Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 10. Sitzung / Seite 123

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nicht vorher stirbt, nicht mehr Abgeordneter, und dann hat er all diese Verfahren angespart, und je schlimmer er gewesen ist, umso mehr hat er dann am Hals. Dann kann er sich zu wehren trachten. Das heißt, dieses Recht ist gar nicht ein Recht des einzelnen Abgeordneten, sondern ein Recht des Hauses. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dieses Recht bewirkt nur, daß der Betreffende die Dinge nicht zu der Zeit, während er Abgeordneter ist, am Hals hat, sondern dann, wenn er einmal nicht mehr Abgeordneter sein wird. Und den meisten von uns ist es vergönnt, nicht vorher auf den Friedhof zu kommen, sondern das noch zu erleben.

Bleiben wir doch bei dem, was auch etliche Vorgänger erwähnt haben: Die Privatanklage wegen Ehrenbeleidigung ist ja direkt unmodern geworden. Sie wird kaum mehr angewandt, und zwar nicht nur wegen der Immunität, sondern weil sie zu wenig weh tut; sie kostet zu wenig.

Mir ist allerdings erinnerlich, daß ein St. Pöltner Baumeister einen namhaften Journalisten auf Widerruf, Unterlassung und Schadenersatz geklagt hat. Und ich glaube, daß ich mich nicht irre, wenn ich jetzt sage, daß der Streitwert in der Größenordnung von 1 Milliarde Schilling gelegen ist. – Der sonst recht vorlaute Journalist hat blitzartig geschwiegen; er hat schweigen müssen.

Das ist die moderne Form der Einschüchterung auch von frei gewählten Volksvertretern. Sie werden vor dem Zivilgericht geklagt. Das ist die Gefahr, der wir uns alle ausgesetzt sehen. Die Bundesbahn oder ähnliche Institutionen, die nicht gerade als einflußarm zu bezeichnen sind, treten als Kläger auf, und sie schüchtern den mutigsten Abgeordneten durch hohe finanzielle Forderungen ein, die sie im Zivilbereich vortragen. (Abg. Nürnberger : Bist du schon einmal geklagt worden?)

Ich bin ein einziges Mal geklagt worden. Ich bin seit 17 Jahren hier im Haus. Lieber Nürnberger! Ich habe noch keinen Ordnungsruf in diesem Haus bekommen. Einmal bin ich von einer ganz armen, ganz schwachen und ganz bedauernswerten Personengemeinschaft geklagt worden: vom Landesparteivorstand der ÖVP Niederösterreich. Alle waren sie "arm", und keiner hat sich helfen können. So ist das gewesen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Was ich überhaupt nicht verstehen kann, ist, daß man dann sagt: Wir liefern für einen bestimmten Zeitraum aus, aber nur wegen Ehrenbeleidigungsdelikten. – Das ist ja pervers, meine Damen und Herren! Wegen einer Deliktsgruppe, die in ihrer Sozialschädlichkeit recht weit unten angesiedelt ist, soll ausgeliefert werden, wegen schwerer wiegender Dinge hingegen nicht? Watergate zum Beispiel würde nach diesem Beschluß nicht vor den Gerichten landen und andere schwerwiegende Delikte auch nicht. Einer aber, der zu einem anderen sagt – was ich verurteile und nicht sagen würde –: "Du Trottel!", wird ausgeliefert, während einer, der wie beim Fall Watergate ins Parteilokal des politischen Gegners einbricht und dort Unterlagen stiehlt, nach diesem Beschluß nicht ausgeliefert werden würde. Das muß man sich einmal vor Augen halten! (Zwischenrufe der Abg. Schwemlein und Wurmitzer .) Das muß man sich vor Augen halten! Denn damit wollt ihr die Opposition treffen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ihr wollt euch vorbehalten, ob bei anderen Delikten, bei echten, kriminellen Delikten, ausgeliefert wird oder nicht. Das paßt ganz genau in das System: Das Wahlrecht ist vor zwei Wahlen geändert worden. Damals hat man gesagt: Die zwei oder drei Mandate, die das den Mächtigen bringen wird, spielen keine Rolle. Mittlerweile haben sie eine Rolle gespielt. Die Zweidrittelmehrheit ist dadurch gesichert worden. Und jetzt kann man wieder Verfassungsgesetze beschließen, ohne sich darum kümmern zu müssen, ob sie gegen die Verfassung verstoßen. (Abg. Schwemlein : Wollen Sie den Wählern vorwerfen, daß falsch gewählt wurde?)

Man kann hier die Redezeit beschränken. Wir hören jetzt, daß sie in manchen Fällen auf fünf Minuten reduziert werden soll. Bald wird man bei drei Minuten sein. Man will erreichen, daß höfliche Abgeordnete der Opposition nur die Zeit haben, herauszukommen und zu sagen: "Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren!" und: "Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit". Das ist das eine. Das andere ist der Ton und die Mimik, mit der Abgeordnete wie Kostelka hier im Hause zu anderen frei gewählten Volksvertretern reden: vorwurfsvoll, haßerfüllt, und "dieses Lächeln" ... (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)


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