Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 14. Sitzung / Seite 142

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Ich glaube, in diesem Zusammenhang ist ein viel größeres Problem, daß wir trotz internationaler Bestrebungen nach wie vor ein viel zu hohes Zinsniveau in Europa haben und daß nach wie vor die Deutsche Bundesbank von der panischen Angst einer Hyperinflation getrieben ist, obwohl wir es mit durchschnittlichen Inflationsraten in Höhe von 2,5 Prozent in Europa zu tun haben.

Viel näher liegt daher der Schluß, daß hier offensichtlich noch gewisse offene Rechnungen aus der deutschen Wiedervereinigung beglichen werden müssen, und zwar über die erhöhte Zinspolitik der Deutschen Bundesbank nicht nur von der Bundesrepublik, sondern im wesentlichen von ganz Europa.

Ich glaube daher, daß in diesem Zusammenhang die Anstrengungen in erster Linie in Richtung Verringerung des Zinsniveaus auf europäischer Ebene gehen müssen, weil das der entscheidende Parameter für die Entwicklung von wirtschaftlichem Wachstum und von Investitionen auf unserem Kontinent ist.

Ein zweiter Punkt, der auf europäischer Ebene von größter Relevanz ist, ist natürlich die Verwirklichung der Projekte der transeuropäischen Netze, um zusätzliches Wachstum und zusätzliche Beschäftigung zu schaffen.

Ein dritter Punkt, der natürlich wesentlich ist und von Österreich bei der bevorstehenden EU-Regierungskonferenz zentral betrieben wird, ist, Beschäftigungsmaßnahmen und Vollbeschäftigung absolute Priorität auf der Tagesordnung der Europäischen Union einzuräumen.

Es stellt sich daher die Frage: Wenn sparen nicht a priori zu einer Rezession führt, welche Art des Sparens, welche Art der Konsolidierung ist dann anzustreben? In diesem Zusammenhang verfügen wir ja über eine Reihe von Beispielen aus der Vergangenheit. Die bürgerliche schwedische Regierung hat seinerzeit einen radikalen Sparkurs zu gehen versucht. Das hat dazu geführt, daß sich die Arbeitslosenrate dort vervierfacht hat. Die britische Regierung hat einen Sparkurs unternommen, der dazu geführt hat, daß das Auseinanderklaffen zwischen Arm und Reich in Großbritannien heute bereits so unerträglich geworden ist, daß selbst der Council of British Industrialists eine Erhöhung der Reallöhne in Großbritannien fordert. Da stellt sich die Frage: Wieso stellen britische Industrielle eine solche Forderung? Dies ist völlig logisch: Trotz sozialer Deregulierung, trotz der Nichtunterzeichnung des Sozialprotokolls der Europäischen Union ist die alleinige Orientierung auf den Export in Großbritannien nicht gelungen. Gleichzeitig ist es nämlich zu einem eminenten Absinken der Kaufkraft in Großbritannien gekommen, zu einem eminenten Nachlassen der Binnennachfrage, und zwar in einem derart hohen Ausmaß, daß sich selbst britische Industrielle heute bereits Sorgen über die Kaufkraft in Großbritannien machen.

Es wurde in der Vergangenheit hier im Hohen Haus des öfteren Rolf Dahrendorf strapaziert. Da möchte ich nur darauf hinweisen, daß seine Kommission erst jüngst einen Bericht über die Reichtumsentwicklung in einer Gesellschaft und deren sozialen Zusammenhang veröffentlicht hat, in welchem sich eine Reihe von Vorschlägen finden, die nun auf die Tagesordnung der britischen Regierung kommen sollen, wenn es bei den Wahlen Veränderungen gibt, Vorschläge, die bei uns in Österreich schon längst auf der politischen Tagesordnung stehen oder sogar bereits verwirklicht sind.

In diesem Zusammenhang ist daher die Frage zu stellen: Wie soll angesichts dieser Erfahrungen der österreichische Weg der Budgetkonsolidierung aussehen? – Erstens: Ein Sparpaket, das niemanden etwas kostet, kann es nicht geben, auch wenn von verschiedenen Teilen der Opposition versucht wird, diesen Eindruck hier zu verbreiten. Zweitens sind natürlich Grenzen für idealtypische Sanierungsmodelle im Bereich der politischen und sozialen Durchsetzbarkeit gegeben. Daher glaube ich, daß man bei aller Kritik an verschiedenen Einzelmaßnahmen, die von unterschiedlichsten Interessengruppen vertreten werden, das Gesamtziel einer näheren Analyse unterziehen muß, und dieses Gesamtziel besteht doch im wesentlichen darin, eine Konsolidierung des Staatshaushaltes durchzuführen und gleichzeitig soziale Gerechtigkeit zu wahren und auszuweiten und besondere Aufmerksamkeit der Beschäftigungssituation in Österreich widmen.


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