13.03

Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Mitglieder des Bundesrates! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Liebe Regierungs­kolle­gin­nen und ‑kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Österreicherinnen und Österreicher und Menschen, die in Österreich leben! Es ist für mich tatsächlich eine große Ehre und ein Privileg, heute vor Ihnen als Bundeskanzler der Republik Österreich sprechen zu dürfen. Ich habe bereits meine Erklärung im Nationalrat abgeben dürfen und da schon versucht, Linien zu skizzieren, die die Regierungsarbeit, aber natürlich auch die neuen Regierungskolleginnen und ‑kollegen – Staatssekretärin, Minister – be­treffen. Das werde ich auch heute kurz tun, aber dann schon aktuell auf das eingehen, was sich alles ereignet hat.

Bevor ich das tue – das habe ich im Nationalrat noch etwas ausführlicher getan, aber das werden ja auch viele von Ihnen mitverfolgt haben –, möchte ich noch allen ein großes Danke sagen, die dazu beigetragen haben, dass der Übergang innerhalb der Regierung so gut gelaufen ist, dass wir eine sehr vertrauensvolle und wertschätzende Übergabe hatten.

Das erste Danke gehört dem Bundespräsidenten. Der Bundespräsident hat die Über­gabe und auch die Gespräche, die dann in weiterer Folge stattgefunden haben, auf der einen Seite sehr vertrauensvoll, aber auch sehr zügig durchgeführt, damit in dieser Zeit keine zu lange Lücke entsteht. Auf der anderen Seite gilt mein Dank natürlich auch Alexander Schallenberg, der als Außenminister nach wie vor in meinem Regierungsteam ist, und Sebastian Kurz für all das, was er in seiner Zeit als Bundeskanzler für dieses Land erreicht und getan hat.

Ich freue mich heute besonders, weil auch meine neuen Kolleginnen und Kollegen in der Regierung an meiner Seite sitzen. Bevor ich sie dem Hohen Bundesrat ein bisschen näher vorstelle, möchte ich auch noch dem Vizekanzler als Koalitionspartner Danke sagen, der in dieser auch sehr fordernden Zeit von vornherein vertrauensvoll in der Zu-sammenarbeit und in der Gesprächsführung war. Wir haben sehr rasch mit Klubobmann Gust Wöginger, mit Klubobfrau Sigi Maurer und mit dem Vizekanzler ein gutes Miteinander gefunden, um die Regierung auch rasch wieder ins Arbeiten zu bringen.

Ich freue mich, dass ich mit Finanzminister Magnus Brunner einen guten und vor allem starken Finanzminister finden konnte (Bundesminister Brunner begibt sich zur Regie­rungsbank – Heiterkeit bei ÖVP und Grünen), der auf das Stichwort erscheint und davor noch die Finanzen der Republik gehütet hat – ein schwieriges Unterfangen derzeit, ge­rade auch in der Krisenbewältigung. – Lieber Magnus, ich bin froh, dass du an meiner Seite bist, dass gerade du dich diesem fordernden Thema widmest!

Ich bin aber auch Gernot Blümel dankbar, der als Finanzminister in einer wirklich schwie­rigen Zeit in der Republik viel dazu beigetragen hat, dass wir ein Wirtschaftswachstum von 4 Prozent haben, dass wir in der Arbeitslosenrate auf dem Vorkrisenniveau sind und dass er laut Wirtschaftsprognose für nächstes Jahr – wir werden sehen, was Omikron uns sozusagen noch an Ungemach bringt – da hervorragende Arbeit geleistet hat. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

Ich freue mich, dass ich für das schwierige und sehr fordernde, aber auch für uns hier alle gemeinsam so wichtige Thema Bildung und Wissenschaft Martin Polaschek ge­winnen konnte. – Lieber Martin, ich freue mich auf unsere Zusammenarbeit! Es kommen große Aufgaben auf uns zu. Es geht darum, die Kinder in den Mittelpunkt unserer Arbeit zu stellen, die Kinder, die in dieser Pandemie so gelitten haben und noch weiter leiden, die durch Lockdowns und Co auch Defizite erleiden mussten, was den Bildungsfortschritt betrifft. Es ist unsere gemeinsame Aufgabe, da Lösungen und Antworten vor allem für die Eltern zu finden. Sowohl die Eltern als auch die Kinder waren aus meiner Sicht in der Pandemie ganz große Heldinnen und Helden. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundes­rätInnen der Grünen.)

