1693/J-BR BR

DRINGLICHE ANFRAGE


gem. § 61 Abs. 3 GO - BR


 
der BundesrätInnen Melitta Trunk, Hedda Kainz, Johanna Schicker, Bruni Fuchs, Thumpser
und GenossInnen
an die Bundesministerin für Arbeit Gesundheit und Soziales
betreffend die heute im Bundesrat beschlossene Eingliederung der Frauenpolitik in das
Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen und die daraus resultierende
zukünftige Politik für Frauen - und Gleichbehandlungsfragen
 
Die österreichische Gesellschaft beruht auf dem Verständnis der Gleichheit und
Gleichberechtigung aller Menschen. Dieser Gleichheitsansatz bestimmt unser politisches und
soziales System. Trotzdem ist er nicht immer und nicht in allen Bereichen verwirklicht. Noch
immer haben es Frauen in vielen Bereichen unseres soziopolitischen Systems schwerer als
Männer. Dies ist vor allem durch noch immer vorhandene Stereotype begründet. Frauen
wurden und werden auch heute noch vorwiegend als Mütter gesehen und nicht als
eigenständige Individuen, die selbstverständlich auch ihren Familienwunsch realisieren
können. Anders als Männern wird Frauen die Familienrolle zugeschrieben und Frauen werden
immer noch aufgrund ihrer tatsächlichen oder auch nur potentiellen Mutterschaft von den
wichtigsten Entscheidungspositionen in Wirtschaft und Politik ferngehalten, teilweise aus
Gewohnheit, teilweise aufgrund von Vorurteilen.
 
