9.55

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident, auch im Namen meiner Fraktion möchte ich mich ganz herzlich für die Präsidentschaft in wirklich schwierigen Zeiten bedanken. Sie haben das ausgesprochen gut gemacht, und ich muss gestehen, ich werde diesen Akzent, den ich wirklich gerne höre, durchaus vermissen; aber Vorarl­bergerisch ist auch sehr schön, das möchte ich hier auch betonen. Vielen herzlichen Dank!

Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren hier ja über den Wirtschaftsstandort. Herr Präsident, eigentlich betrifft das Motto Ihrer Präsidentschaft, „Starke Regionen, starke Republik“, durchaus auch eine Wirtschaftsstandortfrage und ist so auch klug gewählt, auch wenn ich als Wiener Bundesrat natürlich den starken urbanen Raum betonen möchte; den brauchen wir ja für einen guten Wirtschaftsstandort auch, der ist auch ganz wichtig, auch im internationalen Kontext. Genau diese Entwick­lung von Kreislaufwirtschaft, von regionalen Produkten, von regionaler Versorgung ist ja auch ganz wichtig für einen Wirtschaftsstandort, aber natürlich darf man auch die In­ternationalität nicht übersehen.

Was ich sehr wichtig finde, wenn wir über den Wirtschaftsstandort sprechen: Das ist ja nicht nur eine Frage des Wirtschaftsministeriums, es ist eine Querschnittsmaterie – ich glaube, das muss man immer wieder betonen –, zum Beispiel eine Querschnittsmaterie mit dem Bildungsministerium hinsichtlich Bildungsfragen oder mit dem Klimaschutzmi­nisterium im Bereich Klimaschutz. Auf den Klimaschutz wird mein Kollege Adi Gross, der das viel besser kann als ich, noch genauer eingehen.

Wenn wir uns derzeit die Wirtschaftsstandortfragen anschauen, dann müssen wir uns natürlich auch die Herausforderungen anschauen. Es ist schon gesagt worden: Natürlich ist die Covid-Krise jetzt eine der Hauptherausforderungen, die wir haben, darum kom­men wir gar nicht herum, und das hat eine ganze Reihe an Folgen, etwa die Lieferket­tenproblematik, die wir durchaus auch haben, Inflationsraten, die uns natürlich Sorgen machen, die mit der Covid-Krisenbewältigung zu tun haben.

Weil die zwei VorrednerInnen sehr stark kritisiert haben, was gemacht worden ist, möch­te ich aber schon auch betonen, was zum Beispiel in Sachen Investitionsprämie in die­sem Land geleistet worden ist. Ich werde – international – wirklich angerufen und ge­fragt: Wie habt ihr das gemacht? (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenruf bei der FPÖ.) So zu fördern, genau in den Bereichen, die zukunftsträchtig sind (Bundesrat Spanring: Drittschlechtestes ... in der ganzen EU, das musst einmal schaffen!), weil es für unsere Wirtschaftsstandortpolitik auch ganz wichtig ist, dass wir überall digitale Kom­petenz haben, auch in den Unternehmen, dass wir in den Klimaschutz investieren, auch in den Unternehmen, und dass wir in Lifescience investieren, auch in den Unternehmen, das ist einzigartig, und ich bin – das sage ich ganz offen – sehr stolz darauf. (Ruf bei der SPÖ: Parallelwelt!)

Betreffend Fachkräftemangel – der ist ja auch schon angesprochen worden – ist na­türlich die Ausbildung ein Schlüssel für die Entwicklung des Wirtschaftsstandortes. Wenn man über den Fachkräftemangel spricht, muss man schon auch über gewisse Herausfor­derungen sprechen, vor denen wir in Österreich noch stehen; das ist sehr herausfor­dernd, und da muss man im Sinne des Wirtschaftsstandortes natürlich auch eng mit dem Bildungsministerium zusammenarbeiten.