Ich bin froh, dass ich für das Innenministerium Gerhard Karner gewinnen konnte. Ger­hard Karner ist ein Politprofi. Wir kennen einander lange. Ich schätze Gerhard Karner sehr für seine Klarheit in der Amtsführung und für sein stark ausgeprägtes Grundrechts- und Verfassungsverständnis, was ja als Innenminister zentral ist, da das Innenressort eines der sensibelsten Ressorts ist, wenn es um die Frage der inneren Sicherheit geht, die für uns alle, die hier im Saal sitzen, gleich wichtig und bedeutend ist. – Lieber Gerhard, auch dir ein Danke dafür, dass du gerade bei so schwierigen Herausfor­derun­gen wie Sicherheit, Migration und Terrorismusbekämpfung an meiner Seite stehst! Herz­lich willkommen in meinem Team! (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

Ich habe das Privileg, als Bundeskanzler jetzt eine Staatssekretärin – Claudia Plakolm – mit einem aus meiner Sicht ganz zentralen Thema an meiner Seite zu haben. Ich habe schon über die Kinder und die Familien gesprochen, und natürlich darf man Familien nicht isoliert betrachten. Es gibt eben da auch ganz viele Jugendliche, die in dieser Zeit der Pandemie gelitten haben. Wir erleben das ja eh alle gemeinsam – jeder in seiner Aufgabe: als Bundesräte im Bundesrat, wir als Regierung, Abgeordnete –, dass das Virus alles dominiert: all die Arbeit, die sonst noch geleistet wird, all das, was für die Gesellschaft so wichtig ist, weiter voranzubringen. Ich bin froh, dass die Jugend da die starke Stimme einer Politikerin hat, die sich schon sehr lange mit den Anliegen der Jugend auseinandersetzt, die auch tatsächlich schon als deren Vertreterin gearbeitet hat. – Liebe Claudia, ich freue mich als Bundeskanzler, dass du an meiner Seite bist, aber vor allem auch, dass du dich als Staatssekretärin für dieses wichtige Thema enga­gierst! (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

Mir ist als Bundeskanzler besonders wichtig, zu betonen, was wir ja alle auch spüren und erleben, nämlich dass wir in einer besonders fordernden Zeit sind – einer Zeit, die die Menschen über das normale Maß hinaus belastet. Wir sehen es auch an den Demonstrationen, wir sehen es an dem, dass wir plötzlich Diskussionen über eine Spal­tung der Gesellschaft haben. Aus meiner Sicht ist das Wichtigste an meiner Arbeit jetzt und vorrangig, dass uns klar wird, dass es einen gemeinsamen Feind für uns alle, die wir hier in diesem Raum sitzen, gibt. Auch wenn wir vielleicht für das Thema an sich unterschiedliche Lösungen haben, sind nicht wir, die hier sitzen, einander sozusagen Feind, und schon gar nicht die Menschen, die in Österreich leben – es gibt nicht die Geimpften gegen die Ungeimpften –, sondern es gilt: Wir alle gegen das Coronavirus! (Beifall bei ÖVP und Grünen.) Das müssen wir aus meiner Sicht immer wieder auch in unserer Politik leben und zeigen – und es ist auch mein Versprechen an Sie, dass ich das tun werde.

Daher war es mir ein Anliegen, unmittelbar nachdem ich vom Bundespräsidenten ange­lobt worden bin, das Gespräch mit den Oppositionsparteien zu suchen. Ich habe Pamela Rendi-Wagner getroffen, genauso wie Beate Meinl-Reisinger, habe auch aus meiner Sicht gute und vertrauensvolle Gespräche geführt und werde diesen Kontakt weiter aufrechterhalten. Ich habe beide auch über das Thema Gecko informiert, auf das ich noch zu sprechen komme – da geht es um das Thema Covid-Krisenkoordination –, und ich möchte diese Transparenz in der Gesprächskultur auch weiter aufrechterhalten, weil ich es als notwendig erachte, wenn man in so einer außergewöhnlichen Krise steckt wie wir derzeit, das Bestmögliche zu tun und gemeinsam dagegen zu kämpfen.

Ich habe auch mit Herbert Kickl ein vertrauliches Gespräch geführt. Klar ist, wir vertreten da ganz konträre Positionen; aber für mich ist auch klar, dass das Gespräch und der Dialog auch in einer schwierigen Situation wie der derzeitigen immer im Vordergrund stehen müssen. Auch er wurde von den Maßnahmen betreffend Gecko im Vorfeld informiert, weil mir auch da wichtig ist, dass diesbezüglich Transparenz gilt.