Die sozialdemokratische Frauenpolitik konnte eine Vielzahl an Verbesserungen für die
Frauen in rechtlichen, aber auch im sozialen Bereich bewirken. Aufgrund der
sozialdemokratischen Frauenpolitik wurde nicht nur eine gesellschaftliche Sensibilisierung
erreicht, die dazu führte, dass geschlechtsspezifische Diskriminierung in Österreich kein
Kavaliersdelikt mehr ist, sondern auch, dass die Schaffung und Gewährleistung jener
Rahmenbedingungen, die es Frauen ermöglichen, ein selbstbestimmtes Leben zu führen, zu
einem der wesentlichen Aspekte des politischen Gestaltungsprozesses geworden ist.
Wir wissen alle, Frauenpolitik ist Sensibilisierungsarbeit. Frauenpolitik ist ein Aufmerksam -
machen auf Diskriminierung, auf Unterschiede zu Lasten jener, die theoretisch gleichgestellt
sind, aber de facto noch immer groben Benachteiligungen ausgesetzt sind. Frauenpolitik ist
Aufklärung. Neben diesem sozialen Bereich ist jedoch natürlich auch der gesetzliche Bereich
von besonderer Wichtigkeit. Der Normsetzungsprozeß des österreichischen Nationalrates, der
teilweise aufgrund der Vorlagen der Bundesregierung, den sogenannten Regierungsvorlagen
beruht, ist jener Willensakt, in dem die österreichische Gesellschaft ihr politisches Wollen
zum Ausdruck bringt. Eine zielorientierte Frauenpolitik ist ohne ministerielle
Kompetenzarbeit und dementsprechender ministerieller Sacharbeit nicht möglich.
Zielorientierte Politik zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für alle Frauen bedeutet
daher eine kompetente und unabhängige Vertretung von Frauenanliegen im politischen
Willensbildungs - und Normsetzungsprozeß zu gewährleisten und daher eine starke und
unabhängige und auch sachkompetente Repräsentanz in allen Gremien des politischen
Willenbildungs - und Normsetzungsprozesses.
Trotz der erkämpften Verbesserungen für die Frauen, die in den letzten Jahren erfolgten,
wissen wir alle, dass die Situation für Frauen noch immer schwieriger ist als für Männer und
dass Frauen noch immer Doppel - und Dreifachbelastungen ausgesetzt sind, wir wissen, dass
Frauen viel mehr im familiären Arbeits -, Pflege - und Betreuungsbereich leisten müssen als
Männer. Wir wissen auch, dass Frauen nicht die gewünschten und gleichen Karrierechaneen
im Berufsleben vorfinden.
Um Gleichberechtigung, um gleichwertige Chancen aller Bürger und Bürgerinnen
verwirklichen zu können und sie nicht zu Statements in Sonntagsreden herabzuwürdigen,
müssen daher die in den letzten Jahren gesetzten Standards gehalten und weiter entwickelt
werden.
Die Weiterentwicklung dieses Prozesses der Demokratisierung der österreichischen
Gesellschaft, denn nichts anderes ist die Verwirklichung von Gleichberechtigung, kann nur
auf der Basis des Selbstverständnisses erfolgen, dass Chancengleichheit die Gewährleistung
der gleichen Entfaltungsmöglichkeiten für die Individuen bedeutet. Dies beinhaltet jedoch das
Verständnis für Differenz. Dieser Differenzansatz bedeutet, die historischen Entwicklungen
und so entstandene Benachteiligungen genauso zu würdigen und zu versuchen den sozialen,
wirtschaftlichen und politischen Istzustand an den Sollzustand anzuheben, wie auch die
spezifischen und allgemeinen Rahmenbedingungen zu berücksichtigen. Genauso wie im
Bereich des Föderalismus die Vielfalt zu fördern ist, müssen wir im soziopolitischen Bereich
der Gleichbehandlungspolitik die Vielfalt und die Differenz fördern und berücksichtigen. Nur
so kann Frauenpolitik machbar werden, kann Gleichbehandlung erreicht werden.
Was bis jetzt von der neuen rechtskonservativen Regierung zum Frauenthema gesagt wurde,
ist abgesehen von den üblichen Sonntagsreden und Beschwichtigungen, jedoch alles andere als
beruhigend. Frauen werden wieder vor allem in ihrer Mutterrolle gesehen und anstelle den
Frauen eine Vereinbarkeit zwischen und Familie weiterhin zu gewährleisten und diese
Gewährleistung auszubauen, werden Frauen von der rechtskonservativen Regierung in die
sogenannte Wahlmöglichkeit zwischen Familie und Beruf gedrängt, was nichts anderes
bedeutet, als die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Frauen in der Aufforderung
,,Zurück an den Herd" mündet.
Diese Befürchtung bleibt auch dann aufrecht, wenn die zuständige Bundesministerin
Elisabeth Sickl in einem kürzlich erschienen Standard - Interview erklärt:
Standard: Seit Jahren umstritten ist der Bereich der Kindergartenplätze. Es ist umstritten wie
viele fehlen, sicher ist aber, dass es viele sind. Wie werden Sie vorgehen?
Sickl: Ich glaube, damit man der Frau wirklich diese Wahlfreiheit sichert, brauchen wir auch
Kinderbetreuungsplätze. Denn nach der neuen Regelung ist es auch möglich, dass die Frau
das Kinderbetreuungsgeld bekommt und berufstätig ist. Da brauche ich auch
Kinderbetreuungsplätze. Das heißt ich muss parallel zum Kinderbetreuungsgeld - das der Frau
die Möglichkeit gibt, zuhause zu bleiben, wenn sie gerne möchte - trotzdem Plätze schaffen
weil die Frau arbeiten gehen kann wenn sie will. Laut Auskunft der zuständigen Sektion
stehen ATS 133.000.000.- zur Verfügung und damit können rund 30.000
Kinderbetreuungsplätze errichtet werden.
Die Förderung der Frauen und die Aufrechterhaltung der Frauenpolitik wird marginalisiert.
Frauen werden zu einer Fußnote der Sozialpolitik. Das zentrale gesellschaftspolitische
Anliegen der Gleichbehandlungsfragen wird in eine Sektion des Sozialministeriums
abgeschoben. Anstelle Frauen eine unabhängige und sachkompetente Stimme zu verleihen,
müssen wir wahrnehmen, wie Frauenpolitik zu einem sogenannten Orchideenthema
degradiert wird, das die Regierung nicht mehr wirklich interessiert.
Die zuständige Bundesministerin Elisabeth Sickl erklärt in einem Interview:
"Ein Minister braucht gewisse Charaktereigenschaften, für die Sachkompetenzen hat er
einen Beamtenapparat, die Details braucht er eh nicht wissen, er muß die Linie
vorgeben." (NEWS, 24.2.2000)
In einem anderen Interview erklärt die zuständige Bundesministerin Elisabeth Sickl zur Frage
der Gleichbehandlung in der Privatwirtschaft:
"Ich finde, man sollte gerade in der Privatwirtschaft der Flexibilität einen großen Raum
einräumen und das soll der Privatwirtschaft überlassen bleiben, wen sie jetzt dann
einstellt." (Standard - Interview, hier zitiert nach der Online - Version)
Im selben Interview erklärt die zuständige Bundesministerin Elisabeth Sickl, dass sie nichts
von der im Gleichbehandlungsgesetz vorgesehenen 40 - % - Quote hält:
,,Ich halte diese Quoten für nicht sinnvoll. Wenn die Frau gleichbehandelt werden will,
muß sie auch die gleiche Leistung letztlich erbringen. Das ist in unserer Gesellschaft
einfach so vorgesehen. Und nur, damit man eine Quote erfüllt, eine Frau aufzunehmen,
dient gar nicht wirklich den Anliegen der Frauen."(Ibid)
Ihre Abneigung über die sogenannte Quote bringt sie auch noch an anderer Stelle dieses
Interviews zum Ausdruck, indem sie erklärt, dass die heutigen Feministinnen vielfach über
die Stränge schlügen, weil sie zu extreme Forderungen aufstellten, die in der Gesellschaft auf
Widerstand stießen,
"also etwa die Forderung nach der Quote, das ist übertrieben, weil es der Sache nicht
gerecht wird und es dient nicht der Gleichberechtigung der Frau, wenn eine Frau die
Qualifikation nicht hat und nur eine Quotenfrau ist."(Ibid)
Diese kleine Auswahl an Aussagen läßt befürchten, dass die Gleichbehandlung weder
kompetent vertreten noch kompetent durchgeführt wird. Sie läßt befürchten, dass
Frauenanliegen bei den Verhandlungen auf Ministerebene auf der Strecke bleiben und dies zu
Lasten aller Frauen in Österreich geht.
Die unterzeichneten Bundesräte richten daher an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit
und Soziales nachstehende