Ich kann nicht so leidenschaftlich wie Frau Kollegin Zwazl für die Lehrlinge werben, das macht sie immer sehr eindrücklich, aber natürlich brauchen wir, wenn wir einen Fachkräf­temangel haben, auch Unternehmen, die diese Fachkräfte ausbilden; das ist enorm wichtig, und da kann man gar nicht genug Werbung machen. Wir wissen, und das ist schon eine Herausforderung, dass Bildungsnähe und Bildungsferne – auch wenn ich dieses Wort eigentlich gar nicht mag – in Österreich noch sehr stark vererbt werden. Da haben wir Nachholbedarf, da müssen wir ein viel durchlässigeres System schaffen. Wir brauchen ein Bildungssystem, das auch die sogenannten bildungsfernen Schichten stärker an Bildung heranführt. À la longue werden wir im Zusammenhang mit Fachkräf­ten natürlich auch über Migration sprechen müssen, und – seien wir uns ehrlich – wir sollten auch nicht Menschen loswerden wollen, die wir ausgebildet haben und die in Berufen arbeiten, die wir dringend brauchen. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrä­tInnen der SPÖ.)

Ein wichtiger Punkt, das sei mir schon noch gestattet: Wir kennen das ja – und als Wiener Bundesrat kenne ich das natürlich ganz gut –, es gibt immer diese Umfragen betreffend die internationale Ansiedlungspolitik. Wo werden Unternehmen ihre Standorte ansiedeln?

Da gibt es immer diese berühmte Mercerstudie – und Mercer, das wissen wir ja, ist nicht unbedingt ein sehr linksliberaler Mensch, sondern eher ein Trumpist, aber es ist schon interessant, welche Kriterien internationale Firmen anwenden, wenn sie sich überlegen, wo sie sein wollen. Da sind die Steuerfragen und die wirtschaftspolitischen Fragen nur zwei Themenbereiche von ganz vielen. Da geht es um Kulturangebot, da geht es um Infrastruktur, da geht es um die Frage, welchen öffentlichen Verkehr es vor Ort gibt, welches Bildungsangebot es für die Kinder gibt, wie es mit Elementarpädagogik, die mit öffentlichem Verkehr erreichbar ist, ausschaut und so weiter. – Wien ist in diesen Studien immer sehr stark, das ist auch eine wichtige Sache. Wien hat Anziehungskraft für inter­nationale Unternehmen – das ist auch gut so.

Einen Punkt möchte ich aber noch ansprechen, denn mit dem beschäftige ich mich schon seit vielen Jahren, und heute habe ich einmal die Gelegenheit, das hier auch los­zuwerden. Wenn es auf diesem Gebiet nämlich einen Experten gibt, den ich Ihnen wirk­lich ans Herz legen kann – lesen Sie seine Bücher! –, ist das Richard Florida. Richard Florida ist ein Sozialwissenschafter, und er hat etwas sehr Interessantes gemacht – er hat damit in den USA angefangen und dann bemerkt, dass es international funktioniert. Er hat sich vor allem mit der Kreativwirtschaft beschäftigt, und als Obmann der Fach­gruppe Werbung und Marktkommunikation und selber als Unternehmer in diesem Be­reich habe ich natürlich sehr viele Anknüpfungspunkte mit der Kreativwirtschaft.

Er hat sich angeschaut, in welchen Städten und welchen Regionen die Wirtschaft in diesem Bereich am erfolgreichsten ist. Zufällig hat eine Kollegin von ihm eine Liste von Städten, wo es eine besonders intensive Diversitätspolitik gibt, gemacht: Wo haben Frauen gute Chancen? Wo gibt es Antirassismusmaßnahmen? Wo gibt es eine leben­dige LGBTIQ-Kultur? Wo gibt es ein lebendiges Kulturangebot? – Und siehe da: In den Städten und in den Regionen, in denen eine Kultur der Vielfalt sehr gelebt wurde, war auch die Wirtschaft am erfolgreichsten. Das finde ich schon interessant, dass wir dann, wenn wir auch aktiv Diversitätspolitik betreiben – die Frauen, die MigrantInnen, die LGBTIQs unterstützen – tatsächlich auch Wirtschaftspolitik und Standortpolitik machen, weil man in diesen Städten natürlich auch lieber arbeitet als anderswo und weil sich internationale Firmen dort auch lieber ansiedeln.

