Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 17. Sitzung / Seite 282

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Ich war letzten Sonntag mit Vertretern der UNO bei einem Lokalaugenschein in Tschernobyl. Das Bild, das sich dort bietet, ist nach wie vor ein verheerendes, ein deprimierendes, mit beängstigenden gesundheitlichen Konsequenzen, die sich gerade jetzt nach zehn Jahren in einer massiven Zunahme der Krebsraten, in jetzt belegbaren genetischen Veränderungen und so weiter in beängstigendem Ausmaß niederschlagen. Wie gravierend die Gesundheitsfolgen langfristig sein werden, kann derzeit noch niemand wirklich beurteilen. All das ist Hypothese. Sie sind aber auf jeden Fall mittlerweile nicht mehr verharmlosbar, zeitlich nicht mehr begrenzbar.

Wenn Sie die Meldungen aus der Ukraine gestern und heute nacht über den Waldbrand, der in der Region Tschernobyl in der 30-Kilometer-Zone entstanden ist, verfolgt haben und hier hören, daß aufgrund der Tatsache, daß es nach wie vor zu einer massiven Kontamination, gerade durch Cäsium, im Bereich dieser Sicherheitszone in den Böden, in den Pflanzen et cetera kommt, Cäsium massiv freigesetzt wurde, können Sie erahnen, daß dies eine lebensgefährliche Hypothek ist, die uns vor zehn Jahren hinterlassen wurde, die uns vermutlich noch Jahrzehnte auf diese lebensgefährliche Art und Weise verfolgen wird.

Gerade angesichts dieser Tatsache ist das Faktum, daß man den Reaktor 1 und 3 vor Ort mit 5 000 Beschäftigten weiterlaufen lassen will, eigentlich ein tagtäglicher menschenverachtender Akt. Gerade der Reaktor 3 ist nur durch eine Mauer vom Sarkophag getrennt, jederzeit kann der Funke überspringen, kann es zu einer Kettenreaktion im Sarkophag kommen und damit Reaktor 3 ebenfalls in Richtung eines größten Unfalls gehen.

In der Ukraine sind am Wochenende als Konsequenz des G-7-Gipfels von Moskau, der ja blamabel geendet hat, was die Atomfrage betrifft, eine historische Chance verspielt hat, auch Meldungen aufgetaucht, daß die Ukraine nun wieder verstärkt in Atomenergie investieren will. Und zwar geht es konkret um zwei Reaktorblöcke, die seit Jahren stillstehen und zu 60 Prozent fertiggebaut sind: Das sind die Reaktorstandorte Rovno und Chmelnizki – beide in der Südwestukraine gelegen. Die sollen nun fertigfinanziert werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auf Intervention der G 7 gibt es einen Antrag bei einem für Österreich interessanten Kreditgeber, nämlich bei der Ost-Wiederaufbaubank, bei der EBRD, mit den gleichen potentiellen Betreibern, wie wir es im Fall Mochovce erlebt haben, nämlich Siemens, Framatom und Electricité de France. Also ein 10-Milliarden-Schilling-Kreditansuchen zum Ausbau des Atompfades der Ukraine zu neuen Hochrisikoreaktoren vom Typ WWER-1000, das ist der Schwesterreaktor zur Temelin-Baulinie. Wenn die EBRD tatsächlich diesem Antrag der G 7 stattgibt, würde das bedeuten, daß österreichisches Kapital direkt in den Ostatomausbau, direkt in den Atomausbau der Ukraine fließt.

Wir werden deshalb heute hier die Gelegenheit nutzen, die Bundesregierung sehr, sehr eindringlich aufzufordern, bei diesem Kreditantrag der G 7 ihr Veto als Mitgliedsland der EBRD einzureichen. Es kann nicht sein und es darf nicht sein, daß zehn Jahre nach der Katastrophe von Tschernobyl mit österreichischem Kapital Atomreaktoren in Osteuropa weitergebaut, fertiggebaut werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, da kann es von der Regierungsseite her heute gleich zu einer Klarstellung kommen. Ich erwarte mir das gleiche Vorgehen wie im Fall Mochovce. Wir werden auch im Europaparlament – ich erhoffe mir die Unterstützung aller Fraktionen dieses Hauses und derer Abgeordneten im Europaparlament – selbstverständlich beim nächstmöglichen Anlaß – das ist die Sitzung vom 8., 9. Mai – initiativ werden, um auch ein Veto des Europaparlaments gegen diese Finanzierungskonzepte, gegen diese 10-Milliarden-Konzepte für neue Atomreaktoren in der Ukraine – wie gesagt, dann auch mit österreichischer Kapitalbeteiligung – zu erreichen! – Das ist der eine Bereich.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zweitens: Wir haben in diesem Parlament im vergangenen Jahr bereits einige wesentliche Durchbrüche erzielt, einige sehr, sehr positive Beschlüsse erzielt, was die österreichische Antiatompolitik betrifft. Dieses Parlament hat in zwei Sitzungen im Juli und im Februar des vergangenen Jahres eine Serie von offensiven Maßnahmen für eine engagierte österreichische Antiatom-Außenpolitik beschlossen. Ich war sehr


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