Ich habe Gecko nun schon mehrfach erwähnt. Was steht hinter diesem Begriff? –Hinter dem Begriff verbirgt sich das gesamtstaatliche Covid-Krisenkoordinationsmanagement. Was wollen wir? Wir verfügen über sehr viele Expertinnen- und Expertengremien mit herausragenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern und mehrere Krisenstäbe, die alle herausragende Arbeit leisten – und gleichzeitig zeigt sich durch die Dauer der Pandemie und vor allem durch die permanente Flexibilität des Virus, dass wir auch künftig mit Mutationen, Varianten, wie auch immer, zu rechnen haben, dass es not­wendig ist, die gesamte Expertise in diesem Expertinnen- und Expertenstab zusam­men­zuführen und folglich auch in der Kommunikation mit der Regierung und den Ländern eine klare Struktur zu haben.

Das heißt, wir haben inzwischen eine aus meiner Sicht neue Form der Kommunikation der Expertinnen und Experten untereinander gefunden, die in den neuen Managerinnen und Managern dieser Krisenkoordination mündet. Das ist auf der einen Seite für das Operative Generalmajor Rudolf Striedinger und auf der anderen Seite für die gesamten medizinischen Aspekte Dr. Katharina Reich. Auch heute hat es diesbezüglich schon wieder ein operatives Treffen gegeben, um dieses Zusammenwirken rasch in eine gute operative Form zu bringen. Es gab vertrauensvolle Gespräche. Ich bin beiden sehr dankbar, dass sie sich dieser Herausforderung stellen. Das ist in Zeiten wie diesen eine alles andere als leichte Aufgabe, aber für uns als Bundesregierung ist es tatsächlich ein Gewinn.

Nun, sehr geehrte Mitglieder des Bundesrates, richte ich auch an Sie ein klares Wort: Ich habe großen Respekt vor Ihrer Tätigkeit. Ich durfte Abgeordneter im Nationalrat sein und ich habe davor in meiner Zeit in der Landespolitik und in der Kommunalpolitik viel Erfahrung sammeln dürfen. Die Stimmen der Länder, wenn es um bundespolitische Fragen geht, nämlich dann, wenn Länderinteressen betroffen sind, sind aus meiner Sicht von einem unschätzbaren Wert. Ihre Expertise ist genauso notwendig wie die derjenigen, die über Wahlkreise und Bundeslisten in den Nationalrat gewählt werden. Sie werden von den Landtagen, von den Ländern hierher entsandt, um die Stimme Ihrer Bundes­länder zu sein. Ich biete Ihnen von meiner Seite aus klar die Zusammenarbeit, die Wertschätzung und den Respekt an, weil ich aus meiner Sicht das föderale System der Republik Österreich schätzen gelernt habe. Ich weiß, dass es da immer Heraus­forde­rungen gibt, gerade bei einer Pandemiebekämpfung; aber ich habe auch gelernt, dass man, wenn man klar und offen miteinander kommuniziert, auch in der Lage ist, tat­sächlich Probleme zu lösen.

Das Virus kennt keine Grenzen. Es kennt keine Parteigrenzen, es kennt keine Landes- und keine Staatsgrenzen. Das ist das, was uns alle in Europa antreibt. Ich durfte nun als Bundeskanzler bereits im EU-Rat Österreichs Interessen vertreten und habe da die Zeit genützt, einerseits mit den führenden Regierungschefs der Europäischen Union, aber andererseits vor allem mit der Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zu reden. Die Kommissionspräsidentin hat, was für uns ein Vorteil ist, eine hohe Affinität zu Österreich, weil sie auf der einen Seite auch familiäre Wurzeln hierzulande hat, aber auf der anderen Seite tatsächlich eine Frau ist, die das Geschehen und das, was mit Europa passiert, klar im Blick hat. Es gibt auch tatsächlich, finde ich – und ich bin ein überzeugter Europäer –, viel Gutes zu berichten, auch wenn es natürlich, wie wir alle wissen, auch aufseiten der Europäischen Union am Anfang schwierig war, wenn es um das Corona­krisenmanagement gegangen ist.

