Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 17. Sitzung / Seite 427

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Ich darf auch festhalten, meine sehr geehrten Damen und Herren, daß wir in Österreich nach wie vor und sicherlich auch in der Zukunft in der Lage sein werden, allen unseren Schülerinnen und Schülern nahezu kostenfreie Schulbücher auf den Tisch zu legen, daß wir weiterhin die nahezu kostenfreien Schulfahrten garantieren können, daß wir Klassenschülerzahlen haben, die einen europäischen Vergleich nicht zu scheuen brauchen. Es ist nicht die Zeit, hier wehzuklagen und zu jammern, vielmehr wäre es richtiger, eben diese Herausforderung anzunehmen und zu versuchen, ihr zu begegnen.

Meine Damen und Herren! Bei ehrlicher und kritischer Überprüfung der heute gegebenen Situation im gesellschaftlichen Bereich muß man erkennen und wahrnehmen, daß die sehr starren Strukturen unseres Schulwesens den Gegebenheiten der Zeit – ich meine damit die Dynamik, die gesellschaftliche und politische Veränderung, sei es EU-Beitritt, sei es Ostöffnung – nicht mehr entsprechen. Es geht meines Erachtens daher darum, diese verkrusteten Strukturen auch in den Schulen zu hinterfragen, auch in den Schulen aufzubrechen.

Daß das im Ministerium bereits geschieht, hat die Frau Bundesminister erwähnt. Wenn es darüber hinaus möglich wäre, dafür mehr Geld zu haben, wäre das schön, aber es ist nun einmal nicht so, und ich hoffe aber dennoch, daß wir alle mit gutem Willen auch mit den vorhandenen Mitteln diese Ziele erreichen.

Aber zurück zur gesellschaftlichen Situation, meine Damen und Herren! Wir müssen zur Kenntnis nehmen, daß Kinder und Jugendliche heute eine andere Welt erleben, heute in anderen Verhältnissen aufwachsen, als das noch vor 10 oder 15 Jahren der Fall war. Die Berufstätigkeit der Eltern ist permanent im Steigen begriffen. Das wollen wir. Das will diese Gesellschaft. Das läßt sich auch nicht eindämmen. Eine traurige Tatsache ist, daß ein Drittel der Ehen in Österreich geschieden wird, eine Tatsache, die sich ganz dramatisch auf das Befinden der Kinder auswirkt. Viele Kinder sind Einzelkinder oder Kinder von Alleinerziehern. Die bewährte Kultur des Miteinanders in der Familie oder in anderen Lebensgemeinschaften ist dadurch seltener geworden, das Alleinsein ist häufiger geworden. (Abg. Schwarzenberger: Das ist die Regel geworden!) Bedauerlicherweise.

Ich entnehme einer aktuellen Studie des Sozialpsychologen Hurrelmann, daß es immer mehr Kindern schlecht geht beziehungsweise daß sich immer mehr Kinder schlecht fühlen. Lassen Sie mich nur drei relativ wichtige Daten aus dieser Studie ansprechen: Etwas mehr als ein Drittel der Kinder und Jugendlichen eines Jahrganges leiden permanent an Kopfschmerzen, an Magenschmerzen, an Schwindelgefühlen oder Schlafstörungen. Mindestens 10 Prozent aller Kinder sind chronisch krank. Allergien wie Asthma, Neurodermitis verbreiten sich epidemieartig.

Ich höre aber auch, sehr geehrte Damen und Herren, daß in unseren Schulen geklagt wird über Aggression, über Verweigerung und nicht selten über Mißerfolge seitens der Schüler. Dazu kommt noch, daß wir Politiker, aber auch die Gesellschaft und in besonderer Weise die Eltern verlangen oder zumindest erwarten, daß die Schule noch viel, viel mehr tut, als Unterricht zu erteilen, als Bildung zu vermitteln. Es ist selbstverständlich geworden, in die Schulen zu integrieren, die ganztägige Betreuung ist eine alltägliche Forderung, die Anwendung modernster Lehr- und Lernformen wird erwartet, desgleichen die Vermittlung von Schlüsselqualifikationen, Interventionen bei Problemen mit Alkohol oder Suchtgift, Interventionen bei Jugendkriminalität. – Ich möchte das nicht weiter fortführen, weil das ohnedies jeder weiß.

Tritt also ein gesellschaftliches Problem an den Tag, so ist der Ruf sehr rasch zu vernehmen, die Schule solle sich darum kümmern, und man muß in der Tat zur Kenntnis nehmen, daß die Schule heute schon Teil einer Reparaturwerkstatt von gesellschaftlichen Problemen wird. Wir müssen daher sehr gut und sehr intensiv aufpassen, daß es nicht zu einer Überforderung unseres Bildungswesens kommt, daß unsere Lehrer nicht tatsächlich resignieren. Ich stehe nicht an, mich den Dankesworten, die schon einige Vorredner anläßlich der Unterrichtsdebatte hier ausgesprochen haben, den Lehrern gegenüber für ihre geleistete Arbeit ebenfalls anzuschließen. (Beifall bei der SPÖ.)


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