Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 11. Sitzung / Seite 24

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Ich habe gestern bei der Regierungserklärung genau zugehört und sie dann noch einmal nachgelesen und muß sagen: Es ist für ein Parlament eine derart dichte Ansammlung von schönen Worten, von völlig nebulosen Absichtserklärungen, dann aber von jenen Wegen, die zu diesen Zielen führen sollen, entweder gar nichts oder aber sogar gegenteilige Maßnahmen zu lesen oder aus den Begleitgesetzen zu kennen, fast eine Beleidigung. Offensichtlich geht man davon aus, daß sich das keiner anhört, daß keiner mitdenkt und sich keiner das anschaut. Ich habe das ja noch wohlwollend als "nicht ernst genommen" eingestuft, aber es ist eigentlich mehr: Es ist wirklich eine Beleidigung, als würde man zu dumm sein, zu begreifen, daß all das, was Sie uns hier ankündigen, nicht drinsteht.

Sie sagen großartig – das ist Ihr Zugang; das zeigt die Geisteshaltung, die dahinter steht –, als wäre das jetzt eine neue Erkenntnis: Der Staat ist nicht mehr für alle und alles zuständig und verantwortlich.

Dazu muß ich folgendes sagen: Der Staat war nie für alles zuständig und verantwortlich, nur: Sie haben ihn immer dafür eingesetzt. Aber eines sollte er auch in Zukunft noch sein: für alle zuständig.

Sie sagen, er sei jetzt nicht mehr für alles zuständig und verantwortlich – das ist eine der Grundwahrheiten, das muß ich zugeben, eine Wortfolge, in die Sie sich haben hineinfallen lassen, in die Sie möglicherweise hineingestolpert sind, die aber auch offenlegt, daß Sie sich wirklich nicht mehr für alle Menschen zuständig fühlen; und so sehen insbesondere auch die Begleitgesetze aus, die wir in den nächsten Wochen zu beraten haben.

Daß Sie sich nicht mehr für alle zuständig fühlen, wissen wir schon seit einiger Zeit – ich werde noch darauf zurückkommen. Sie unterscheiden nämlich zwischen jenen, die sozusagen einen höheren Marktwert in unserer Gesellschaft haben, und jenen, die keinen haben, vielleicht auch zwischen jenen, die Ihre Wählerklientel sind, und jenen, die nicht Ihre Wählerklientel sind.

Sie reden auch davon, daß man eine Beschäftigungsoffensive starten und den Ausbau des Wirtschaftsstandortes Österreich vorantreiben wird. Das klingt sehr schön, aber was machen Sie tatsächlich? – Sie sagen, daß man Unternehmensgründungen erleichtern wird. Sie sagen – Sie haben es mit den Wortspielen –, daß es doch wirklich unglaublich ist, wenn es so weit kommt, daß, wenn das Verfahren so lange dauert, es sich ein Jungunternehmer zum Beispiel schließlich überlegt und sich statt einer Werkstatt ein Wertpapier kauft. Das klingt schön; ich glaube schon, daß Ihnen das gefallen hat, nur: Dieses Kopfnicken für die Zustandsbeschreibung, vielleicht auch der Applaus als Zustimmung für die Zustandsbeschreibung brauchen Sie nicht froh zu machen, denn wesentlich ist, welche Konsequenzen Sie daraus ziehen.

Die Konsequenzen, die Sie ziehen werden, bedeuten nicht, daß es in Zukunft eine Erleichterung geben wird. Das Gegenteil ist der Fall! Sie sagen, Sie würden eine Liberalisierung der Gewerbeordnung als Instrumentarium dafür verwenden. Es liegt offenbar das, was Sie darunter verstehen, bereits im Hause. Es war schon die letzte Novelle unter dem damaligen Wirtschaftsminister Schüssel alles andere als eine Reform – er verkauft sie bis heute als solche. Die jetzige Vorlage ist eine Nachjustierung jener Reform, die damals schon nicht stattgefunden hat. Mit einem freien Zugang zum Gewerbe hat das aber absolut nichts zu tun.

Es gibt allerdings hier im Parlament von uns einen Antrag. Ich rede also nicht von irgend etwas, sondern von ganz konkreten Vorlagen – Sie können das nachlesen –, in denen wir davon ausgehen, daß ein Befähigungsnachweis in Zukunft nur dort notwendig sein sollte, wo es um Gefahr für Leben oder Gesundheit der Menschen geht. Dort macht es sicher Sinn, einen ordentlichen Kontrollapparat zu haben. In allen anderen Fällen wollen wir es doch der Qualität, dem Markt und der Mündigkeit der Bürger überlassen und es auf diese Weise auch dem einzelnen erleichtern, sich selbständig zu machen.

Jemand, der von seinem Unternehmen gekündigt wird und der dann – leider Gottes – pfuschen geht, könnte sich statt dessen, wäre er nicht durch formale Voraussetzungen gehindert, selbständig machen. Das Ganze wäre nicht mehr im Graubereich der Schwarzarbeit und würde


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