Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 5. Sitzung / Seite 100

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kriminiert, ja sogar ausgesondert ist, wie wir es jetzt auch als Österreicher kennen, überlassen soll.

Die Roma in Oberwart, meine sehr geehrten Damen und Herren, sind immer toleriert worden, sie sind immer akzeptiert worden – solange sie sich nicht gerührt haben, solange sie nicht kritisiert haben, solange sie am Rande des Orts in einer schnell und schlecht gebauten Siedlung gelebt haben, solange man nichts mit ihnen zu tun hatte. Ja, selbstverständlich hat man sie toleriert! – Es geht hier nicht um Toleranz. Es geht darum, daß die Mehrheit die Verantwortung für die Probleme, für die Anliegen und auch für die Rechte der Minderheit zu übernehmen hat. Das sollte doch die Substanz unserer Politik hier sein.

Ich höre – und das jetzt schon zum wiederholten Male –, daß es Politikerinnen und Politiker gebe, die sich – heute ist dieser Ausdruck auch wieder gefallen – auf Kosten von Attentaten, Morden und Anschlägen profilieren wollen. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wann, wenn nicht dann, wenn so Schreckliches passiert ist, sind Politiker, Politikerinnen und Parteien aufgefordert, zu handeln und natürlich – je nachdem, was in der Macht des einzelnen steht – auch tatsächlich Einfluß auszuüben und zu handeln?

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich würde als Minderheitensprecherin, als Volksgruppenangehörige ja sehr gerne hier handeln, säße ich zum Beispiel an der Stelle von Herrn Staatssekretär Schlögl, der es in der Hand hat, Maßnahmen zu setzen. Er ist Politiker in der Exekutive, nämlich dort, wo gehandelt werden sollte. Es kann doch nicht als Profilierungsstreben von Oppositionspolitikern bezeichnet werden, wenn sie Kritik am Nichthandeln und Untätigsein üben!

Meine Damen und Herren! Eines – und das hat nichts mit den Morden von Oberwart zu tun – hat mich in der Diskussion um Minderheitenpolitik in Österreich immer schon gestört: daß man das Selbstverständliche zum Besonderen macht, daß man sagt: Da gibt es ja zweisprachige Kindergärten, die in Kärnten gefördert werden, das scheint gar nicht in unserem Bericht auf; das ist doch auch eine wunderbare Leistung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Logisch, daß Zweisprachigkeit komplizierter, teurer und anspruchsvoller ist als bloße Einsprachigkeit – ich habe das auch schon unzählige Male hier gesagt. Ich habe ein Motto für meine Tätigkeit als Minderheitensprecherin und als Kroatin – die neuen Kolleginnen und Kollegen sollten sich das vielleicht merken –: Einsprachigkeit ist heilbar, Zweisprachigkeit ist mehr. Wir Minderheitenangehörige haben Ihnen allen etwas voraus, nämlich diesen großen Schatz, in zwei Kulturen, in zwei Sprachen beheimatet zu sein. Meine Heimat ist kroatisch und deutsch, und die Heimat der Roma in Oberwart und in Wien sollte roman und deutsch sein. Aber die Mehrheit mit ihren Machtinstrumenten und mit ihren Repressionsmechanismen hat es in den letzten Jahrzehnten geschafft, diese Menschen heimatlos zu machen, denn ihre Sprache Roman sprechen sie nicht mehr. Das ist kein selbstverschuldetes Schicksal der Angehörigen der Roma, sondern das ist pure, faktische Machtausübung der Mehrheit.

Ich will hier niemandem ein schlechtes Gewissen machen, denn vielen Menschen in Österreich ist das nicht einmal bewußt, aber ich will jene darauf aufmerksam machen, die jetzt fördern – und Gott sei Dank wird gefördert –, daß sie nicht auch noch herausgehen und sich dafür belobigen lassen, daß sie Menschen – in Oberwart sind von 350 Personen nur 19 aus den KZ der Nationalsozialisten zurückgekommen – nicht zum Vorwurf machen können, daß wir jetzt Geld für sie ausgeben müssen, weil wir eine Fibel machen. Ja wenn das nicht mehr selbstverständlich ist, meine sehr geehrten Damen und Herren, daß man Wiedergutmachung auch in dieser Form leistet, können Sie alle aufhören, Minderheitenpolitik zu machen. Die Sprache ist die Wurzel für den Fortbestand jeder ethnischen Gruppe. Die Sprache ist das Identifikationsmerkmal, und durch die Pflege und Förderung der Sprache kann der Bestand der Volksgruppen gesichert werden, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Ich möchte zu den zwei diesbezüglichen Entschließungsanträgen, die heute hier zur Abstimmung stehen, kommen: Alle Minderheitensprecher der einzelnen Fraktionen, auch die Kollegen


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