Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 5. Sitzung / Seite 87

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Gerade in Österreich müssen wir, was die Opfer des Nazi-Terrorregimes betrifft, einen ganz besonders hohen Standard einhalten. Wir müssen von den jeweiligen Vertretungen der Opfer die Standpunkte einholen, und ich meine, wir sind verpflichtet, den strengsten Standpunkt, die strengste mögliche Auslegungsform zu wählen.

Da ich weiß, was in den letzten Tagen passiert ist, selber dort war, es selber gesehen, miterlebt habe, kann auch ich Ihnen berichten: Das ist nicht geschehen, denn man hat am Montag in Kenntnis der Gräberfunde und auch mit der sicheren Ahnung, um welche Gräber es sich hierbei handeln könnte, Teile der Besetzungsstellen geräumt. Demonstrantinnen und Demonstranten wurden weggeschleppt.

Ich glaube nicht, daß das eine Vorgangsweise ist, die mit Pietät und Wahrung der Totenruhe im Einklang steht. (Abg. Rosemarie Bauer: Gulaschsuppe – bei den Gräbern? – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ich glaube auch nicht, daß es korrekt ist – auch wenn Sie noch so viel zwischenrufen –, daß am Montag, Dienstag und auch heute in der Früh die Bauarbeiten praktisch unvermindert fortgeführt wurden und daß bei einem Lokalaugenschein mit den Behörden des Landes Oberösterreich und in Begleitung von Vertreterinnen und Vertretern der Medien der Baulärm so laut war, daß man gar nicht verstehen konnte, was da ausgeführt wurde. Das ist weder mit der Pietät noch mit dem Gesetz vereinbar.

Ich würde Sie von der ÖVP dringend ersuchen, hier auch mit Ihren Kolleginnen und Kollegen in Oberösterreich zu sprechen und zumindest angesichts dieser aktuellen Situation diesen Justamentstandpunkt, der im konkreten Fall auch gesetzwidrig ist, aufzugeben. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum. – Abg. Mag. Kukacka: Gesetzwidrige Baustellenbesetzungen!) Baustellenräumungen mit Gewalt, fortgesetzte Baggerarbeiten in unmittelbarem Nahebereich der Gräberfunde und ein Augenschein, bei dem man nicht einmal die Ausführungen verstehen kann, weil die Bagger rundherum graben.

Dann kommt hinzu der Bericht des Herrn Landeshauptmannes, in dem er als unzuständiger Behördenvertreter eigentlich bereits sehr klar in eine bestimmte Richtung argumentiert, indem er praktisch nur Präzedenzfälle erwähnt, in denen eine Exhumierung der gefundenen Gebeine für möglich erachtet wurde.

Ich glaube nicht, daß es dem Herrn Landeshauptmann zu dieser Stunde zusteht, über den Innenminister hinweg in diese Richtung zu argumentieren und dies nahezulegen. Denn eines ist klar – und da gebe ich auch dem Abgeordneten Kier völlig recht –: Man wird wohl nicht unmittelbar über einem Gräberfeld – oder auch, wo es sich befand – ein Turbinenhaus errichten. Das heißt, Umplanungen werden notwendig sein. Und dieses Projekt wird in dieser Form aus Gründen des Fundes von Gebeinen nicht möglich sein.

Ich glaube, je eher daher ein derartiger Justamentstandpunkt beendet wird, desto besser wäre es, wieder zu einer geordneten Vorgangsweise zu kommen.

Meine Damen und Herren! Ich gebe Ihnen auch zu bedenken, daß sich die Oppositionsparteien hier im Parlament ganz anders als die Behörden des Landes Oberösterreich verhalten haben. Wir wissen auch noch nicht, welcher Gruppe von Opfern die Toten angehören. Wir wissen nicht, welche Interessenvertretungen zu hören sind und wie zu verfahren ist. Aber klar ist, daß momentan die ökologische, die ökonomische Auseinandersetzung zurückzustehen hat.

Wir haben deswegen keine Aktuelle Stunde beziehungsweise keine dringliche Anfrage durchgeführt. Wir wollen zuerst, daß die zuständige Behörde, der zuständige Minister, nämlich der Innenminister, in Ruhe und in angemessener Form eine Entscheidung treffen kann, und wir vertrauen darauf, daß er eine richtige Entscheidung treffen wird.

Ich glaube, die Behörden des Landes Oberösterreich wären gut beraten, ebenso umsichtig zu agieren und nicht zu versuchen – jetzt im Lichte der Gräberfunde –, mit Baggern vollendete Tatsachen zu schaffen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und Beifall des Abg. Mag. Firlinger .)

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