Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 16. Sitzung / Seite 71

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Die vierte Säule: Absicherung des sozialen Netzes; das wurde schon oft diskutiert. Wer mit der Gießkanne verteilt und mit dem Rasenmäher wieder wegmäht, hat nicht verstanden, daß nur Eigenverantwortung und Eigenvorsorge die Möglichkeit bieten, das soziale Netz sozial verträglich zu entlasten. Hilfe zur Selbsthilfe statt Hilfe für alle und Anspruchsdenken sind angesagt. Das soziale Netz ist zu wichtig, um es heute in die Unfinanzierbarkeit zu treiben.

Fünfte Säule: Flexibilisierung der Arbeitswelt; das wurde auch schon oft diskutiert. Es gab jedoch keine Antwort von Ihrer Seite darauf.

Sechstens – und das ist vielleicht am wichtigsten –: Der einheitliche Arbeitnehmerbegriff. Ich bedanke mich bei den Gewerkschaften und bei der Arbeiterkammer dafür, daß sie darüber eine Diskussion in Gang gesetzt haben, wie Arbeiter und Angestellte einen einheitlichen Arbeitnehmerbegriff haben können. Aber haben Sie da nicht etwas vergessen? Haben Sie da die öffentlich Bediensteten ganz bewußt nicht erwähnt? Ja glauben Sie denn wirklich, irgend jemand diskutiert mit Ihnen ernsthaft über einen einheitlichen Arbeitnehmerbegriff, wenn die öffentlich Bediensteten nicht inkludiert sind? Machen Sie doch der Bevölkerung nicht ein X für ein U vor, sondern sagen Sie: Wenn wir einen einheitlichen Arbeitnehmerbegriff wollen, dann für alle unselbständigen Arbeitnehmer in Österreich. Das sind jene in den öffentlichen und geschützten Bereichen ebenso wie jene in der Wettbewerbswirtschaft. (Beifall beim Liberalen Forum. )

Die siebente Säule ist die Durchforstung staatlicher Aufgaben. Was muß denn die öffentliche Verwaltung wirklich selbst leisten? Ich höre von Ihnen seit Jahren – vom Finanzminister, vom Bundeskanzler –, daß Sie das tun wollen. Ich frage mich nur: Wann tun Sie es endlich?

Die Universitäten haben Ihnen im Zuge dieser Diskussion um das Sparpaket angeboten: Gebt uns doch die volle Rechtsfähigkeit, gebt uns die volle Autonomie, laßt uns doch die Mittel selbst einsetzen, und wir sparen auf unsere Art und Weise mindestens das ein, was der Herr Finanzminister im Zuge des Sparpakets braucht. – Sie waren dazu jedoch nicht bereit; Sie wollen halt überall von oben hineinregieren.

Achte Säule: umfassende Privatisierung. Auch diesbezüglich werde ich nicht müde, es immer wieder zu wiederholen: Das Eigentum des Staates an Produktionsmitteln und an Grund und Boden ist kein Wert an und für sich. Die Umkehr der Beweislast ist angesagt. Die Staatswirtschaftler müssen mir als Staatsbürger nachweisen, wieso sie eine Tätigkeit staatlich ausführen wollen, wieso ein Grundstück, eine Liegenschaft dem Staat gehört. Gelingt dieser Nachweis nicht, ist automatisch zu privatisieren. Mit diesen Privatisierungsmitteln haben Sie Spielraum gewonnen, um Verkehrsinfrastruktur, Forschungsförderung, Umweltinvestitionen, Altlastensanierungen und – last but not least – Denkmalschutz zu finanzieren und Beschäftigung zu sichern, um in die Zukunft unseres Landes zu investieren. Da haben Sie Gelder. Der österreichische Staat besitzt zu viel Grund, er besitzt zu viele Unternehmungen und er mischt sich in zu viele Details ein.

Letzte und neunte Säule ist die Harmonisierung des indirekten Steuerniveaus. Sie müssen wissen: Wenn Sie in einem Binnenmarkt zu hohe indirekte Steuern haben, werden Ihnen mehr indirekte Steuern über Kaufkraftabfluß ins Ausland abfließen, als Sie durch die höheren Steuern letztlich selbst lukrieren. Das sagt Ihnen die Laffer-Kurve, falls Sie diese kennen.

Sie haben es geschafft, daß wir heute in Österreich erstmals – ich "gratuliere" Ihnen dazu, meine Damen und Herren von der Volkspartei und den Sozialdemokraten – vier Steuern von der Steuer haben: Die Brauerei zahlt jetzt Biersteuer, und von der Biersteuer zahlt sie Energiesteuer, von der Biersteuer und der Energiesteuer zahlt sie dann schließlich die Getränkesteuer, und dann zahlt sie Mehrwertsteuer von der Getränkesteuer auf die Energiesteuer auf die Biersteuer. Ich "gratuliere" Ihnen! Das ist ein Steuersystem! Vier Steuern voneinander: Biersteuer, Energiesteuer, Getränkesteuer, Mehrwertsteuer. Es wird Ihnen schon noch eine fünfte einfallen, damit es ein bißchen "einfacher" wird. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Böhacker: Aber im Verfassungsrang!) Ja, im Verfassungsrang. – Danke für den Zwischenruf.


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