Daß Sie das übernehmen, ohne es zu reflektieren, ist Ihre Sache. Jetzt wissen Sie es, und Sie sollten es in Zukunft besser wissen. Daß die Sozialdemokratie und die Österreichische Volkspartei das Konzept der Freiheitlichen 1 : 1 übernehmen und zu ihrem eigenen machen, das ist dann schon die Chuzpe, die nicht mehr zu überbieten ist, meine Damen und Herren! Das ist obszön, das ist sozialpolitische Obszönität! (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf des Abg. Blünegger. )
Es ist wesentlich, in diesem Zusammenhang auch darauf hinzuweisen, daß alles, was Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, im Bereich sozialpolitischer Maßnahmen anzubieten haben und was auch der Herr Minister in seiner Budgetrede ausdrücklich erklärt hat, nichts anderes ist als Sozialmißbrauchsverhinderungsgesetzgebung. Sie beschließen ein Gesetz nach dem anderen, eine Novellierung nach der anderen, die sich gegenseitig wieder aufheben, die nur dem Ziel dienen, sozialen Mißbrauch zu verhindern. Das ist Ihre Art, Sozialpolitik zu machen! So wollen Sie Sozialpolitik in diesem Land und den Sozialstaat sichern. Das wird so nicht gehen; das ist sozialpolitisch kontraproduktiv, das ist auch verwaltungstechnisch kontraproduktiv.
Ich erinnere nur daran – Präsident Neisser, der ja vorgestern seinen 60. Geburtstag gefeiert hat, ist gerade nicht hier –, daß es nicht reichen wird, Herr Präsident Neisser, daß Sie und Frau Abgeordnete Frieser immer wieder kritisieren, daß dieses Parlament jedes Jahr unzählige neue Gesetze produziert, wenn Sie im Bereich der Sozialpolitik nichts anderes machen, als den Takt, in dem diese Gesetze produziert werden, noch deutlich zu erhöhen.
Ich erinnere daran: Es gibt nicht nur 52 ASVG-Novellen, sondern im Bereich des ASVG insgesamt 110 Novellierungen seit 1955. 110 Novellierungen! Wissen Sie, wie die Qualität dieser Gesetze ist? Wissen Sie, wie man in der Schweiz etwa ein vergleichbares Gesetz beschließt, zum Beispiel betreffend die Alters- und Hinterbliebenenversorgung? – Seit 1935 gibt es die AHV in der Schweiz. Insgesamt gibt es bis 1995 zehn Novellierungen, während wir im Bereich des ASVG seit 1955 gezählte 110 Novellierungen vorfinden, wovon nur 52 eine Nummer erhalten haben.
Im Bereich der Arbeitslosengesetzgebung haben wir derzeit jährlich zwischen drei und vier Novellierungen; und das seit Jahren. Das macht diese Gesetze natürlich nicht nur unlesbar, sondern auch unvollziehbar. Sie schaffen damit nur mehr Bürokratie, mehr Verwaltungsaufwand, mehr Kontrolle, und das alles verkaufen Sie dann unter dem Stichwort "Sozialmißbrauchsverhinderungsgesetzgebung". So sichern Sie den Sozialstaat, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien? – Das glauben Sie doch selbst nicht! Sie können doch nicht im Ernst glauben, daß Sie damit Maßnahmen setzen, die dazu dienen, den tatsächlichen sozialen Mißbrauch in diesem Land zu verhindern.
Ich bringe Ihnen ein Beispiel: Das, was Sie in bezug auf die Werkverträge beschlossen haben, fördert den sozialen Mißbrauch. Herr Kollege Verzetnitsch, du weißt ganz genau, was damit verbunden ist. Es wurde damit – offensichtlich ohne jegliche Debatte, ohne daß die gewerkschaftliche Öffentlichkeit beziehungsweise die allgemeine Öffentlichkeit damit befaßt wurde – eine neue Kategorie von Arbeitnehmern geschaffen: Arbeitnehmer zweiter Ordnung, das sind die Werkvertragnehmer. Die kommen billiger, keine Frage. Daß das aber die Perspektive ist, die ihr euch gewünscht habt, das wage ich zu bezweifeln. (Abg. Verzetnitsch: Genau deswegen haben wir das ja gemacht!) – Nein, das ist die falsche Richtung, die mit diesem Gesetz eingeschlagen wird. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Verzetnitsch: Das ist notwendig!)
Natürlich wäre es notwendig. Ich bin der Meinung, daß es notwendig ist, hinsichtlich von Werkverträgen Maßnahmen zu setzen, die dazu dienen, den Mißbrauch, der damit betrieben werden kann, einzudämmen. (Abg. Leikam: Genau das ist geschehen!) Nur: Wenn man da etwas verbessern will, dann darf man die Debatte darüber nicht nur über einen Monat oder einen halben Monat, sondern muß sie über ein Jahr oder zwei Jahre öffentlich führen. Man muß sich die Stellungnahmen, die berechtigten Einwände von den verschiedenen Verbänden und Organisationen anhören und die Debatte öffentlich führen. (Abg. Verzetnitsch: Wie lange ist denn die