Wenn wir allerdings daran denken, dass wir vor einem Jahr null Produktionskapazitäten für Coronavirusimpfstoffe gehabt haben und mittlerweile bei 300 Millionen Dosen im Monat liegen, was nur in einem Jahr erreicht wurde, dann sieht man, was das eigentlich an Zusammenarbeit, an Kooperation und an Durchsetzungskraft bedeutet. Warum ist das strategisch so wichtig für die Europäische Union? – Weil bei 300 Millionen Impf­dosen im Monat sichergestellt ist, dass wir auch in der Lage sein werden – und da führt die Europäische Union –, in der Frage der Entwicklungszusammenarbeit andere Länder zu unterstützen. Schließlich wird es für uns von strategischem Interesse sein, Länder, die zu wenig Impfstoff haben, mit Impfstoff zu versorgen.

Wir sehen es derzeit durch diese Südafrikavariante. Diese ist nicht an sich ein Spezi­fikum Südafrikas, sondern sie ist ein Ausdruck dessen, wie schwierig die Situation im Gesundheitssystem dort oft ist und wie wir aufpassen müssen, wo Virusmutationen möglich sind, weil die Durchimpfungsrate zu niedrig ist. Wenn noch dazu zu wenig Impfstoff vorhanden ist, so ist das ein teuflischer Kreislauf, den die Europäische Union nun durch ihre Schaffenskraft durchbrechen kann, ohne die Interessen der eigenen Länder zu vernachlässigen. Das ist auch wichtig.

Wir sehen, dass Omikron eine Belastung sein wird. Die Welle kommt bestimmt – es ist nur mehr die Frage, wann. Entscheidend wird sein, wie wir darauf vorbereitet sind und wie hoch die Durchimpfungsrate auch im Bereich der Drittstiche ist. Was wir aber auch schon haben, ist die Zusage der Kommission, dass sie mit den wichtigen Pharma­produ­zenten, Biontech/Pfizer und Moderna, gesprochen hat, dass Variantenimpfstoffe bereits Anfang des zweiten Quartals zur Verfügung stehen und die Union uns zusagt, dass die Impfstoffe, die abgerufen worden sind, wenn es noch ältere sind, auch sofort getauscht werden können. Das heißt, die Quantität wird nicht das Problem sein und für die Qualität wird gesorgt.

Wir haben beim EU-Rat auch die Gültigkeit des grünen Passes besprochen. Auch das ist ein wichtiges Thema für Österreich. Der grüne Pass ist aus meiner Sicht ein ganz wichtiges Instrument, um die Reisefreiheit innerhalb der Europäischen Union auch weiter zu gewährleisten. Auch diesbezüglich hat die Kommission einen guten Vorschlag gemacht, der von den Regierungschefs positiv aufgenommen worden ist: die sogenannte Sechs-plus-drei-Variante, also insgesamt 9 Monate Gültigkeit, aber bereits nach dem sechsten Monat beginnt eine 3-Monate-Frist zu laufen, nach deren Ablauf der grüne Pass ungültig wird. Das ist aus europäischer Sicht ein guter Mindeststandard, aber auch da ist es zulässig, dass Nationalstaaten schärfere Regeln einführen.

Nun haben Sie schon wieder gesehen, dass Corona das dominante Thema ist. Ich refe­riere schon einen Großteil der Regierungserklärung darüber. Gleichzeitig ist Corona natürlich auch wichtig: hinsichtlich der Frage der Krisenbewältigung oder der Frage, wie man das Virus einschränken kann – aber so einschränken, dass es nicht weiter unsere Freiheit beschränkt. Die Wissenschaft gibt uns die Möglichkeiten dazu. Das Impfen ist tatsächlich die zentrale Möglichkeit, das zu erreichen. Deswegen ist für mich auch das Wichtige, den Menschen, die sich derzeit noch unsicher fühlen, die Hand zu reichen in einem Gespräch, am besten mit Ärztinnen und Ärzten. Das Vertrauen in die Politik ist, wie wir alle wissen, enden wollend, aber es gilt, den Menschen, die einen in der Frage der Gesundheit schon lange begleitet haben, auch bei schweren Krankheiten, nun das Vertrauen zu schenken und da Gesprächsbrücken zu bilden.

