9.33

Bundesrätin Andrea Kahofer (SPÖ, Niederösterreich): Hohes Präsidium! Werte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher zu Hau­se! Ich bin, ich möchte schon fast sagen, sehr beruhigt, Sie heute hier zu sehen, Frau Ministerin. Ich hatte schon Angst, dass Sie der Regierung abhandengekommen sind, denn wir haben in der Krise, in der Regierungskrise und auch vor und während des vierten Lockdowns, nicht wirklich viel von Ihnen gehört. Mit „wir“ meine ich die Unterneh­merInnen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesräte Ofner und Steiner.)

Na ja, gelesen hat man etwas – eine Unterschrift auf einem ominösen Papier, wonach Sie ja aus der Regierung ausscheiden würden, wenn Sebastian Kurz geht. (Bundesrat Steiner: Die Tiroler ÖVP hat immer dann ...!) Und einmal habe ich etwas gehört, das ich in der momentanen Situation für nicht sehr angebracht halte: eine Aussage, in der Sie die Wiener Unternehmerinnen und Unternehmer kritisieren, dass Aufholbedarf bestehe, was die Sonntagsöffnungszeit betrifft. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich denke, diese kontroverse Diskussion jetzt, in dieser Situation, den Unternehmerinnen und Unternehmern auch noch zuzumuten und ihnen das vorzuwerfen (Zwischenruf des Bundesrates Bader), ist nicht in Ordnung. (Beifall bei der SPÖ.)

Ja, der letzte Sonntag, dieser eine Tag mit den 180 Millionen Euro, war sicherlich gut für die Wirtschaft, war sicherlich wichtig. Gerettet hat er bestimmt nichts. Am meisten wäre den Unternehmerinnen und Unternehmern geholfen gewesen, wenn Sie, Frau Ministe­rin, sich dagegengestellt hätten, als Ihre Regierung das Epidemiegesetz ausgehebelt hat, denn dann wären diese Unternehmerinnen und Unternehmer keine Bittsteller, die sich von Lockdown zu Lockdown hanteln und in einer Warteschleife warten müssen, ob, wann und wie viel an Wirtschaftshilfe sie bekommen werden. (Beifall bei der SPÖ.) Diese Warteschleife dauert manchmal so lange, dass es die Unternehmen trotz der immensen Kraft, die unsere Unternehmerinnen und Unternehmer haben, nicht überleben.

Zu den Wirtschaftshilfen möchte ich schon eines sagen: Der Verlustersatz von 40 Pro­zent für den Monat Oktober, in dem 30 Prozent der Tage Lockdown war, war schon fast ein Schildbürgerstreich.

Nun aber zum Thema der Aktuellen Stunde: Wohlstand, Fortschritt. Ich möchte einmal mit Wohlstand beginnen. Diesen hätte sich so manche kleine Unternehmerin und so mancher kleine Unternehmer sehr, sehr gerne erwirtschaftet, während sie zusehen mussten, wie die großen Handelsketten von den Socken über Kleidung und Elektroge­räte bis hin zu den Haushaltsgeräten alles verkauft haben, was jetzt bei ihnen in den Lagern liegen bleibt. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie haben zwar zaghaft angemerkt, der Handel sei nicht das Zentrum der Ansteckun­gen – ja, das stimmt –, Alternativvorschläge habe ich nicht gehört. Die UnternehmerIn­nen haben aber auch das wieder mitgetragen, aus dem Wissen heraus, dass Gesundheit unser höchstes Gut ist. Ich möchte aber schon auch Folgendes sagen: Auch die Ge­sundheit der Unternehmerinnen und Unternehmer ist ein hohes Gut. Der Sozialdemokra­tische Wirtschaftsverband fordert jetzt schon so lange, dass Kleinstunternehmen mit unter fünf Mitarbeitern ab dem vierten Tag Krankengeld bekommen sollen, unabhängig davon, ob die jeweiligen Personen 43 Tage krank sind oder nicht, denn für sie ist Krank­heit nicht nur lebensgefährlich, sie ist auch existenzbedrohend für sie und ihre gesamten Familien. (Beifall bei der SPÖ.) Da verschwimmt die Grenze vom Wohlstand zum Leer­stand sehr.

Ja, Wohlstand muss das Ziel sein. Jetzt aber ist das Ziel Existenzsicherung. 4,3 Prozent allgemeine Inflation mag sich im Moment als Zahl nicht so erschreckend anhören, wenn wir aber den Miniwarenkorb anschauen, in dem die Treibstoffe drinnen sind, in dem Energie drinnen ist, sind wir bei 10 Prozent. Unsere energieabhängigen Produzenten – die kleinen – stemmen das nicht! Sie können das nicht mehr schaffen! Und: Die Kaufkraft schwindet, denn es ist ja auch für die Menschen immer teurer.

