr Bundesrat Otto Auer zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm dieses.