Abseits all dieser wichtigen Maßnahmen betreffend das Coronavirusmanagement ist es wichtig, über das zu reden, was noch vor uns liegt: über die Umsetzung der ökosozialen Steuerreform mit einer Entlastung von 18 Milliarden Euro bis 2025, eigentlich mit einer Neuaufstellung unseres Steuersystems. Der Finanzminister wird in seiner Eigenvor­stel­lung noch darauf eingehen. Man sagt hierzu, dass wir tatsächlich beginnen, sorgsam CO2 zu bepreisen und gleichzeitig darauf zu achten, dass die Menschen auf diesem Weg mitgehen und keine Verliererinnen und Verlierer sind.

Dass es uns weiters nicht egal ist, ob jemand im ländlichen oder im städtischen Raum lebt, dass es uns nicht egal ist, wie sehr die Infrastruktur ausgebaut ist, zeigt, dass diese Bundesregierung mit der ökosozialen Steuerreform einerseits die Notwendigkeit des Klimaschutzes ernst nimmt und auf der anderen Seite genauso zur Kenntnis nimmt, dass es wichtig ist, die Menschen auf diesem Weg der Transformation so mitzunehmen und zu begleiten, dass sie ihn freudvoll mitgehen und nicht als Last empfinden. Das wird eine ständige Aufgabe sein, da wird es auch stetig Nachbesserungen brauchen, da wird es auch Evaluierung brauchen, wie weit man gekommen ist und was man noch tun muss – aber aus meiner Sicht ist die Richtung die richtige. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ich habe es schon in Bezug auf den Bildungsminister angesprochen: Wir haben uns nicht nur über die Boosterimpfungen unterhalten, sondern auch über den Bildungsbooster. Aus meiner Sicht ist das ein wichtiges Thema. Es geht darum, dass wir den Kindern, die während dieser mittlerweile 21 Monate dauernden Pandemie – eine für die Zweite Republik nie dagewesene Herausforderung, wie man sie seit dem Zweiten Weltkrieg in dieser Form nicht mehr erlebt hat –, einen Nachteil erlitten haben, besonders unter die Arme greifen, dass wir die Familien unterstützen und Programme entwickeln, damit Defizite, die entstanden sind, auch wieder aufgeholt werden können. Das ist nicht nur mir ein persönliches Anliegen, weil ich selbst Vater von zwei Kindern bin, sondern ich habe auch gespürt, dass der Bildungsminister eine hohe intrinsische Motivation hat, genau das umzusetzen. Das ist aus meiner Sicht gegenwärtig auch so geboten.

Gleichzeitig – das Bildungsthema ist ja riesig – ist das große Thema der Wissenschaft und der Forschung nicht aus den Augen zu verlieren, und der Grund, weshalb ich in diesem Zusammenhang so froh bin, dass Martin Polaschek als Minister an meiner Seite ist, ist, dass er Unirektor war: Er weiß, was es heißt, eine Universität zu führen und zu managen und dafür zu sorgen, dass der Lehrbetrieb genauso wie sozusagen das Unternehmen Universität funktioniert. Wir werden jetzt beides brauchen: Wir werden in der Bildung inhaltlich vorwärtskommen müssen. Wir müssen die bildungsfernen Schich­ten besser erreichen. Wir müssen in der Wissenschaft und Forschung immer weiter Akzente setzen, weil wir gesehen haben, dass durch die vielen Initiativen, die schon von den Regierungen davor gesetzt worden sind, wir als österreichischer Forschungs­stand­ort tatsächlich auch weltweit wirklich interessant sind und mittlerweile immer interes­santer werden.

Ich konnte mich davon selbst noch als Innenminister überzeugen, als ich bei der TU Graz war. Die TU Graz ist eine Universität mit ganz vielen Kooperationen, einerseits in der Wirtschaft, andererseits auch mit vielen Institutionen. Das Wissen, das dabei vernetzt wird, führt dazu, dass sich heute Tesla und Co ansiedeln und an Softwareentwicklungen teilnehmen, wenn es um Drohnenprogrammierung und Objekterkennungen in selbstfah­renden Fahrzeugen geht.

All das zeigt, wie wichtig es ist, die Basis dafür zu schaffen, das Fundament dafür zu bauen, denn daraus erwachsen dann tatsächlich wieder Arbeitsplätze, die einen Mehr­wert, soziale Sicherheit und einen sozialen Standard in unserer Republik schaffen. (Bei­fall bei ÖVP und Grünen.)

