Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 16. Sitzung / Seite 459

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Da bereits fast alle Details aus dem Kapitel Soziales sehr ausführlich abgehandelt wurden, möchte ich nur mehr einen kleinen Teil ansprechen. Akademikerinnen und Akademikern wurden immer Schul- und Studienzeiten für die Pensionen angerechnet. Das hat sich nun entscheidend verändert. Kollegin Schaffenrath findet diese Maßnahme insbesondere für Akademikerinnen ungerecht. Als selbst davon Betroffene muß ich dazu sagen: Es ist sehr, sehr unangenehm, es ist hart, aber es ist gerecht. Denn wenn man bedenkt, daß zu einem Zeitpunkt, zu dem Gleichaltrige bereits voll im Arbeitsprozeß mit damals noch zwei, dann drei und vier Wochen Urlaub eingegliedert waren, hatten wir Studenten viel mehr Freiheit und längere Urlaube, und wir konnten unsere Jugend genießen. Die Werkstudenten, für die das selbstverständlich nicht gilt, haben aber Versicherungszeiten angespart, weil sie Beschäftigungsverhältnisse hatten.

Durch das Hochschulstudium erreichen wir aber auch ein höheres Sozialprestige, eine besser bezahlte Arbeit, eine Arbeit, die Freude macht und die häufig Berufung ist. Auch wenn wir Frauen, wie bei fast allen Berufen – mit Ausnahme des Bundesdienstes –, schlechter bezahlt sind als die Männer, ist die Akademikerin doch gegenüber der Arbeiterin und Angestellten privilegiert. (Zwischenruf der Abg. Schaffenrath .) Sie haben die Stillzimmer abgelehnt. Ich kann nur sagen: Ich bin für die Stillzimmer. Denn lange Arbeitsunterbrechungen machen oft das Karriereziel einer Frau unmöglich. Daher wird es einige geben, die sich sehr wohl dafür entscheiden müssen, auch stillend ihren Beruf wieder auszuüben. (Beifall bei der SPÖ.)

Wie gesagt: Ich halte diese Maßnahme für gerechtfertigt und gerecht, obwohl ich natürlich nicht begeistert davon bin, denn das betrifft ja mich selbst. Langfristig können wir die Pensionen jedoch nur mit entsprechenden Einnahmen und längerer Versicherungsdauer sichern.

Für das Spannen des Sozialnetzes ist Vollbeschäftigung unumgänglich notwendig. Nur durch Sozialversicherungs- und Steuereinnahmen haben wir die Möglichkeit von Auszahlungen. Daher müssen wir uns anstrengen, die Arbeitsplätze zu erhalten und für weitere zu sorgen. Wir sollten aber nicht eine Bevölkerungsgruppe gegen die andere aufhetzen lassen, sonst verliert der Generationenvertrag an Gültigkeit. Jedem Staatsbürger muß klar sein, daß er Verantwortung nicht nur für sich, sondern ebenso für alle anderen trägt.

Mißbrauchsmöglichkeiten sollen mit den vorliegenden Gesetzentwürfen verringert werden. Wir sollten uns aber davor hüten, Sozialdebatten überwiegend zu Mißbrauchsverhütungs-Debatten umzufunktionieren. Was uns bei anderen als Mißbrauch erscheint, empfinden wir bei uns selbst oft als "wohlerworbenes Recht". Oft hörte ich von Männern, daß sie knapp vor der Pensionierung noch schnell eine junge Frau heiraten, damit ihre Pension nach ihrem Tode nicht verfällt. Öfters sah ich, daß man für Urlaube für die Kinder einen Zuschuß von der Krankenkassa wegen Atemwegserkrankungen beanspruchte, obwohl man natürlich sonst auch auf Urlaub gefahren wäre. – Diese Möglichkeit gibt es heute zum Glück nicht mehr.

Das war der Mißbrauch bei denen, die man normalerweise nicht meint, wenn man von Mißbrauchsverhütung spricht. Da meint man nämlich die Armen, die Kleinen, die Bezieher von Arbeitslosengeld. (Beifall der Abg. Reitsamer und Öllinger .)

Ursprünglich war der Staat bereit, für ein Drittel der Pensionszahlungen aufzukommen. Zwei Drittel wären von der Pensionsversicherung zu leisten. Aus Gründen der Gerechtigkeit müssen wir dafür sorgen, daß der Bundesanteil bei allen Pensionssystemen im gleichen Prozentsatz geleistet wird. Als Politiker sind wir gefordert, den Menschen klarzumachen, daß diese Einschnitte unumgänglich notwendig sind, daß wir solidarisch sein müssen mit der jungen Generation und mit der alten.

Nur eine solidarische, aufgeschlossene und verantwortungsbewußte junge Generation, der man mit Achtung begegnet und für deren Zukunft wir sorgen, wird an diesem Staatswesen ihren Anteil haben und am Generationenvertrag teilnehmen, wie wir das derzeit tun. Wenn wir erreichen, daß in unserem Land das Miteinander einen höheren Stellenwert hat als jedes kleinliche Gegeneinander, dann bin ich sicher, daß unsere Pensionsversicherungssysteme die Pensionen – trotz aller schmerzlichen Einschnitte – für die Zukunft garantieren können. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

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