11.31

Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte ZuseherInnen! Ich schicke es gleich voraus: Meine Fraktion, die SPÖ, wird den beiden Gesetzesmaterien, die jetzt Thema sind, also dem Familienlastenausgleichsgesetz und dem Kinderbetreuungs­geld­gesetz, zustimmen. Bei dem einen handelt es sich – meine Vorrednerin hat es schon ausgeführt – um eine Anpassung an eine EU-Richtlinie, und beim Kinderbetreuungsgeld soll gewährleistet werden, dass man bei der einkommensabhängigen Variante weiterhin einer geringfügigen Beschäftigung nachgehen kann. Das ist unserer Meinung natürlich unterstützenswert.

Die Familienleistungen sind generell gerade Thema in der politischen Debatte, denn vor wenigen Tagen ist eine Kinderkostenstudie veröffentlicht worden. Die Forderung nach so einer Kinderkostenstudie begleitet mich schon viele Jahre in meiner politischen Tätig­keit. Man muss sich das vorstellen: Wir haben uns bis jetzt teilweise auf Erhebungen aus den Sechzigerjahren bezogen. Es ist gut, dass diese Kinderkostenstudie nun vorliegt. Berechtigterweise, glaube ich, hat sich das Familienministerium bisher dagegen verwehrt, so eine Studie durchzuführen, denn es wird jetzt sehr deutlich – wir haben das vermutet –, dass die Kosten für Kinder weitaus höher sind als die Zuwendungen, die Familien derzeit bekommen. Es wird in diesen Zahlen sehr deutlich, dass Haushalte mit Kindern gegenüber jenen ohne Kinder benachteiligt sind, und je mehr Kinder in einem Haushalt leben, desto größer wird diese Schere.

Was noch deutlich geworden ist – wir SozialdemokratInnen sagen das schon lange –: Die Familienleistungen, so wie wir sie derzeit vorfinden, sind nicht gerecht und vor allem nicht treffsicher, besonders dann, wenn bei Familienleistungen immer mehr – und das ist unter ÖVP-dominierten Regierungen mittlerweile Mode geworden – auf Steuer­erleich­terungen gesetzt wird, wie beispielsweise beim Familienbonus, der von uns ja schon mehrfach kritisiert wurde, denn bei diesen Steuererleichterungen schauen Men­schen und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit geringem oder niedrigem Einkom­men natürlich oft durch die Finger und damit auch die Kinder aus diesen Familien.

So ist es nicht verwunderlich, dass die Armut in diesen Familien derzeit steigt. Jedes fünfte Kind in Österreich ist von Armut betroffen und damit natürlich auch von all den Folgen, die Armut mit sich bringt – Folgen, die man sich als Gesellschaft nicht wünschen kann und vor allem nicht für jedes einzelne Kind verantworten kann. Da tragen wir vonseiten der Politik und da tragen auch Sie, Frau Ministerin, eine große Verantwortung. Vor allem – und auch das wird in dieser Kinderkostenstudie mehr als deutlich – trifft es Alleinerzieherinnen und Alleinerzieher. Da sind die Zuwendungen und die Familien­leistungen derzeit besonders unzureichend. Ja, das Sozialministerium hat vor Kurzem Geld in die Hand genommen, aber eher für kurzfristige, akute Maßnahmen. Das, was uns fehlt, ist die nachhaltige Absicherung dieser Familien. Auch das – diese nachhaltige, existenzielle Absicherung der Familien – ist Ihre Verantwortung, Frau Ministerin.

Armut ist auch Teil der psychischen Belastung junger Menschen, von der wir heute wieder in den Nachrichten lesen müssen, von dieser dramatischen Zuspitzung der Situ­ation, denn wenn Sie armutsbetroffene Kinder kennen – ich kenne solche –, dann wissen Sie: Kinder und junge Menschen nehmen die prekäre Situation einer Familie sehr stark in ihr eigenes Empfinden und in ihre eigene Gemütslage auf. In wenigen Tagen kommt Weihnachten, und die Belastungen und der psychische Druck für die Eltern steigen: Was kann ich meinen Kindern anbieten? Wie können wir Weihnachten trotzdem schön feiern? Was können meine Kinder, wenn sie wieder in die Schule gehen, darüber berichten, was sie bekommen haben? – Der psychische Stress für Erwachsene und für Eltern ist groß, Kinder übernehmen diese Stimmungslage der Erwachsenen und verinnerlichen sie.

Wir wissen auch – das ist nämlich ein sehr spannendes Phänomen; ich darf das noch kurz berichten –: Wenn man Kinder, die von Armut betroffen sind, fragt: Was wünscht du dir?, könnte man im ersten Moment denken, sie wünschen sich besonders große Dinge und besonders jene Dinge, die sie bei anderen sehen; aber ganz das Gegenteil ist der Fall: Sie wissen, dass das in ihren Familien nicht geht, und sind in ihren Wünschen enorm bescheiden. Man muss sich da sehr bemühen, Wünsche herauszukitzeln, weil sie wissen, was für eine Belastung große Wünsche bei ihren Eltern auslösen. Das wollen sie nicht, sie antizipieren sozusagen die Gemütslage ihrer Eltern. Das trägt sich weiter, über materielle Wünsche hinaus. Wenn man armutsbetroffene Kinder fragt: Was willst du einmal werden?, dann trauen sie sich auch nicht, große Wünsche zu äußern, sondern sind sehr realistisch, sehr am Boden, es sind kleine Wünsche, kleine Perspektiven. Das ist für unsere Gesellschaft gefährlich, weil diese Kinder in dieser Spirale gefangen sind und in dieser Armut gehalten werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Darum mein stetiges Plädoyer – Sie kennen es mittlerweile alle schon –: Packen wir diese Armut an der Wurzel und führen wir diese Familien existenziell und nachhaltig aus dieser Armut heraus!

Frau Ministerin, ich möchte, weil Sie heute bei uns sind, noch die Gelegenheit nutzen, Sie an ein Thema zu erinnern, das wir schon mehrfach besprochen haben. Es betrifft werdende Mütter, schwangere Frauen, die mit Kleinkindern arbeiten. Diese sind bedroht, sich mit dem Zytomegalievirus anzustecken, was eine Gefahr für die Gesundheit der Mutter, aber auch des ungeborenen Babys ist. Wir haben das jetzt schon mehrfach deponiert, auch bei Ihrem Kollegen, Arbeitsminister Kocher, es ist noch nichts ge­schehen – außer in Salzburg. Da gab es jetzt einen Vorstoß, das Land Salzburg springt jetzt ein, aber ich denke, es braucht eine bundesweite Lösung.

Daher meine Bitte an Sie und Arbeitsminister Kocher: Bitte regeln Sie dieses Thema für diese schwangeren Frauen nachhaltig, sodass diese, wenn sie mit kleinen Kindern zu tun haben, wirklich vorzeitig in Mutterschutz gehen können – um einerseits diese Frauen zu schützen, aber andererseits auch die Einrichtungen, die mit diesen jungen Frauen und Kleinkindern zu tun haben, abzusichern. Das wäre eine ganz konkrete Maßnahme, die man sehr schnell umsetzen könnte und die diesen jungen Frauen sehr helfen würde. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

11.39

Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser. Ich erteile ihr das Wort.