Dringliche Anfrage:


1. Wann ist geplant, das Gleichbehandlungsgesetz für die Privatwirtschaft im Ministerrat zu
verabschieden und damit auch die Gleichbehandlungsstandards in der Privatwirtschaft
jenen des Bundes anzugleichen?
2. Mit welchen Maßnahmen werden Sie die Realisierung der 40 - % - Frauenförderquote
gewährleisten?
3. Mit welchen Maßnahmen wollen Sie verhindern, dass Frauen aus dem Arbeitsprozeß
gedrängt werden?
4. Wie werden Sie die von Ihnen angekündigten 33.000 Kinderbetreuungsplätze im Detail
realisieren?
5. Wie sieht der diesbezügliche Zeitplan aus?
6. In welchen Bundesländern haben Sie vor, Kinderbetreuungsplätze zu schaffen?
7. Welche Ko - Finanzierung wurde dafür vereinbart?
8. Durch welche Maßnahmen werden Sie gewährleisten, daß Gleichbehandlung aufgrund
des international gehandhabten Differenzansatzes auch weiterhin in Österreich ausgebaut
wird.
9. Welche Maßnahmen werden Sie zur Förderung der Karrierechancen von Frauen in der
Privatwirtschaft setzen?
10. Wie wird Frauenpolitik und - förderung künftig auf ministerieller Ebene wahrgenommen
werden?
11. Garantieren Sie die volle und zeitgerechte Umsetzung aller EU - Richtlinien im Bereich der
Antidiskriminierung?
12. Werden Sie Vorgaben für die Privatwirtschaft erlassen, in denen es zu einer
Flexibilisierung der Arbeitszeit kommt, die für berufstätige Mütter und Väter, eine bessere
Vereinbarkeit von Beruf und Familie gewährleistet?
 
 
 
 
 
Unter einem wird in formellem Sinn verlangt, diese Anfrage im Sinne des
§ 61 Abs 3 GO - BR vor Eingang in die Tagesordnung dringlich zu behandeln.

Geschichte des Dokuments Zurück zur Home Page

HTML-Dokument erstellt: Mar 17 10:27