Bewegungserfahrung, die fehlende positive Grundlegung für ein kontinuierliches Sporttreiben ein Leben lang hat die Ursache bei Mängeln im Schulunterricht.
Blättern wir kurz zurück: Ich durfte ja gestern über das Hickhack im Kompetenzdschungel des Sportwesens Österreichs berichten. (Abg. Grabner: Hast du eine Ahnung!) Am 16. Oktober 1992 meldet der Herr Bundesminister Ausserwinkler: "Wir werden dafür sorgen, daß durch die Trennung der Ressorts Unterricht und Sport der wichtige Bereich Schulsport nicht vernachlässigt wird" (Beifall bei den Freiheitlichen) – jetzt kommt die Pikanterie! –, "damit nicht weiterhin gesunde Kinder in die Schulen und viele mit Bewegungsunlust geschädigte Erwachsene aus den Schulen herauskommen." – Das hat sich der Herr Ausserwinkler im Jahre 1992 vorgenommen. Wie sein Debut am Sportsektor ausgegangen ist, wissen wir ja zur Genüge.
Verehrte Frau Bundesministerin! Es kann Ihnen natürlich noch nicht gelungen sein, und es ist Ihnen auch noch nicht gelungen, diese Bedenken Ihres Vor-Vor-Vorgängers auszuräumen, was die Kompetenz im Bereich des Schulsportwesens betrifft.
Aus dem jüngsten Bericht des Instituts für Familienforschung durfte ich zitieren, daß die Interessenlage unserer jungen Menschen ganz woanders liegt, und wenn wir uns die heute bereits erwähnte "Kronen-Zeitung" vom letzten Sonntag mit der Überschrift "Popmusik statt Turnsaalmief" hernehmen, dann hat hier Herr Professor Weiß angedeutet, wie es um den Sport, wie es um den Schulsport in Österreich steht. "Österreich haßt den Sport" übertitelt er provokant, aber im Detail meint er, durchaus nachvollziehbar: "Trotz einer reichen Tradition ist der Sport in Österreich lange Zeit ein Randphänomen geblieben und hat nach wie vor gegen Mißtrauen und Vorurteile anzukämpfen. Ganz schlecht steht es um die Eingliederung in das österreichische Bildungswesen, in dem der Sport über eine Kümmerexistenz nicht hinauskommt." Das sagt der Sportwissenschaftler Otmar Weiß, mit dem Sie sich ja in der "Kronen-Zeitung" vom Sonntag auf derselben Seite haben abbilden lassen. (Zwischenruf des Abg. Wabl. – Abg. Dr. Graf: Wegen Ihnen geht niemand zum Sport! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Dafür gehen dann alle in Frühpension wegen Wirbelsäulenschäden!)
Die Wirbelsäulenschäden, die die Zwischenruferin hier aufs Tapet bringt, sind natürlich der eigentliche Grund, warum sich Sportmediziner und Sportwissenschafter des Problems überhaupt annehmen. Es ist ja eine bedrohliche Situation entstanden: Man stellte – im selben Artikel übrigens auch in Zahlen benannt – an 35 und mehr Prozent der 12- und 13jährigen Schulkinder in Österreich Haltungsschäden und Wirbelsäulenverkrümmungen fest.
Wir haben ein freiheitliches Sportkonzept erarbeitet, das zum Thema Schulsport vermerkt: Der Schulsport erfüllt seinen Beitrag zur Volksgesundheit in einer unbefriedigenden Form. Die alarmierenden Berichte über den eben erwähnten allgemeinen Körperzustand von Österreichs Schuljugend haben mehrere Ursachen:
Erstens – hier schwerpunktartig aufgeführt –: die ungenützte Vorschulzeit. Dies kann man der Frau Bundesminister natürlich nicht anlasten. Die Sportwissenschafter wissen, daß der Bewegungserfahrungsschatz in der Frühkindheit – der Drei- bis Fünfjährigen – determinativ für das gesamte Leben ist und die günstigste Ansatzmöglichkeit bietet.
Zweitens: der fehlende Fachsportunterricht in der Volksschule. Wie schaut es da aus? Tausende teuer ausgebildete Sportlehrer stehen auf der Straße oder sind im Fremdeinsatz, und die Frau Oberschulrat macht in der Volksschule Ringelreihen. In den Bereichen der Vollkindheit, der Neun- bis Zwölfjährigen, schaut es ähnlich aus. Der Bewegungsbedarf, in dieser Altersstufe besonders stark ausgeprägt, ist völlig unerfüllt. Es wird die tägliche Sportstunde benötigt, das wissen wir. Sie haben natürlich nicht unrecht, daß man Bildungspolitik nicht immer nur mit Aufpappen und Dazunehmen machen kann, aber es gibt neben den von Ihnen erwähnten Qualitätsaspekten auch so etwas wie einen Quantitätsaspekt.
Es gibt überkommene Organisationsmodelle im Schulsport, das ist ein weiterer Schwerpunkt in unserem Konzept, und der erwähnte Turnsaalmief-Aspekt, der von den Massenmedien aufgegriffen wurde, spricht eine eindeutige Sprache.