12.10

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Frau Vizepräsidentin, zunächst herzliche Gratulation und alles Gute in Ihrem neuen Amt! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrter Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Steuerreform, die irreführenderweise den Titel ökosoziale Steuerreform trägt, verdient diesen Namen und auch unsere Zustimmung – aus vielerlei Gründen, die ich im Einzel­nen gerne erläutern werde – leider nicht.

Erstens: Die Einkommensschere zwischen Arm und Reich geht weiter auf. Wer mehr hat, bekommt mehr, dieses Prinzip scheint sich wie ein türkis-grüner Faden durch die gesamte Steuerreform zu ziehen. Das zeigt sich beispielsweise im Geschlechterver­hältnis, was auch Kollegin Schumann heute schon angesprochen hat: Frauen haben das Nachsehen und können nur zu rund 31 Prozent vom Gesamtentlastungsvolumen profi­tieren.

Zweitens: Die Schieflage, dass der Staat großteils durch die arbeitenden Menschen finanziert wird, wird weiter verstärkt. Lohn-, Einkommen- und Konsumsteuern speisen den Großteil des Staatshaushaltes, während Kapital und Vermögen noch mehr ver­schont werden. Ein großes Problem ist die Tatsache, dass die Gegenfinanzierung fehlt. Für die Entlastung von Konzernen werden Riesenvolumina bewegt, einnahmenseitig holt man sich aber sehr viel von den kleinen Leuten, deren tägliches Leben sich massiv verteuern wird, was ja auch schon Thema in der Debatte zum letzten Tagesordnungs­punkt war. Es fehlt eine nachhaltige Finanzierung des Staatshaushaltes, etwa über ver­mögensbezogene Steuern.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir wissen noch nicht, wie die Kosten der Krise gestemmt werden. Wir wissen aber, dass 2023 die europäischen Fiskalregeln wieder in Kraft gesetzt werden. Das heißt, es ist damit zu rechnen, dass dann eine Budgetsanie­rung ins Haus stehen wird, die für all jene, die einen starken Staat brauchen – und das sind viele, eigentlich sind es wir alle –, Schlimmes erahnen lässt. Wir haben ja gesehen, dass es ein starker Sozialstaat war, der uns durch schwere Zeiten geholfen hat, zunächst durch die Finanzkrise und dann durch die Gesundheitskrise. (Beifall bei der SPÖ.)

Der Star war – davon hat man auch gesprochen – der starke Sozialstaat, er hat uns stark gemacht und stark gehalten. Und gerade unser Sozial- und Gesundheitssystem müsste jetzt noch einmal gestärkt und resilient gestaltet werden. Die Frage der Finanzierung der Pflege wird aber offengelassen, und die Pflege wird mit einem Minimalbetrag ausge­stattet. Jetzt wäre wirklich die Chance, und es besteht auch die akute Notwendigkeit – der Herr Landeshauptmann von Vorarlberg hat es auch schon eindrücklich angespro­chen –, für eine nachhaltige Finanzierung der Pflege zu sorgen.

Ein Ansatzpunkt wäre da eine Vermögensteuer, natürlich nur auf große Vermögen oder Erbschaften von über 1 Million Euro. Sie wäre jetzt möglich und auch dringend notwen­dig, weil bei der Pflege alle am Limit sind: das Personal, die Angehörigen und auch die Gemeinden, wie heute schon mehrfach und von mehreren Fraktionen angesprochen wurde. Der Pensionistenverband weist darauf und auch auf den Umstand, dass die Pen­sionsanpassungen und die Erleichterungen für Pensionistinnen und Pensionisten abso­lut unzureichend sind, schon jahrelang hin, weil diese unglaublich unter den Teuerungen leiden und das wirklich nur unzureichend berücksichtigt wird. Es wurde auch darauf hin­gewiesen, dass bei den Bemessungsgrundlagen der PVA wirklich rasch darauf zu drän­gen ist, dass der aktuelle Stand herangezogen wird und dass Pensionistinnen und Pen­sionisten schnellstmöglich eine Nachzahlung bekommen. Das wollte ich Ihnen auch mit auf den Weg geben.

Zum Familienbonus: Die Regierungsfraktionen haben sich bereits ausgiebig dafür ge­rühmt und werden das auch weiterhin tun. Dazu gehört aber schon gesagt, dass 180 000 Kinder in Österreich von diesem gar nichts haben, weil ihre Eltern, oftmals al­leinerziehende Mütter, einfach zu wenig verdienen, um ihn in Anspruch zu nehmen. Das Prinzip: Wer hat, dem wird gegeben werden!, gilt also traurigerweise auch bei den Fa­milien, bei den Kindern. (Beifall bei der SPÖ.) Darüber, meine sehr geehrten Damen und Herren, helfen auch einige Korrekturen, die auf Druck dann noch vorgenommen wurden und auf welche die Rednerinnen und Redner der Regierungsparteien wahrscheinlich noch ausgiebig hinweisen werden, nicht hinweg.

