Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 16. Sitzung / Seite 371

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getroffen, insbesondere was zum Beispiel die Flexibilisierung der Arbeitswelt anlangt und die Kondition dazu, daß sie nicht auf dem Rücken der Arbeitnehmer ausgetragen werden darf – an sich eine Selbstverständlichkeit, aber ich betone es ausdrücklich.

Sie hat auch eine sehr interessante Feststellung getroffen, was das Karenzgeld anlangt und die Väter, die in die Pflicht zu nehmen wären. Allerdings findet sich von dem, was sie sagt, in dem, worüber wir heute Beschluß zu fassen haben, überhaupt nichts, es steht teilweise sogar im Widerspruch zu dem, was heute hier geschieht. Ich werde mich dem Aspekt, daß Kollegin Reitsamer im Zusammenhang mit sozialen Transferzahlungen plötzlich das Unterhaltsrecht entdeckt, sicher noch im Detail zuwenden.

Die Summe aber – das ist die Verknüpfung mit dem, was ich hier einzubringen habe – ist dadurch gekennzeichnet, daß ich zwar Kollegin Reitsamer zu 100 Prozent abnehme, daß sie davon überzeugt ist, daß das, was hier zur Beschlußfassung vorgelegt wird, eine taugliche Grundlage ist, um sowohl den Staatshaushalt zu sanieren als auch mit Optimismus in die Zukunft zu gehen, ihr aber sage: Schon in den nächsten Monaten – im Juli, spätestens aber im Jänner nächsten Jahres – wird sich zeigen, daß es sich dabei leider um ein Wunschdenken handelt, weil zwar vielleicht – vielleicht! – die Konsolidierung des Staatshaushaltes gelingen wird – auch diesbezüglich gibt es große Skepsis –, sicher aber nicht Optimismus und Lebensfreude geweckt werden durch das, was heute hier beschlossen wird; und zwar durchaus Optimismus, der auch zur Kenntnis nimmt, daß es jetzt einmal vielleicht ein bißchen härter ist, daß es aber besser werden wird. Diese Prognose ist aber aus dem Paket nicht ableitbar!

Es ist nicht ableitbar, daß es sich jetzt um eine Durststrecke handelt, die man solidarisch überwinden sollte, damit es zu einem neuen Anfang kommt, sondern es handelt sich – das wurde wirklich in dieser Woche in diesem Hause schon wiederholt gesagt; und ich wiederhole es bewußt – um ein Notprogramm, das gerade auch im sozialen Bereich eher Verzweiflung auslösen wird als Hoffnung. Und das ist deswegen wirklich unangenehm und geradezu beunruhigend, weil wir darauf angewiesen sind, daß die Menschen in diesem Land mit Optimismus mit uns gemeinsam an die Bewältigung dieser Probleme herangehen und nicht verzagt sind. (Beifall beim Liberalen Forum.)

So finden wir hier einen Befund vor, der zeigt, daß die Ursachen, die durchaus Anlaßfälle genug liefern würden, um im Sozialfeld zu reformieren, draußen vor der Tür geblieben sind, wir uns nur mit Symptomen beschäftigen – und das ausschließlich unter dem Blickwinkel: Wie komme ich möglichst rasch an Geld aus den Sozialtöpfen heran, um einigermaßen zur Budgetsanierung beizutragen?

Da wir hier eine der nicht mehr zählbaren Novellen, die in dem Strukturanpassungsgesetz enthalten sind, zum ASVG beschließen werden, versuche ich jetzt wirklich bewußt einen Appell an den Herrn Bundesminister zu richten und frage ihn: Wo sind der Pioniergeist und der Optimismus der fünfziger Jahre geblieben?

Im Jahre 1955 wurde das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geschaffen, sozusagen auf einer sozialversicherungsrechtlich grünen Wiese – als Jahrhundertgesetz gedacht und durchaus auch mit sehr viel Innovation –, und wir haben es in 40 Jahren geradezu zu Tode novelliert, haben es in ein Gesetz verwandelt, das selbst kundige Menschen kaum noch verstehen können, weil Novelle auf Novelle gehäuft wurde, sodaß sogar Sozialversicherungsrechtsexperten – allein die Länge dieses Wortes sollte uns stutzig machen – nicht mehr so ohne weiteres in der Lage sind, einem Auskunftssuchenden zu erklären, was seine Rechte sind; bei den Pflichten ist es gelegentlich einfacher.

Warum gehen wir nicht gemeinsam sozusagen zurück an den Start und überlegen uns – bei aufrechter geltender Rechtslage; ich will da nicht mißverstanden werden –: Was wollen wir gemeinsam erreichen mit unserem Sozialversicherungsrecht, mit unseren Sozialrechten, mit unseren Karenzierungsregelungen?, damit wir gemeinsam definieren können, was überhaupt gesetzlich zu regeln wäre, und damit wir auch herausfinden können, wie wir aus dem jetzigen System in ein neues wechseln können? Dann würden vielleicht auch die wechselseitigen


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