Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 20. Sitzung / Seite 102

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System, das in keinem Land der Welt verwirklicht ist, und wir werden es auch in Österreich nicht verwirklichen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

16.09

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Seidinger. Er hat das Wort. Redezeit 10 Minuten.

16.09

Abgeordneter Winfried Seidinger (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Hohes Haus! "Arbeit für Österreich", wie es uns die Bewegung der "F" heute wieder einmal vorexerziert, ist Populismus in Reinkultur. Populismus in Reinkultur deswegen, weil sie immer wieder diese Arbeit für Österreich fordert und bis jetzt sehr wenige oder fast keine Beispiele geliefert hat, die auch tatsächlich Arbeit für Österreich gebracht hätten. (Beifall bei der SPÖ.)

Dabei operieren Sie vor einem ernsten Hintergrund. Wenn heute der "Kurier" in einer Aussendung titelt "Die Angst um Arbeit", so ist das nicht unbegründet, und zwar deswegen nicht unbegründet, weil das Linzer Meinungsforschungsinstitut Market festgestellt hat, daß 70 Prozent der Österreicher die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit als die wichtigste Aufgabe der Regierung ansehen. Und wir dürfen nicht verschweigen, daß die EU auf 20 Millionen Arbeitslose hinsteuert.

Wenn ich als Sozialdemokrat hier beim Rednerpult stehe, möchte ich nicht verabsäumen, zu wiederholen, daß die Vollbeschäftigung ein altes und neues Ziel unserer Bewegung ist, daß nur diese die Basis für den Wohlfahrtsstaat darstellt. Der Sozialstaat muß von der Jugend bis zu den Pensionisten alle Bürger umfassen.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich auf einige Punkte eingehen. Arbeitszeitverkürzungen brachten bisher nicht die gewünschten Erfolge. Verkürzte Arbeitszeit brachte erhöhte Produktivität durch verstärkte Automatisation. Das heißt, wenn wir uns in der Praxis umschauen: Volle Auftragsbücher der Industrie, aber leere Hallen, keine Menschen. Vielleicht sollte man die alte Dallinger-Idee wieder einmal aufgreifen, um zu fragen: Was ist mit der Wertschöpfungsabgabe, die damals als "Maschinensteuer" verdammt und verteufelt wurde?

Es geht auch um eine Neuverteilung der Arbeitszeit. Es ist also möglich, Überstunden zu teilen. – Jemand hat jetzt die Rechnung aufgestellt: Sollte man in der Steiermark die rund 1 Million Überstunden pro Woche bei einer 38-Stunden-Woche ansetzen, so würde das – Milchmädchenrechnung! – 26 315 neue Arbeitsplätze ergeben, und das gegenüber 40 000 Arbeitssuchenden. (Abg. Dr. Graf: Ein sehr fortschrittliches Konzept!)

Viele sagen jetzt: besser Teilzeit als keine Arbeit. Ich wehre mich nicht dagegen, jetzt Überstunden abzubauen und sie auf andere aufzuteilen; das kann eine sinnvolle Angelegenheit sein (Abg. Mentil: Kann!) , nur: Die Frage ist, ob man das aus kollegialer, freundschaftlicher Absicht heraus tut, oder ob man dazu Verordnungen, Gesetze, Zwang und Maßnahmen braucht.

Beim Stichwort "Solidarität": Sie werden sicher alle das Beispiel der VW-Werke kennen, wo Arbeitnehmer gesagt haben, sie verzichten auf Lohn und Einkommen, wenn Kündigungen dadurch vermieden werden können. – Nur: Dieser vorübergehende Einkommensverzicht bedeutet keine Dauerlösung. Dauerlösungen sind komplizierter, als es im ersten Moment den Anschein haben mag.

Nächstes Stichwort: Flexibilisierung. Ja, aber nicht um jeden Preis. Flexible Arbeitszeiten müssen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern verhandelt werden. Arbeitnehmerschutzbestimmungen sollen verbessert werden; gemeinsam mit der Wirtschaft ist nach einer kreativen Lösung zu suchen.

Aber schauen wir uns das im einzelnen an, verfolgen wir verschiedenste Medienberichte, so etwa über den Handel: Da wird gelobt, daß man jetzt bis halb acht oder halb neun einkaufen gehen kann. Ich frage aber andererseits: Werden auch jene gelobt, die bis halb acht oder halb neun hinter der Pudel stehen müssen, um zu verkaufen? Wann gehen sie einkaufen? – Das


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