Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 5. Sitzung / Seite 20

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Als Mitglied des Rechtsausschusses des Europäischen Parlaments habe ich im vergangenen Jahr sehr genau verfolgen können, daß immer wieder die Frage behandelt wird, ob die Rechte, die dem Parlament zustehen, auch tatsächlich von allen anderen Institutionen entsprechend geachtet und gewürdigt werden.

Es ist schon mehrmals vorgekommen, daß das Europäische Parlament den Rat vor den Europäischen Gerichtshof zitiert und dort auch recht erhalten hat. Damit konnte es seine Rechte durchsetzen und seinen Spielraum erweitern, hat aber auch versucht, seine Möglichkeiten zu erweitern. Es gibt aber – das muß man auch feststellen – eine gegenläufige Bewegung, bei der versucht wird, die Rechte des Parlaments zurückzudrängen.

Ein immer selbstbewußter werdendes Parlament wird von anderen Institutionen manchmal als lästiger Kritiker und Verzögerer gesehen. Tatsächlich ist es aber so, daß sich das Parlament in sehr viel stärkerem Ausmaß als andere Institutionen bemüht, die Wünsche und die Interessen der Bürger zu vertreten. Das zeigt sich immer wieder bei Abstimmungen zum Beispiel zu Fragen des Konsumenten- oder Umweltschutzes, wo das Parlament sehr genau auf die Interessen der Bürger achtet.

Daß trotzdem nur 35 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher der Auffassung sind, daß das Europäische Parlament ihre Interessen vertritt, ist bedauerlich und bedarf einer Korrektur. Diese Zahl habe ich einer detaillierten Meinungsumfrage entnommen, die die Generaldirektion X der Europäischen Kommission im Oktober 1995 veröffentlicht hat. Die Ergebnisse sind sehr interessant – wenn auch in mancher Hinsicht enttäuschend – und sicher für uns ein Auftrag, uns mehr zu engagieren und in der Öffentlichkeit verstärkt Fragen der Integration, Fragen der Demokratie in der Europäischen Union und auch Fragen bezüglich der Aufgaben und Ziele der Integration zu diskutieren.

Mit dem Stand der Demokratie in der EU sind in Österreich 48 Prozent der Befragten zufrieden. Das entspricht dem EU-Durchschnitt. Auch messen die Österreicherinnen und Österreicher der Reform der EU-Institutionen für das Leben der Bürgerinnen und Bürger hohe Bedeutung bei – 71 Prozent. Das ist, glaube ich, auch ein Auftrag an die Regierungskonferenz, dort die Anliegen der Demokratisierung zu vertreten und sicherzustellen, daß auch in einer größeren, erweiterten EU deren Funktionieren sichergestellt ist.

Allerdings haben nur 31 Prozent der Österreicher – das liegt genau um 10 Prozentpunkte unter dem EU-Durchschnitt – Vertrauen zum Europäischen Parlament. 57 Prozent sind der Auffassung, daß das Europäische Parlament eine wichtige Rolle spielt. Nur 32 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher meinen, daß das Europäische Parlament eine wichtigere Rolle spielen sollte.

Während im EU-Durchschnitt 51 Prozent – also die absolute Mehrheit der Bevölkerung – der Auffassung sind, daß das Europäische Parlament als Legislativorgan dem Ministerrat gleichgestellt werden soll, sind es in Österreich nur 43 Prozent. – Ich glaube, das ist ein Punkt, wo wir ansetzen müssen. Aufgrund meiner Erfahrung glaube ich, daß es ganz vordringlich ist, die Rechte des Parlaments in bezug auf die Gesetzgebung der EU zu stärken und ein Mitentscheidungsrecht in allen Fragen – nicht nur in den wenigen, in denen es dem Parlament jetzt zusteht – zu erlangen.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir haben sehr viel Informationsarbeit zu leisten. Das ist aber nicht nur Aufgabe der Europarlamentarier, sondern auch der Parteien und aller politischen Kräfte in unserem Land. Es ist wichtig, die Sichtweise, wo sie verkürzt ist und die Problematik nicht ganz erkannt wird, zurechtzurücken und anhand von konkreten Beispielen darzulegen, wie das Parlament Interessen der Bürger in der EU vertritt und daß es daher wichtig ist, das Parlament als Ganzes zu stärken.

Die Arbeit im EU-Parlament ist sehr mühselig und langwierig und daher nicht immer leicht vermittelbar. Es erfordert sehr viele Schritte eines langen Diskussionsprozesses, nicht zuletzt auch deshalb, weil Parlamentarier aus 15 Mitgliedstaaten mit sehr unterschiedlichen politischen Mentalitäten zusammenarbeiten müssen.


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