Besser, einfacher zu administrieren und gerechter wären generell eine Anhebung der Familienbeihilfe, aber auch mehr Sachleistungen für Familien, wie beispielsweise ein kostenfreier Kindergarten, gewesen. Wir warten ja auch noch auf das zweite Gratiskin­dergartenjahr, das schon unmittelbar vor der Umsetzung war, das umsetzungsreif gewe­sen wäre, aber dann wieder fallen gelassen wurde; die Rahmenbedingungen und Um­stände kennen wir mittlerweile. (Zwischenruf des Bundesrates Preineder.) Ich möchte auch an die grüne Fraktion appellieren, da mehr Druck hineinzulegen.

Von einer Anhebung der Familienbeihilfe hätten auch die Studierenden und natürlich die Kinder von Geringverdienenden, die jetzt billig abgespeist werden, mehr. Die gestiege­nen Preise treffen diejenigen, die einen Großteil ihres Einkommens für das tägliche Le­ben aufwenden müssen, besonders hart. Lebensmittel, Wohnen, Energie, die Dinge des täglichen Bedarfs werden immens teurer, und zwar dauerhaft. Dafür braucht es nach­haltige, dauerhafte Unterstützungen zur Stärkung der Kaufkraft. Einmalzahlungen und Pauschalbeträge wie der Familienbonus oder der Klimabonus –wir werden davon heute noch ausgiebig hören – reichen nicht aus, um die Mehrbelastungen wettzumachen, ganz egal welche Postleitzahl man hat.

Zur Senkung der Tarifstufen für mittlere und höhere Einkommen sage ich: Diese ist posi­tiv, man hätte sie natürlich noch ausweiten und die BezieherInnen von niedrigeren Ein­kommen stärker entlasten können. Auch diese Tarifsenkung ist aber nur eine kurzfristige Entlastung, weil die Effekte durch die kalte Progression, sprich Inflation und allgemeine Lohnerhöhungen, schon 2026 aufgefressen sein werden, wie uns viele Institute vorge­rechnet haben.

Bei den Konzernen ist man großzügiger, indem man die Körperschaftsteuer senkt. Dazu ist aber auch zu sagen, dass 80 Prozent des Senkungsvolumens nur 2 Prozent der Betriebe zugutekommen. Auch da gilt also das Prinzip: Wer hat, dem wird gegeben wer­den!, denn die Großen bekommen das größte Stück des Kuchens und die Kleinen, die in der Pandemie besonders gelitten haben, werden wieder mit Bröseln abgespeist. Eine Senkung der Mindestkörperschaftsteuer wäre gerechter gewesen, sie hätte bei Betriebs­gründungen geholfen und natürlich auch Start-ups mehr unterstützt.

Die Großen, die ja auch bei den Coronahilfen am meisten abgesahnt haben, reiben sich die Hände. Da hat sich anscheinend so manche freundliche Zuwendung an die ÖVP mehr als ausgezahlt. (Beifall bei der SPÖ.) Eine solche Lobby haben die Menschen, die jetzt voll zur Kasse gebeten werden, um ihre Wohnungen zu heizen oder in die Arbeit zu kommen, nicht.

Der Vorarlberger Landeshauptmann hat heute schon warnende Worte an die Bundesre­gierung gerichtet: Klimaschutz darf nicht nur etwas für Privilegierte sein, sondern – das ergänze ich jetzt – muss für alle lebbar und leistbar sein! Diese Anforderung erfüllt die sogenannte ökosoziale Steuerreform nicht, denn Mieterinnen und Mieter können sich ihr Heizsystem nicht aussuchen, aber auch viele Eigentumswohnungsbesitzer und -besit­zerinnen nicht, wenn sie in Mehrparteienhäusern wohnen. Auch das Transportmittel kön­nen sich nicht alle aussuchen, selbst wenn sie in Städten wohnen.

Die Maßnahmen sind also in vielen Bereichen nicht treffsicher. Wie Sie wissen, haben wir ja kein Teileinspruchsrecht, sondern können nur in der Gesamtheit abstimmen, und da spricht leider zu viel dagegen, weil es letztendlich ein großes Belastungspaket und leider auch eine Mogelpackung ist. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

12.20

Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Karl Bader. – Bitte.