Meine Damen und Herren! Kollege Haider hat von einem Stimmungsabschwung gesprochen – das wird sicherlich stimmen. Die wirtschaftlichen, sozialen, aber auch sicherheitspolitischen Verhältnisse gestalten sich so, daß man mit der Politik dieses Kontinents, daß man mit der Politik der Europäischen Union sehr unzufrieden sein muß. Das ist klar, das muß man auch offen sagen.
Aber das Wichtigste in diesem Zusammenhang ist, meine Damen und Herren, daß wir von dieser Schönwetter-Philosophie wegkommen, die noch aus der Zeit des Referendums stammt, zu der man das Europa und die Europäische Union geradezu als politisches Schlaraffenland – und nicht nur das politische Schlaraffenland – hingestellt hat, als ob sich mit dem Beitritt zur Europäischen Union die Probleme geradezu von selbst lösen würden. Mitnichten!
Wir wissen genau, daß die Europäische Union einen ganz normalen politischen Körper darstellt, der dazu da ist, Probleme zu lösen und der in dieser Funktion selbstverständlich unverzichtbar ist, wir wissen aber auch, daß die Dinge dort genauso wie hier in der innerstaatlichen Politik kontroversiell laufen. Es gibt inhaltliche Auseinandersetzungen, es gibt selbstverständlich Interessendurchsetzungsstrategien, aber letzten Endes müssen wir uns im klaren darüber sein, daß diese Europäische Union für diesen Kontinent, für sämtliche politische Bereiche – von der Sicherheits- und Friedenspolitik abwärts, bis zur Ökologie, bis zu den sozialen Fragen – den einzigen und sinnvollen politischen Rahmen darstellt, durch den wir die Chance haben, die immensen Probleme, die wir überall haben, auch tatsächlich lösen zu können. Und das ist das Entscheidende der Europäischen Integration beziehungsweise der Europäischen Union. (Beifall beim Liberalen Forum.)
Davon ausgehend möchte ich mich mit der konkreten österreichischen EU-Politik auseinandersetzen und möchte zwei Beispiele bringen, die für mich symptomatisch sind und aufzeigen, daß wie wir in unserem europapolitischen Bewußtsein steckengeblieben sind. Die zwei Beispiele, die die Österreicherinnen und Österreicher immens aufgeregt haben, sind die Beispiele Maut und anonyme Sparbücher. Sie sind für mich deshalb so typisch, weil sie erstens Emotionen wecken und weil sie zweitens aufzeigen, wie falsch es wäre, zu glauben, daß man mit einzelstaatlichen Maßnahmen irgend etwas erreichen kann.
Bei der Mautfrage, die, wie alles was mit Autofahren zusammenhängt, die Österreicher immens aufregt, ist doch völlig klar, daß zwei Dinge geschehen müssen: Erstens bedarf es einer gesamteuropäischen Verkehrspolitik, und ich füge hinzu, einer, die von ökologischen Gesichtspunkten ausgeht, obwohl ich weiß, daß wir davon weit entfernt sind. Das ist aber das Politische an der Europäischen Union, und es sollte unser Anliegen und unser Motiv sein, daß wir die Dinge dorthin bewegen, wo sie nach unseren Gesichtspunkten richtig sind. Es wird noch lange dauern, bis sich die Europäischen Union in diesen Dingen bewegt, weil natürlich massive gegenteilige Interessen existieren. Eine völlig klare Sache!
Zweitens ist hinzuzufügen, daß die Kostenwahrheit beim Verkehr essentiell ist.
Der dritte Punkt ist, daß es selbstverständlich europaweite entsprechende Kostenlastenverteilungen geben muß.
Das ist das Entscheidende. Und jetzt können wir herumstreiten, welches das vernünftigste System wäre, aber diese gesamteuropäische Perspektive dürfen wir nicht aus dem Auge lassen, und wir dürfen auch nicht manchmal den Eindruck erwecken, na, es ist herrlich, wir machen es einfach so, wir isolieren dieses Land mit dieser oder jener Maßnahme. – Das nützt nichts, weil wir von den gesamteuropäischen Verhältnissen sehr stark abhängig sind und nicht wieder in ein "Inselstaatsdenken" verfallen und sagen dürfen: Pflöcke in die Straße, wir lassen nichts rein! – Mit den Pflöcken meine ich jetzt symbolische Sperrmaßnahmen, die sich ja manche vorstellen. – Das ist für mich ein sehr interessantes Beispiel.
Das vielleicht noch bekanntere Beispiel ist jenes mit den anonymen Sparbüchern. Worauf ist da nicht alles hingewiesen worden: auf die österreichische Sparkultur, auf die Mentalität, die man den Leuten nicht wegnehmen könnte. Es wurden die furchtbaren Dinge, die die Österreicher nach zwei Weltkriegen mit ihren Sparbüchern erlebt haben, an die Wand gemalt und so weiter.