Neben diesen auch sehr inhaltsreichen Themen wie Bildung und Finanzen gibt es ein Thema, das gerade die Familien in Österreich quer durch beschäftigt. Es ist jede und jeder – wahrscheinlich auch die, die hier im Saal sitzen – davon betroffen, wenn es darum geht, wie wir die Pflege so strukturieren, dass sie zukunftsfähig ist. Die Pflege ist deshalb so ein komplexes und großes Thema, weil es ja nicht nur um die institutionelle Pflege geht, die durch Institutionen durchgeführt wird, sondern weil auch ganz viel im familiären Bereich gepflegt wird. Pflegende Angehörige sind, was deren Begleitung, deren Absicherung und die Frage, wie wir als Staat, als Bundesland sie in Zukunft auf diesem Weg unterstützen können, ein großes Thema.

Pflege ist auch ein sehr stark föderal geprägtes Thema. Pflege ist grundsätzlich Kern­kom­petenz der Länder, und gleichzeitig braucht es immer die Rahmenbedingungen, die vorgegeben werden, wie die Ressourcen durch den Bund, um diese großen Fragen in einem Miteinander zu lösen. Der Gesundheitsminister hat damit ein großes und breites Themenfeld vor sich liegen – breit auch, wenn man bei der Pflege über das nachdenkt, was uns das Coronavirus gezeigt hat, dass nämlich bei einer 21 Monate andauernden Pandemie die Menschen, die jetzt in den Krankenhäusern tätig sind, an den Rand der Erschöpfung kommen. Es ist auch wichtig, Strukturen zu haben, mit denen man gerade jetzt Entlastung für die Menschen schafft, die so sehr unter dem Beanspruchen ihrer Fähigkeiten leiden, weil sie nämlich für andere Menschen da sind und diese derzeit auf der Intensivstation oder im Krankenhaus betreuen.

Dazu gibt es viele Initiativen, die jetzt beginnen, Wirkung zu zeigen. Es ist aber ein permanentes Wettrennen, weil uns das Virus mit einer neuen Situation konfrontiert hat. Da es so lange andauert und nicht weggeht, bleibt es als Faktum erhalten, und wir müssen die Gesundheitssysteme so resilient aufbauen, dass sie mit dem Coronavirus und auch allen anderen Formen der Krankheiten und Phänomene in einer Gesellschaft zurechtkommen. Es gibt wertvolle Initiativen, wie die des Arbeitsministers. Mittlerweile konnten 10 000 bis 12 000 Menschen aus der Arbeitslosigkeit für das Thema Pflege­berufe gewonnen werden. Es gibt viele Initiativen auf Landesebene, wie man beginnt, die Systeme zu entlasten. Wie ich gesagt habe, ist es aber ein permanenter Prozess, der aus meiner Sicht nicht so schnell enden wird.

Der Arbeitsmarkt an sich hat sich positiv entwickelt. Wir sind bei der Arbeitslosigkeit auf dem Vorkrisenniveau, was eigentlich unglaublich ist, wenn Sie an die Prognosen den­ken, die wir noch zu Beginn der Coronaviruskrise hatten. Es hat niemand damit gerech­net, dass wir ein Wirtschaftswachstum von 4 Prozent haben.

Die Republik Österreich – in Wahrheit waren das die Steuerzahlerinnen und Steuerzah­ler – hat ein Hilfspaket von 42 Milliarden Euro ermöglicht. Wenn man daran denkt, wie groß der Gesamthaushalt Österreichs ist, ist es eigentlich unglaublich, dass zusätzlich 42 Milliarden Euro gestemmt werden konnten. Jetzt kommt das wirklich Bedeutende an der Nachricht. Der Herr Finanzminister schaut streng, weil er sagt, jetzt ist der Bundes­kanzler zu optimistisch, aber das wirklich Beachtenswerte ist aus meiner Sicht, dass wir trotz des vielen Geldes, das aufgenommen worden ist, um Unternehmerinnen und Unternehmer, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Form der Kurzarbeit zu unter­stützen, sodass sie nicht in eine Existenzfalle geraten, nach wie vor in der Lage sind, unsere Staatsverschuldung abzubauen.

