Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 16. Sitzung / Seite 255

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ren, die aber auch in Ausübung ihrer Arbeit und Verantwortung jene Ellbogenfreiheit haben, die sie vor einer parteipolitischen Indoktrinierung schützt.

Sozialpartnerschaft, meine Damen und Herren, wie sie Kollege Frischenschlager hinterfragt, ist für mich etwas Selbstverständliches: ganz einfach miteinander Reden, Vorurteile überwinden, um zu einem gemeinsamen verantwortlichen Handeln zu kommen. Wenn er impliziert, daß Gewerkschaften nur mauern und abblocken und deswegen nichts weiterginge, dann muß ich ihm sagen: Gewerkschaften sind in ihrem Selbstverständnis dazu da, sozialen Standard zu sichern. Sie sind auch dazu da, auf Rahmenbedingungen zu reagieren und im Gespräch mit dem Dienstgeber zu vernünftigen Kompromissen zu kommen. (Abg. Dr. Graf: Daß Sie dafür sind, ist eh klar!)

Meine Damen und Herren! Motivierung – auch für den öffentlichen Dienst, Herr Dr. Graf – ist ein ganz wesentliches betriebspsychologisches Element. Wir dürfen es nicht zulassen, daß es zu einer geistigen Verabschiedung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes kommt. Reformbereitschaft und geistige Frische sind keine Frage der Geburtsurkunde – das möchte ich den Kollegen Öllinger und Frischenschlager ins Stammbuch schreiben. (Beifall bei der ÖVP.)

11.14

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Haselsteiner. – Herr Abgeordneter, ich erteile Ihnen das Wort.

11.14

Abgeordneter Dr. Hans Peter Haselsteiner (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Eine namhafte österreichische Industrieunternehmung hatte im Jahr 1970 32 Prozent ihrer insgesamt Beschäftigten in Verwaltung und zentralen Bereichen. Dieselbe Unternehmung hatte im Jahr 1990 noch 21 Prozent der Beschäftigten in diesen Bereichen tätig. In diesen 20 Jahren ist der Umsatz dieser Unternehmung von 400 Millionen auf zirka 10 Milliarden gestiegen, es wurden zahlreiche neue Geschäftsfelder erschlossen, zahlreiche neue Märkte wurden bearbeitet, und die Anforderungen insgesamt sind für die Unternehmensführung wie auch für die Bediensteten entsprechend gestiegen.

Von den im Jahr 1970 Beschäftigten, die im Jahr 1990 noch immer aktiv waren, hatten nur mehr 20 Prozent den Arbeitsplatz, den sie im Jahre 1970 hatten, und zwar aus geographischer Sicht. Ich rede jetzt nicht davon, daß sich diese Arbeitsplätze von den Inhalten und den Anforderungen her gewandelt haben.

Selbstverständlich, meine Damen und Herren, ist diese Entwicklung nur damit erklärbar, daß es Markt und Wettbewerb erfordert haben und die Unternehmung gezwungen war, sich diesen Erfordernissen entsprechend anzupassen.

Als im Jahr 1994 erkennbar war, daß die Branche und damit die Unternehmung in ernstzunehmende wirtschaftliche Schwierigkeiten kommen wird und entsprechende Maßnahmen zu setzen hat, um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten, ist folgendes geschehen: Jeder einzelne Arbeitsplatz wurde evaluiert, es gab entsprechende Konsequenzen in der Struktur und in der Organisation, aber zusätzlich gab es noch etwas: Es gab freiwillige Lohn- und Gehaltsverzichte im Ausmaß von 5 Prozent bei den Chargen unter dem Management von 10 Prozent im Management, und von 15 Prozent im Vorstand.

Das, meine Damen und Herren, war die Antwort dieser Unternehmung auf aufdämmernde wirtschaftliche Schwierigkeiten. Hier, Herr Staatssekretär, haben Sie Ihr großes Problem: Sie haben nicht die Möglichkeit, im öffentlichen Dienst objektiv Leistung zu messen – das wissen wir –, und es fehlt Ihnen daher einfach jenes Druckmittel, das eine Unternehmung durch die Entwicklung von Gewinnen und Erträgen sozusagen automatisch hat. Aber das, Herr Staatssekretär, befreit Sie nicht davon, sich mit diesen Fragen insofern auseinanderzusetzen, als auch Sie die Dimensionen vergleichen müssen. Sie haben im öffentlichen Dienst in diesen 20 Jahren den genau umgekehrten Effekt: Sie verzeichnen eine steigende Anzahl von Beamten – bei gestiegenen


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