Das zweite Wort ist Wachstum. Wirtschaftswachstum ist ein sehr heikles Pflänzchen. Das wuchert nicht wie Unkraut. Es braucht eine ordentliche Basis, gute Erde und gute Pflege. In der Pandemie muss für die Zukunft vorgesorgt werden. Was wir schon gehört haben – da hat Frau Kollegin Zwazl natürlich recht –: Wir brauchen Fachkräfte. Ohne Fachkräfte gibt es kein Wachstum, und diese Fachkräfte brauchen Kinderbetreuung. Bessere Kinderbetreuung erleichtert die Selbstständigkeit und wirkt dem Fachkräfte­mangel entgegen. (Beifall bei der SPÖ.) Leider ist mein Bundesland Niederösterreich da sehr säumig. Dass beide Elternteile Vollzeit arbeiten, ist angesichts der Öffnungszeiten der Kinderbetreuungseinrichtungen sehr, sehr schwer.

Wachstum braucht auch Investition. Für Einpersonenunternehmen ist es sehr, sehr schwer, gerade aus der Krise heraus, zu investieren. Deshalb fordert auch da der SWV schon so lange eine Möglichkeit auf steuerfreie Investitionsrücklagen, so wie Kapitalge­sellschaften das haben.

Jetzt wird es kompliziert, jetzt kommen wir zum Fortschritt: Mit Verlaub, Frau Ministerin, wie Sie auf das Thema zugehen, erschließt sich mir nicht. Da ist mein Vertrauen enden wollend. Das Kaufhaus Österreich ist für mich nicht vergessen, auch wenn es zu ver­gessen ist. (Beifall bei der SPÖ.) Sie haben sich nie mit einem Wort für die Steuer­million – es war eigentlich über 1 Million Euro –, die da in den Sand gesetzt wurde, bei den Unternehmerinnen und Unternehmern entschuldigt.

Ich habe wieder hineingeschaut, ich habe Schmuck gegoogelt. Es wurden mir einige Firmen vorgeschlagen, und dann kam: Nichts Passendes gefunden? Dann googeln Sie, aber bitte in Österreichdomains! – Das ist eh lieb, aber kein Fortschritt! (Beifall bei der SPÖ.)

Zum Fortschritt gehören auch technische Voraussetzungen und dazu gehört der Glasfa­serausbau. Diesen braucht es jetzt! Ohne schnelles Internet haben Kleinst- und Kleinun­ternehmen, Einpersonenunternehmen einen großen Wettbewerbsnachteil. Diese kön­nen dann innovative Ideen nicht umsetzen, Entwicklungsschritte nicht setzen. In Nieder­österreich wird so viel davon geredet, aber der Ausbau lässt auf sich warten. In einigen Gemeinden in meinem Bezirk wurden Umfragen gemacht, denn wenn mehr als 40 Pro­zent der Haushalte den Glasfaserausbau finanzieren, dann kommt er. Frau Ministerin, Glasfaserausbau ist Grundversorgung, das gehört in die öffentliche Hand! (Beifall bei der SPÖ.) Das darf nicht davon abhängen, wie viele Haushalte mitfinanzieren. Da geht es um die Sicherung des Wirtschaftsstandortes und auch um diesen vielbeschworenen ländlichen Raum und dessen Entwicklung, denn wenn nicht einmal Homeoffice gemacht werden kann, dann wird es Abwanderung geben. – So viel zu den Eingangsworten des Herrn Präsidenten Raggl.

Zum Schluss: Verantwortung für die österreichische Wirtschaft und den Wirtschafts­standort zu übernehmen bedeutet auch, dem Tiroler Wirtschaftsbundobmann Hörl und Ihrer Ministerkollegin Köstinger nicht zu ermöglichen, dass Tausende Skifahrer aus Ka­tastrophengebieten zu uns gebracht werden. Ab Freitag gibt es Einreisebeschränkun­gen. Ihre Aufgabe ist es, den Wirtschaftsstandort nachhaltig zu schützen. Dazu gehört auch, dass Sie verhindern müssen, dass uns Omikron, worüber wir jetzt schon verhee­rende Prognosen präsentiert bekommen – ich hoffe nicht, dass sie eintreten –, überrollt. Wie stehen wir dann erstens einmal gesundheitlich in diesem Land da? Wie stehen die UnternehmerInnen dann nach dem nächsten Lockdown da? Diesen gilt es hinauszu­zögern und zu verhindern. Wie stehen wir international da? Der Ruf ist schon lange nicht mehr der, der er einmal war.

Wenn das beherzigt wird, dann wird es auch etwas mit Wohlstand, Fortschritt, mit Wachstum und mit dem Wirtschaftsstandort Österreich. Die Unternehmerinnen und Un­ternehmer tragen alles Menschenmögliche dazu bei. Ihnen gilt mein, unser Dank. Es ist unglaublich, wie leidgeprüft diese in den letzten beinahe zwei Jahren sind, was sie ge­leistet haben, worauf sie verzichtet haben, wo sie durchgewandert sind.

An dieser Stelle möchte ich all den Unternehmerinnen und Unternehmern eine schöne Weihnachtszeit wünschen. Auch sie brauchen ein bisserl Zeit und Raum für sich und ihre Familien. Es war eine schwere Zeit. (Beifall bei der SPÖ.) Danke an unsere Un­ternehmerinnen und Unternehmer, die Österreich am Laufen halten! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

9.44

Präsident Dr. Peter Raggl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Johannes Hübner. Ich erteile ihm dieses.