Ich möchte noch kurz zum Bereich Digitalisierung etwas sagen. Wir beide (in Richtung Bundesministerin Schramböck) haben schon öfter mit dem Thema zu tun gehabt. Es ist keine Frage, dass die Herausforderung der Digitalisierung vor allem bei unseren KMUs, in unserem von KMUs dominierten Wirtschaftssystem ein ganz wichtiges Thema ist. Mit KMU digital ist da wirklich etwas Gutes geschaffen worden, das halte ich auch für wichtig. Ich glaube, das muss man auch ausbauen, das gehört auch noch näher an die Betriebe heran. Das ist eine tolle Initiative.

Vielleicht ist auch Folgendes ganz interessant – wenn ich heute schon mit Studien und Richard Florida dahergekommen bin –: Es gibt eine andere interessante Studie, die ich mir diesbezüglich angeschaut habe, nämlich eine von Katharina Dengler und Britta Martthes, die sich die „Folgen der Digitalisierung für die Arbeitswelt“ angeschaut haben. Was ich nämlich schon auch interessant finde: Wenn wir über digitale Kompetenzen sprechen, müssen wir auch immer über humane Kompetenzen sprechen – was kann die digitale Arbeit nicht machen?

Das ist ganz interessant: Die beiden haben festgestellt, dass 70 Prozent der Arbeit, die wir vollbringen, nicht von Computern zu erledigen sind, einfach weil das Empathische, das Menschliche, das Kreative, das Menschen können, gar nicht ersetzbar ist. Bei den 30 Prozent, die durchaus ersetzbar sind, ist deren These sogar – das fand ich ganz spannend –, dass durch die Artificial Intelligence, durch Robotik und durch Digitalisie­rung ganz viele neue Berufe entstehen, die deutlich mehr sind als das, was wir verlieren werden. Das heißt aber natürlich auch, dass wir die Kompetenzen brauchen, dass wir die Menschen brauchen. Das heißt, was wir eigentlich auch brauchen, ist, dass wir Men­schen ein bisschen die Angst vor der Digitalisierung nehmen, da nämlich Robotik, Arti­ficial Intelligence, mehr Digitalisierung auch eine Chance darstellen, denn wenn man sich da gut auskennt, ist man international vorne, und das halte ich für ganz wichtig.

Ein Satz noch zum Schluss: Wir haben in den letzten Jahren immer, wenn es um Wirt­schaftspolitik geht, sehr oft und gerne viel über Start-ups gesprochen. Das halte ich auch für wichtig, aber es gibt natürlich auch viele Betriebe, die es schon gibt, und die müssen wir selbstverständlich in genau demselben Ausmaß mitnehmen wie die Start-ups. Das halte ich immer für ganz wichtig. Wir sollten die bestehenden Betriebe nicht verlieren, wenn es um den Bereich Innovation, Digitalisierung, Klimaschutz und Lifescience geht.

In dem Sinne wünsche ich für die Strategie alles Gute. Ich glaube, wir müssen da alle eng zusammenarbeiten, auch in der Region. Ich finde es auch wichtig, dass wir das im Bundesrat diskutieren, weil es tatsächlich nicht nur eine Frage der Bundesebene ist, sondern wirklich für jede Region, für jede Gemeinde, für jedes Bundesland. – Herzlichen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

10.05

Präsident Dr. Peter Raggl: Für eine erste Stellungnahme hat sich Frau Bundesmi­nisterin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Schramböck zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihr. Auch ihre Redezeit soll 10 Minuten nicht überschreiten. – Bitte.