Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 16. Sitzung / Seite 275

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setzen. Und das habe ich damit gemeint, wenn ich gesagt habe, daß es einen selbstverständlichen Reflex eines Justizministers geben muß, wenn man bei dieser Grenzsetzung in die Bereiche der Grundrechte hineinkommt. Sie wissen, wovon ich spreche: Ich spreche vom Lauschangriff, ich spreche von der Rasterfahndung.

Sie haben diesen Reflex noch dazu vor einem Hintergrund vermissen lassen, der insgesamt für diese Gesellschaft bedenklich ist, vor einem Hintergrund, den Sie durchschauen müßten – und ich unterstelle Ihnen, daß Sie ihn auch durchschauen –, vor einem Hintergrund der Aufgeregtheit der öffentlichen Meinung, vor dem Hintergrund einer Politik der Emotionen, der Interessen, der gegebenen Anlässe.

Herr Minister! Ich rufe mir Ihre erste Reaktion auf das Vorhaben des großen Lauschangriffes und der Rasterfahndung in Erinnerung– sie stammt noch vom 16. Februar 1995 –: Damals habe ich mir gedacht: Wie gut, daß wir einen parteiunabhängigen Justizminister haben! Da haben Sie nämlich noch gesagt – laut einer APA-Meldung mit der Überschrift "Michalek: Lauschangriff wäre massivster Grundrechtseingriff" –, daß dies wahrscheinlich einer der massivsten Grundrechtseingriffe wäre, die es bisher gab. Sie meinen, daß die Zeit der Zurufe beendet werden müsse, sie warnen vor einer Anlaßgesetzgebung und vor einer von Emotionen und Irrationalitäten getragenen Diskussion. – Das war am 16. Februar, Herr Minister!

Die große Koalition hat sich Anfang März, daher auch schon im Februar, darüber unterhalten, wie denn die Ministerfunktionen wieder besetzt werden sollten: Sie waren auch im Gespräch. Ich werde den Verdacht nicht los, daß Sie gerade in diesem Vorfeld von Koalitionsverhandlungen, wo es darum ging, wer eben wieder Justizminister werden soll, plötzlich jene Standfestigkeit über Bord geworfen haben, die jedenfalls ... (Zwischenruf des Abg. Dr. Kräuter. ) Das mag sein, daß Sie das als kühn empfinden; ich kann mir auch vorstellen, daß das den Justizminister trifft. Es ist nicht meine Absicht, ihn zu treffen. Ich glaube aber, daß es notwendig ist ... (Abg. Dr. Puttinger: Das ist eine Unterstellung!)

Er kann es ja durch seine Art der Justizpolitik widerlegen. Ich glaube aber, daß es notwendig ist, wenn wir über Justizpolitik sprechen, solche Bemerkungen zu machen, wenn man es so empfindet, und vor Dingen zu warnen, die insbesondere im Justizbereich gefährlich sind. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Denn wenn Sie unter dem Druck einer Koalition, die nichts Besseres zu tun hat, als dem Zuruf der auflagenstärksten Zeitungen und der Interessenpolitik zu folgen, dann genau dieser Art von Politik den Boden bereiten, indem Sie Entwürfe liefern, wo Sie sich irgendeine Begründung holen können, die gerade noch vertretbar ist, dann brauchen wir, sage ich Ihnen ganz offen, keinen unabhängigen Justizminister, dann kann es gleich ein ÖVP-Minister sein (Abg. Dr. Graf: Wieso die ÖVP?) , und besser ist die SPÖ in diesem Bereich auch nicht. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Es geschieht das – ich sage das wirklich mit Bedauern – vor einem Bild, das nicht der Realität entspricht, vor einem Bild der angeblich ansteigenden Kriminalität, vor einem Bild, das ganz bewußt gezeichnet wird. Und auch das ist so ein wesentliches Merkmal vieler Politikfelder, insbesondere auch der Justizpolitik. Man glaubt nämlich gar nicht, wie stark auch die Justizpolitik von Interessen berührt ist und von Interessen geprägt ist. Man meint oft, daß sich das nur im Wirtschaftsbereich abspielt oder in Bereichen, wo es vielleicht Kartelle, Lobbies oder ähnliches gibt. Aber wie stark das hier ist, muß man sich erst einmal vorstellen und hinterfragen.

Auf der einen Seite ist es tatsächlich das Interesse vieler Medien, ein Bild der Bedrohung zu zeichnen, denn Kriminalität ist einfach ein verkaufsträchtiges Thema. Das ist Realität.

Man braucht sich ja nur anzuschauen, wie derartiges aufgezogen wird. Die Medien haben Interesse an Einzelfällen. Es ist ja nicht einmal wesentlich, wo sich dieser Einzelfall abgespielt hat, ob das in Österreich war, ob das in Schottland war, ob das in Neuseeland war; wesentlich ist, daß dieser Fall aufbereitet werden kann, um so als verkaufsträchtiges Thema an die Leserinnen und Leser herangetragen zu werden. Es ist daher, so behaupte ich, das Interesse der Medien, ein solches Bild herzustellen.


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