Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 5. Sitzung / Seite 89

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damit auseinandergesetzt haben, ohnehin ein Bild gemacht haben. Ich frage mich daher: Was hindert uns, jetzt, da die Koalitionsverhandlungen wahrscheinlich noch einige Zeit brauchen werden und wir daher auch Zeit hätten, im Ausschuß manche Materie zu behandeln, zu einer Zeit, zu der wir nicht so unter Zeitdruck sind wie dann, wenn ein Regierungsprogramm vorliegt, gerade jene drei Paragraphen, die Menschen nicht nur benachteiligen, sondern über ihnen ein Damoklesschwert der Freiheitsstrafe schweben lassen, zu eliminieren und diese Menschen von diesem Damoklesschwert zu befreien?

Unser Strafrecht nimmt sich etwas heraus, was ich als Liberale sowieso nicht akzeptieren kann. Es nimmt sich nämlich heraus, sich als Sittenwächter aufzuspielen. Ich frage mich: Wo liegt das Strafbedürfnis, wenn es um einen Verein Homosexueller geht? Wo liegt da ein Strafbedürfnis? Wo liegt ein Strafbedürfnis, wenn ein 19jähriger mit einem 17jährigen geschlechtlichen Kontakt hat, völlig freiwillig, selbstverständlich ohne Gewaltanwendung? Diese beiden Menschen würden, wären sie heterosexuell, in unserer Gesellschaft normal anerkannt.

Das ist nichts anderes als eine Ideologie, sage ich jetzt einmal, die meint, Abnormes unter Strafe stellen zu müssen. Wenn das so ist, dann, bitte, sagen Sie es auch so. Reden Sie nicht von irgendwelchen Schutzbedürfnissen, davon, daß man Kinder schützen müsse. Sie müßten wissen, daß wir ein Jugendschutzgesetz haben und es daher keines besonderen Schutzes darüber hinaus bedarf. Reden Sie nicht so, als wollten Sie Menschen durchaus gleichwertig behandeln, aber tatsächlich tun Sie genau das Gegenteil. Dann sagen Sie auch, was Sie meinen! Dann sagen Sie auch, daß das für Sie etwas Abnormes ist, vor dem sich die Gesellschaft schützen soll, damit die Menschen auch wissen, mit welcher Geisteshaltung sie es zu tun haben, wenn Sie verhindern, daß diese drei Paragraphen aus dem Strafgesetz eliminiert werden. Dazu wollen wir Sie auffordern: daß Sie endlich den Boden, diesen doppelten Boden dieser Scheinmoral verlassen!

Es ist kürzlich der Chefredakteur der "Presse" nach Berlin gegangen und hat einen Abgesang auf den "doppelten Boden" hier in Österreich in vielen Bereichen gehalten. Der Artikel im "profil" über die Auseinandersetzung mit dem Freitod einer Redakteurin, die dem kirchlichen Bereich zuzuordnen ist, einerseits, andererseits mit dem Freitod eines Menschen, der eben eine andere Lebensform gewählt hatte, zeigt, wie scheinheilig in dieser Gesellschaft umgegangen wird. Es ist dies eine Scheinheiligkeit, die aber in diesem Fall auch noch dazu führt, daß Menschen, die eben einen anderen Lebensentwurf haben, die eben eine andere sexuelle Orientierung haben, von dieser Gesellschaft auch noch bestraft werden, und zwar mit bis zu fünf Jahren Freiheitsentzug! Das wollen wir nicht länger zulassen, und daher haben wir Sie gebeten, endlich Farbe zu bekennen und bis zum 31. Mai diesem Haus einen entsprechenden Entwurf vorzulegen, um diesem Unrecht endlich ein Ende zu machen. – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum.)

17.03

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Fekter. – Bitte, Frau Abgeordnete, Sie haben das Wort.

17.03

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Fekter (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Die ÖVP wird diesem Fristsetzungsantrag der Liberalen nicht zustimmen. (Abg. Dr. Schmidt: Es war nichts anderes zu erwarten!) Frau Kollegin Schmidt, Sie haben hier nämlich Unterstellungen vorgebracht. Sie haben in Ihren letzten Ausführungen gemeint, wir lehnten eine Liberalisierung ab, weil wir Homosexualität automatisch als Abnormität sehen.

Ich glaube, Sie haben im Unterausschuß, wo die Experten dazu Stellung genommen haben, nicht genau aufgepaßt. Dort ist nämlich von Frau Dr. Rollett, einer Wiener Entwicklungspsychologin, ganz klar gesagt worden, daß durch Erwachsene sehr wohl ein Einfluß auf die sexuelle Identitätsentwicklung der Jugendlichen ausgeübt werden kann, und zwar deshalb, weil die Zahl der Homosexuellen relativ gering ist und daher die Wahrscheinlichkeit, daß man Jugendliche sucht, die ihre Identität noch nicht gefunden haben, groß ist. Aus dieser Schutzüberlegung heraus lehnen wir eine Aufhebung des Schutzalters ab. (Beifall bei der ÖVP.)


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