Das ist ein Privileg, das derzeit der Gesamtsituation geschuldet ist. Es ist gut, dass dieser Weg gegangen werden kann. Es war und ist aus meiner Sicht richtig, wenn die Krise vorbei ist, auch auf europäischer Ebene wieder einen nachhaltigen Budgetpfad einzu­schlagen – auch das war Teil des EU-Rates –, denn man muss für die nächste Krise wieder gewappnet sein. Man sieht, wie wichtig und richtig es ist, das Budget voraus­schauend zu planen und zu investieren, denn dann, wenn man es braucht, kann man es abrufen, ohne dass man in größere Schwierigkeiten gerät, so wie es Österreich geschafft hat. Und wer hat es in Wirklichkeit geschafft? Die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler der Republik Österreich haben das durch ihre Arbeitsleistung und die Unternehmerinnen und Unternehmer durch ihre Wirtschaftsleistung möglich gemacht. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ich habe schon vom EU-Rat berichtet. Aus meiner Sicht ist Europa für Österreich nach wie vor die größte Zukunftsoption, weil wir in der Europäischen Union in der Lage sind, uns weit über das Maß hinaus zu vernetzen, Entwicklungen zu erkennen, gemein­schaft­lich um Lösungen zu ringen. Ich kann Ihnen berichten, ich war zutiefst beeindruckt. Der EU-Rat der Regierungschefs hat eine andere Form, als wenn man als Minister dort ist. Wenn man als Minister zu den Räten kommt, dürfen zum Beispiel auch die Mitarbeite­rinnen und Mitarbeiter in den Verhandlungsraum hinein. Wenn man unter den Regie­rungs­chefs miteinander spricht, ist das nicht der Fall. Aufgrund dieser Situation ist das Gespräch enorm offen und ohne diplomatische Floskeln.

Wenn Österreich sich erfolgreich dafür eingesetzt hat, dass Atomenergie zumindest bei diesem EU-Rat nicht als nachhaltige Investitionsform in die Taxonomie aufgenommen wird, ist das nur ein Zwischenerfolg für uns, so ehrlich muss man sein. Wir haben aber Verbündete wie die Bundesrepublik Deutschland und Luxemburg gehabt. Dort wird ganz offen und klar diskutiert, und die Länder, die in ihrer Position sagen, sie brauchen Atom­strom, argumentieren mit der gleichen Leidenschaft dafür, wie wir dagegen argumen­tieren.

Das werden dann gleich tatsächlich auch ganz sensible Themen im diplomatischen Mit­einander: Schreiben Deutschland, Österreich und Luxemburg jetzt Ländern wie Polen, Tschechien, der Slowakei vor, wie sie zukünftig Wirtschaftswachstum oder Energiever­sor­gung vorzunehmen haben? Das wird dann gleich eine sehr leidenschaftliche Dis­kussion, aber das Gute daran ist, sie wird offen geführt. Man kann sich im wahrsten Sinne des Wortes ausreden, man kann die gegenseitigen Standpunkte klarmachen, denn für Österreich ist nun einmal das Thema Atomenergie ein ganz zentrales.

Wir sind das einzige Land der Welt, das ein fertiges Kernkraftwerk inklusive Brennstäbe nicht in Betrieb genommen hat und seitdem ein klares und glaubwürdiges Bekenntnis abge­ge­ben hat, dass Atomenergie für Österreich keine Alternative ist, auch weil wir die Gefähr­lichkeit von Atomenergie erkennen. Viele von Ihnen können sich noch an Tscher­nobyl erinnern, die Jüngeren an Fukushima und an all die Folgen, die damit verbunden sind.

Auf der anderen Seite müssen wir als Österreicher verstehen, dass andere Länder, die von der Natur nicht so begünstigt sind, wie es Österreich ist, andere Betroffenheitslagen haben.

Das meine ich damit: Das ist gemeinsames europäisches Denken. Das ist dieses ge­meinsame Ringen um Lösungen, auch wenn die Lösung oft sehr komplex und schwierig ist. Das Beeindruckende dabei ist aber, dass es eben möglich ist, dann auf Augenhöhe auseinanderzugehen und sich wieder in Wertschätzung und Freundschaft zu begegnen. Das macht aus meiner Sicht den Wert der Europäischen Union aus. Es wird auch klar sein, dass die österreichischen Interessen in der Europäischen Union klar und stark ver­treten werden. Ich freue mich auf eine gute Zusammenarbeit mit dem Bundesrat. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

13.28

Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Ich danke dem Herrn Bundeskanzler für seine Ausführungen.

Inzwischen ist Herr Bundesminister Dr. Magnus Brunner bei uns eingetroffen. – Herzlich willkommen bei uns im Bundesrat! (Allgemeiner Beifall.)

Nunmehr erteile ich Herrn Vizekanzler Kogler zur Abgabe einer Erklärung das Wort. – Bitte sehr.