11.27

Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Hoher Bundesrat! Es sind tatsächlich in vielerlei Hinsicht schwierige Zeiten, und die Teuerungswelle, die uns erreicht, muss man ernst nehmen. Ich bin froh, dass der Bundesrat da die gleiche Einschätzung hat. Ja, es ist auch selbstverständlich, dass Maßnahmen der Regierung in jeder Vielfalt kritisiert werden.

Ich möchte noch auf Bundesrat Gross replizieren, weil dieser hier ein größeres Bild ge­zeichnet hat.

Wir haben tatsächlich eine sehr ernste Situation zwischen der Ukraine und der Russi­schen Föderation. Die Eskalation, die sich derzeit an der Grenze abspielt, gibt tatsächlich Anlass zur Sorge. Die Russische Föderation ist derzeit in der Lage, auf Knopfdruck eine Invasion gegenüber der Ukraine vorzunehmen. Das weiß die Russische Föderation auch, und sie setzt das politisch gezielt ein.

Auf der anderen Seite bemüht sich die Europäische Union mit allem Nachdruck darum, den Dialog weiter fortzuführen. Es wurde das Normandie-Format wieder ins Leben gerufen, das sehr wichtig ist. Dabei kommen die Ukraine, die Russische Föderation, Deutschland und Frankreich an einen Tisch. Das ist aus meiner Sicht jetzt ganz we­sentlich und wichtig. Daneben unterstützen europäische Mitgliedstaaten die Ukraine di­rekt, so wie das auch Österreich tut.

Ich habe mit dem ukrainischen Ministerpräsidenten gesprochen. Wir werden uns zu ei­nem großen ukrainischen Wirtschaftsforum treffen, denn die Ukraine ist darum bemüht, auch in dieser angespannten Zeit Normalität zu signalisieren, um auch da den Druck herauszunehmen und vor allem aber auch einem Wachstumsprozess weiter Folge zu leisten, der für die Ukraine selbst wichtig ist. Österreich folgt dieser Bitte der Ukraine und unterstützt sie dabei auch.

Offensichtlich gab es eine sehr gut akkordierte Strategie vonseiten der Russischen Fö­deration und dem Gazprom-Konzern. Die Energiespeicher wurden nur bedingt gefüllt, was dazu führt, dass sich der Gaspreis tatsächlich dramatisch erhöht hat. Die Versor­gungslage ist gesichert, aber natürlich wird durch die Preise jetzt auch eine angespannte Situation sichtbar. Gas ist so teuer wie noch nie. Das führt zu der absurden Situation, dass unser deutscher Nachbar momentan Strom, der aus Braunkohlekraftwerken ge­wonnen wird, billiger ins Netz einspeisen kann als Strom aus Gaskraftwerken, was an sich schon eine Perversion darstellt.

Das heißt, es gibt eine sehr ungute Gemengelage, was das Thema Energiekosten be­trifft, und darüber hinaus auch eine Inflation, die wir ernst nehmen und die sich zu einem Teil eben aus den Energiekosten zusammensetzt, aber auch andere Teuerungsbereiche beinhaltet, die man angehen muss, um den Menschen tatsächlich Entlastung zu geben. Das haben wir getan. Aus meiner Sicht ist auch da immer der systemische Blick not­wendig.

Was meine ich damit? Wir haben auf der einen Seite die sehr große ökosoziale Steu­erreform beschlossen. Jetzt ist es aus meiner Sicht ganz wichtig, Ursache und Wirkung auseinanderzuhalten. Die CO2-Bepreisung, die da festgesetzt worden ist, ist mit einem großen Transformationsbegleitprozess verbunden, das heißt, dass die Kosten, die da­raus entstehen, abgefedert werden und die ökosoziale Steuerreform insgesamt ein Volu­men von 18 Milliarden Euro hat, das ist tatsächlich viel Geld. Sie beginnt dort zu wirken, wo es notwendig ist. Wir haben ja schon einmal gemeinsam eine Entlastungsmaßnah­me beschlossen, nämlich die, dass wir die Steuerkosten einer Steuerstufe von 25 auf 20 Prozent reduziert haben. Jetzt wird die nächste Steuerstufe angegangen, nämlich eine Reduktion von 35 auf 30 Prozent.

Die ökosoziale Steuerreform umfasst aber viele Bereiche mehr, die auch nicht unmittel­bar zusammenhängen: Bezieherinnen und Bezieher von kleinen Pensionen haben eine Pensionserhöhung erhalten; es gibt eine Negativsteuer, das heißt, diejenigen, die keine Steuer zahlen, werden bei den Sozialversicherungsbeiträgen entlastet. Ich will das nur dazusagen, weil Sie natürlich gleichzeitig in Ihrer Befürchtung recht haben, dass diese Entlastungsmaßnahmen durch die Inflation und durch die steigenden Preise relativiert werden.

Genau deshalb haben wir uns dazu entschlossen, dieses Antiteuerungspaket jetzt in Angriff zu nehmen und zu beschließen, das sind 1,7 Milliarden Euro. Das ist aus meiner Sicht gut und richtig investiertes Geld. Die Maßnahmen im Einzelnen wurden schon beschrieben: Die Ökostrompauschale wird ausgesetzt, es gibt den Teuerungsausgleich für sozial Schwache  das ist echtes, aus meiner Sicht auch hier richtig investiertes Geld, es handelt sich dabei um eine Verdoppelung, nämlich von 150 Euro auf 300 Euro für sozial schwache Haushalte –, und dazu gibt es auch noch den Energiekostenausgleich für alle Haushalte. Das zu erwähnen ist für mich deshalb wichtig, weil es da einen syste­mischen Ansatz gibt, da die Teuerung ja alle trifft, zwar unterschiedlich hart, aber trotz­dem spürbar.

