Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 23. Sitzung / Seite 54

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Erster Problembereich – und das erleben wir in den letzten Tagen wieder einmal zur Genüge – ist der Umgang der Exekutive mit Affären. Immer dann, wenn etwas passiert – und in welcher Betriebsgruppe, Berufsgruppe et cetera passiert nichts; wo passieren nicht Affären, wo gibt es keine Mißstände? –, ist die erste Reaktion: Schwamm drüber, wird schon nichts gewesen sein! Tut´s unsere Exekutive nicht verleumden! Und sofort gibt es Verleumdungsanzeigen gegen diejenigen, die die Affären ans Tageslicht gebracht haben. – Das ist der falsche Weg für eine Exekutive, die zeigen muß, daß sie reformbereit ist.

Beim Drogenskandal im Wiener Sicherheitsbüro erleben wir genau diesen falschen Weg jetzt wieder, und zwar seit Tagen: Schwamm drüber, wird schon nichts gewesen sein, nur keine Verleumdungen. Sofort gibt es Anzeigen und damit Bedrohungen gegen Leute, die Affären ins Rollen und an die Öffentlichkeit bringen. (Beifall bei den Grünen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist der Inbegriff der Reformunfähigkeit. Und mich erschüttert, daß sich etwa der Chef des Sicherheitsbüros, Herr Edelbacher – zu Recht, das weiß ich aus vielen, vielen Interna –, an die Öffentlichkeit wendet und sagt: Bitte sehr, nehmen wir doch diese Krise – und das ist auch meine These – als Chance, damit wir jene Reformen endlich realisieren, die notwendig und überfällig sind. Er sagte wortwörtlich: "Ich habe das seit meinem Amtsantritt 1990 versucht und bin seither gescheitert". – Das sagt der Chef des Wiener Sicherheitsbüros. Er ist gescheitert an einer Bürokratie, an einem Apparat, er ist gescheitert an der Personalvertretung, er ist gescheitert am Disziplinarrecht, an der notwendigen Reform et cetera.

Ich glaube, daß es darum geht, daß gemeinsam an einem Strang gezogen und nicht nur geredet wird, sondern daß diese Reformschritte, wo ja durchaus in manchen Bereichen Konsens zwischen den Parteien herrscht, auch umgesetzt werden.

Eine Ausbildungsreform etwa ist längst überfällig, Weiterbildungsmaßnahmen ebenso. Schauen wir uns die Situation von Drogenfahndern an: Daß es dort größtenteils ohne psychologische Betreuung abgeht, ist unmöglich, ist unmenschlich, und zwar allen Betroffenen gegenüber. Diese Streßsituation, diese Konfliktsituation, dauernd in einem Milieu zu arbeiten, in dem man offensichtlich manchmal von diesem selbst gefangen wird, und da keine Stütze, keine Betreuung, keine Supervision zu haben, ist untragbar! Es gibt zwar das Angebot, freiwillig eine Supervision in diesem Bereich durchzuführen, dafür gibt es einen Menschen, der für diese Supervision zur Verfügung steht. Das heißt, es ist wichtig, die Krise als Chance zu nutzen, um Reformen durchzusetzen und die erforderlichen Maßnahmen zu realisieren: Gehaltsreform, Überstundenreduktion und so weiter.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diesbezüglich gibt es Stoff genug. Wir haben eine ganze Palette von insgesamt zehn parlamentarischen Anträgen in dieser Legislaturperiode wieder eingebracht, die schon in der letzten Gesetzgebungsperiode eingebracht wurden, die genau diese Reformmaßnahmen skizzieren und versuchen, sie rasch durchzusetzen. Es wird in Österreich seit einem Jahrzehnt von der überfälligen Reform der Exekutive in Teilbereichen gesprochen. Geschehen ist bisher nichts. Ich hoffe, daß es diesmal nicht wieder bei der Ankündigung bleibt, sondern daß Innenminister Einem – über ein Jahr nach seinem Amtsantritt – doch die ersten "Reförmchen" jetzt verwirklichen kann, denn sonst bleibt er beziehungsweise wird er zum "Ankündigungsminister". (Beifall bei den Grünen.)

Zweiter Bereich: neben der Frage der Affärenbewältigung der Zustand der österreichischen Geheimdienste. Dieser ist besorgniserregend, ein Unsicherheitsfaktor höchsten Grades in dieser Republik, und zwar der österreichischen Staatspolizei und auch des militärischen Geheimdienstes. Wenn man vor einem Jahr gesagt hat, die österreichische Staatspolizei sei löchrig wie ein "Nudelsieb", "löchrig wie ein Schweizer Emmentaler" und von "Maulwürfen" unterwandert wie ein seit Jahren und Jahrzehnten ungepflegter Schrebergarten, dann ist man als Verleumder bezeichnet worden. – Mittlerweile regt sich keiner mehr darüber auf, jeder sagt, so ist es.


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