Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 23. Sitzung / Seite 55

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Wir stehen hier vor einem massiven Problem. Gott sei Dank ist es in diesem Zusammenhang mittlerweile so weit, daß Gerichte gegen Amtsmißbräuche tätig sind. Ich wünsche mir, daß man dabei effizient vorgeht, daß es zu tatsächlichen Erfolgen kommt. Aber das Bestrafen und Realisieren von Amtsmißbräuchen allein ist zuwenig. Wir brauchen im Bereich der österreichischen Geheimdienste eine umfangreiche Gesamtreform, eine Totalreform, nicht ein Reförmchen, so wie ich es befürchte nach all dem, was sich da abzeichnet, das aus einer Innenministerium-Stapo eine Koalitions-Stapo macht, aus einer Staatspolizei mit blauem Inhalt und rotem Dachl eine Staatspolizei mit rot-schwarzem Dachl und wieder blauem Inhalt. Das kann nicht Sinn und Zielrichtung einer Gesamtreform sein!

Wir brauchen eine Gesamtreform der Dienste, dort, wo es Synergieeffekte zwischen den Diensten zu realisieren gibt, wo die Bürgerrechte gestärkt werden müssen und wo die Kontrollmöglichkeiten des Parlaments ganz wesentlich gestärkt werden müssen. Was derzeit in den parlamentarischen Kontrollausschüssen geschieht, ist Kontroll-Placebo, ist das Vortäuschen falscher Tatsachen. Hier gibt es keine Möglichkeit und keine Chance, tatsächlich die Geheimdienste zu kontrollieren – was Aufgabe dieses Hauses in einer aufgeklärten Demokratie wäre.

Wenn man die Situation der österreichischen parlamentarischen Kontrolle etwa mit der PKK – keine Angst meine Herren von der FPÖ, das ist keine gefährliche Vereinigung, sondern die Parlamentarische Kontrollkommission des Deutschen Bundestages – vergleicht, dann merkt man enorme Qualitätsunterschiede. Dort kann jedes einzelne Ausschußmitglied Akteneinsicht realisieren. Dort wird laufend, zumindest einmal im Monat, eine Sitzung über diesen Bereich abgehalten.

Wir haben eine sechsmonatige Sitzungsperiode, wir haben kein Akteneinsichtsrecht für das einzelne Mitglied, sogar meine Anträge auf Lokalaugenschein in diesen Ausschüssen – Kollege Ofner weiß das, er ist in diesem Ausschuß vertreten – wurden abgelehnt, und zwar mit dem "Argument": Wozu brauchen wir das? Nachdem dieser Antrag betreffend Lokalaugenschein bei der Staatspolizei abgelehnt wurde, hat sogar der Innenminister von sich aus erklärt: Bitte schaut sie euch doch an, ihr seid herzlich eingeladen, werte Ausschußmitglieder! So viel haben wir gar nicht zu verbergen, wie ihr glaubt. – Also da wird eher die Mauer gemacht als kontrolliert. So kann es nicht weitergehen!

Dritter Bereich – und das ist ein riesengroßes Gefährdungsszenario, was die Sicherheit Österreichs betrifft – ist dieser latente, laufende Abstrich und Abbau bei den Bürgerrechten. Das ist eine Situation, die dramatisch ist. Es gibt Einzelfälle und konkrete Beispiele dafür, wie etwa bei der Telefonüberwachung, was jetzt schon mit Material aufgrund der Undichtheit des staatspolizeilichen Apparates passiert. Das ist erschreckend. Da werden Existenzen vernichtet, da werden Personen laufend verleumdet, die es nicht verdient haben. – Soweit der Status quo.

Dazu will man jetzt diesem Apparat – unreformiert und ohne massive Veränderung – noch das gefährlichste Grundrechtsabbauinstrument, den "großen Lauschangriff", in die Hand geben. Das ist verantwortungslos! Ich glaube, daß eigentlich jeder Experte, der den Zustand der militärischen Dienste und der Staatspolizei kennt, zumindest aufgrund dieses Realzustandes sagen muß, daß in dieser Situation die Einführung des großen Lauschangriffes ganz einfach verantwortungslos ist, weil man absehen kann, was laufend mit den Materialien passiert – so wie es jetzt schon ist –, nur gibt es dann viel sensiblere Materialien über völlig unschuldige Staatsbürger. (Beifall bei den Grünen. )

Wenn ich dann einen Antrag der FPÖ in die Hände kriege und darin lese, daß die Ermittler in Zukunft die Wanzen nicht nur in der betroffenen Wohnung, sondern Lauschgeräte sogar in den Nachbarwohnungen anbringen dürfen sollen, dann muß ich mich schon fragen: Welcher Geist steckt da eigentlich dahinter? Das heißt, ich muß mir als betroffener Bürger in Zukunft aussuchen, neben wem ich wohne: Könnte das möglicherweise ein Opfer vom Lauschangriff werden: ja oder nein? Das ist der FPÖ-Antrag. So kann es – so hoffe ich zumindest – auch nicht gehen.

Letzter Punkt, den Abbau der Bürgerrechte betreffend. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir werden in allernächster Zeit, Ende Mai, im Hauptausschuß die Frage der Durchfüh


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