Es hat einen Energiegipfel vonseiten der Bundesregierung mit den Energieversorgungs­unternehmen gegeben, wir sind in sehr engem und gutem Austausch, und auch die werden einen Beitrag dazu leisten, dass die Belastung für die Menschen eine geringere wird.

Ja, es braucht auch einen systemischen Ansatz, wenn es darum geht, den Wirtschafts­standort Österreich zu entlasten. Das muss inkludiert sein und wird auch ein Teil sein, mit dem wir uns ernsthaft auseinandersetzen. Wir haben dort schon eine Maßnahme erreicht: dass Gewerbebetriebe mit bis zu 67 000 Euro entlastet werden, weil die Öko­strompauschale ausgesetzt wird. Das ist ein Teil eines Maßnahmenpaketes. Dieses Antiteuerungspaket wird wahrscheinlich nicht das letzte sein, auch da haben Sie recht. Diese Bundesregierung hat sich vorgenommen, genau da die Menschen in dieser schwie­rigen Situation nicht im Stich zu lassen.

Gestatten Sie mir aber auch noch ein Wort zu dem vielen, das gesagt worden ist, und aus meiner Sicht wurde auch vieles miteinander verwischt und vermischt. Wir sind in einer insgesamt angespannten Situation. Ja, die Coronapandemie hat der Wirtschaft und den Menschen an sich in vielerlei Hinsicht massiven Schaden zugefügt. (Bundesrat Steiner: ... Maßnahmen waren es!) Das Besondere dabei ist aber – weil Sie angeführt haben, dass Österreich weniger gut durch die Krise gekommen sei –, dass einfach der Faktenbefund ein anderer ist.

Wir haben mit einem Wirtschaftswachstum von 4 Prozent im letzten Jahr und einem prognostizierten Wirtschaftswachstum von 4,5 Prozent für dieses Jahr eine Situation, wie sie uns Experten letztes Jahr nicht vorhergesagt haben; man hat letztes Jahr von Rezession gesprochen, man hat von Massenarbeitslosigkeit gesprochen. (Bundesrat Steiner: Das kommt noch!) Wenn man sich an den Fakten orientiert, dann sieht man, dass wir einen Beschäftigungsstand auf einem Niveau wie vor der Krise haben. Wir ha­ben momentan das Problem, dass wir zum Beispiel in Oberösterreich, einem Industrie­bundesland, de facto Vollbeschäftigung haben und händeringend Fachkräfte suchen.

Das heißt, worauf ich hinweisen möchte: Es gilt, wirklich genau dort hinzuschauen, wo die Pandemie schwere Narben hinterlassen hat (Bundesrat Steiner: Die Maßnahmen!), dort hinzuschauen, wo Menschen nach wie vor in einer betroffenen Situation sind. Wozu ich aber auch ermuntern möchte – ich finde, das ist auch eine gute und positive Aufgabe in der Politik –, ist, nicht alles, was jetzt gerade passiert, nur schwarzzumalen und damit die Menschen noch einmal zu belasten, sondern den Blick auch darauf zu richten, dass es Hoffnung und Perspektive gibt. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

Das ist aus meiner Sicht in einer Pandemie wichtig und richtig. Ich bin mir dessen be­wusst, dass wir nicht aufhören dürfen, dort Nachschau zu halten, wo Menschen nach wie vor betroffen sind, aber das, was gemeinsam geleistet worden ist, dass die Republik Österreich – und damit die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler – 42 Milliarden Euro Hilfsgelder in die Hand genommen hat, um die Wirtschaft zu stabilisieren, um Arbeitsplät­ze zu sichern und damit dieses Wachstum erst möglich zu machen (Ruf bei der FPÖ: Das glaube ich, ...!), ist eine große Leistung (Bundesrat Steiner: 8 Millionen für Benko!  Bundesrat Spanring: 1,8 Millionen für Ho!), nämlich wenn man bedenkt, dass es uns trotzdem gelungen ist, die Staatsschulden dabei abzubauen.

Das ist eine besondere Situation, das ist auch der Zinspolitik der Europäischen Zentral­bank geschuldet, aber man muss es zusammenziehen und man muss es gemeinsam betrachten, da wir auch dazu verpflichtet sind, den Menschen eine Perspektive zu geben und zu zeigen, dass es in Österreich wieder aufwärtsgeht, dass das, was wir gemeinsam erreichen können, wenn wir in einer nach wie vor einzigartigen Krise in der Zweiten Re­publik zusammenstehen, positiv ist. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

11.35

Vizepräsident Günther Novak: Danke, Herr Bundeskanzler.

Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren TeilnehmerInnen an der Aktuellen Stunde nach Beratung in der Präsidialkonferenz 5 Minuten nicht übersteigen darf.

Zu Wort gemeldet ist Herr Mag. Christian Buchmann. Ich erteile ihm das Wort.