Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 17. Sitzung / Seite 68

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Meine Damen und Herren! Das ist der Befund! Dafür der Dank vom Herrn Bundeskanzler. Aber ich verstehe es. Doch schauen wir den Dingen etwas genauer auf den Grund! Der Herr Bundeskanzler hat ja in seinem Dank auch mitschwingen lassen, es sei dies eine außerordentliche Situation, und der Zeitdruck sei sehr groß. Auch die internationale Situation wirke hinein, und deshalb sei nun einmal diese Vorgangsweise notwendig gewesen, und zwar als eine Art Krisenbewältigung, meinte der Bundeskanzler.

Ich lasse mich jetzt gar nicht auf die Frage ein, was denn die Ursachen dieser Krisen sind, was denn der Grund für dieses Tempo, das da an den Tag gelegt wurde, ist. Diese Bundesregierung hatte doch fast ein Jahrzehnt Zeit für viele dieser Dinge, die jetzt in einer sehr radikalen Art und Weise, in einem Husch-pfusch-Verfahren über die Bühne gebracht werden. Es sind Jahre verludert worden, und jetzt macht man aus der Not eine Tugend und sagt, jetzt müsse das alles blitzartig geschehen.

In allen zentralen Punkten, die uns Schwierigkeiten bereiten, bleiben Sie seit vielen Budgetdebatten Reformen schuldig, und deshalb befinden wir uns nun in dieser Situation. Man kann auch nicht behaupten, daß Sie jetzt tatsächlich strukturelle Reformen auf den Tisch gelegt haben.

Mein erster Vorwurf lautet, meine Damen und Herren, daß Sie den Mindeststandard eines parlamentarischen Gesetzgebungsvorganges unterlaufen haben. Denn: In jedem Gesetzgebungsverfahren, in jedem Verfassungsleben – von politischer Kultur war die Rede – kann es doch nur so sein, daß das Parlament die materiellen Gesetze erläßt und auf dieser Grundlage dann ein Budget mit den gesetzmäßig gebundenen Ausgaben, mit den Ermessensspielräumen und all diesen Dingen mehr erstellt wird.

Meine Damen und Herren! Bei jenen Vorgängen, mit denen wir in den vergangenen Wochen und Tagen konfrontiert waren, war es genau umgekehrt. Die Bundesregierung hat diesem Parlament zugemutet, daß es all das, was sie an Gesetzen zusammengetragen hat, in einem einzigen Gesetzgebungsakt beschließt. Dadurch wurde eigentlich das gesetzgeberische Verfahren, das unsere Verfassung vorsieht, auf den Kopf gestellt.

Aus Anlaß einer Budgeterstellung wurde ein Wust von fast 100 Gesetzen erlassen, und das in einem einzigen Gesetzgebungsakt mit vielen Materien, von denen – normalerweise und nicht nur nach österreichischem Standard, sondern auch nach internationalen Kriterien – es viele davon selbstverständlich wert gewesen wären, im einzelnen, in einem Ausschuß oder sogar in einem Unterausschuß behandelt zu werden. Man hat aber das Ganze in ein Paket gepackt und diesem Haus vorgelegt. Dann wurde es in dem schon vielfach kritisierten Verfahren hier durchgezogen.

Meine Damen und Herren! Diese Art von Sammelgesetzgebung erinnert mich an mittelalterliche Reichstagsverhältnisse, wo es ein Märzfeld und ein Novemberfeld gab, wo man zweimal im Jahr zusammengekommen ist, um Recht zu schaffen, und dann ging man wieder auseinander.

Ich fürchte, diese Regierung wird auf den Geschmack kommen, es genauso zu machen, und wird sagen: Das ist wunderbar, so machen wir es auch! Einmal im Jahr wird alles herbeigeschafft und erledigt, das Parlament hat dann das Ganze zu schlucken, und damit hat es sich schon mit der Gesetzgebung. Ich halte das allerdings für eine eindeutige Verletzung des Grundsatzes der Gewaltentrennung und für eine Verletzung des parlamentarischen Regierungssystems. Dem werden wir sicherlich nicht unsere Zustimmung erteilen! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Schauen wir uns doch auch einmal an, was alles eigentlich in der Praxis vorgefallen ist. Der Herr Bundeskanzler hat nämlich gemeint, es seien sehr viele wichtige Gesetze beschlossen worden, es seien jetzt zentrale Themen erledigt. Nur damit Sie sehen, wie eigentlich die Dinge am Parlament vorbeilaufen, einige wenige Beispiele:

Wir hören seit vielen Wochen von einem 30-Milliarden-Paket, das die Gemeinde Wien mit dem Bund geschnürt hätte. Ich frage mich manchmal: Wer ist denn nun eigentlich derjenige, der den


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