Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 23. Sitzung / Seite 121

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Sozialpolitisch und humanitär spielt das keine Rolle. Wenn wir eine gesunde demographische Struktur haben und eben mehr Kinder aus dem Familienzuzug hierherkommen – die sich übrigens meistens viel, viel rascher integrieren, als es dargestellt wird, viel, viel schneller die hier im Inland gebräuchliche Sprache so gut beherrschen, daß sie sich in der Schule kaum von anderen Kindern unterscheiden und daher auch kein wirkliches pädagogisches Problem darstellen, höchstens im Übergang –, dann heißt das nur, daß wir im Bereich von Schule, von Kindergarten und von Kinderbetreuung ganz generell offenbar strukturelle Defizite haben. Der Zuzug – von Familien in diesem Fall – zeigt Defizite auf, die wir auch dann hätten, wenn wir zum Beispiel im Inland höhere Geburtenraten hätten. Das ist das, was sich Kollege Bauer im Zweifelsfall wünscht, aber er hätte dann genau dasselbe Problem, und ich glaube nicht, daß er dann zur Vermeidung von Investitionen in Kindergärten eine besondere Geburtenkontrolle fordern würde. Das glaube ich nicht, aber nichts anderes macht er jetzt. (Heiterkeit beim Liberalen Forum.)

Das ist meiner Meinung nach viel zu vordergründig. Dabei gibt es genug zu kritisieren. Es ist ja nicht so, daß man, wenn man den Herrn Bundesminister für Arbeit und Soziales zu diesem Thema befrägt, nicht auch sehr kritische Aspekte sehen kann. Ich glaube beispielsweise, daß das Hin- und Herschieben der Quoten beziehungsweise dieser Verantwortlichkeit – einerseits Aufenthaltsbewilligung, andererseits Beschäftigung – unbefriedigend ist. Heute haben wir ja gehört, wie mit den Beschäftigungsquoten operiert wird. Ich meine – so gut, so schlecht –, sie passen überhaupt nicht zum Bestand der – aus welchem Titel auch immer – im Inland lebenden Ausländer.

Daher bleibt unsere Forderung in vollem Umfang aufrecht, daß jemand, der legal hier sein darf, dann auch arbeiten dürfen muß. Das würde zwar das Problem, das dem Kollegen Bauer nicht gefällt, noch mehr verschärfen, aber nur auf der sichtbaren Ebene, denn auf der unsichtbaren Ebene haben wir es immer. Denn ob jemand, der berechtigterweise hier ist und nicht arbeiten darf, sozusagen zwangsweise arbeitslos ist, oder ob jemand hier sein darf und nicht arbeitet, weil er keine Arbeit findet, das ist für den Betroffenen persönlich ziemlich gleichgültig. Nur: Einmal ist er in der Statistik, das andere Mal ist er nicht in der Statistik. Das ist der einzige Unterschied.

Wenn es nur um diese Statistik geht, dann, meine ich, ist man gut beraten, wenn man bei solchen Quotenregelungen für die Beschäftigung bleibt. Wenn man den Menschen im Mittelpunkt sieht, dann sagt man: Legaler Aufenthalt bedeutet, hier arbeiten zu dürfen. Den Rest überlassen wir dem Arbeitsmarkt und selbstverständlich unseren Sozialsystemen. (Beifall beim Liberalen Forum und der Abg. Mag. Stoisits .)

Das ist vielleicht – um in der Formulierung des Kollegen Bauer zu bleiben – "kein Thema beim Publikum", aber es sollte ein Thema in diesem Haus sein, denn wenn wir uns hier ausschließlich danach richten, was beim Publikum ein Thema ist, das sofort gefällt, dann werden wir zu einer Gefälligkeitsdemokratie gelangen, und die wird nicht sehr erfolgreich sein, denn die wird keine innovative Reformen machen, die wird sich zum Beispiel nicht dazu entschließen, endlich die Diskussion darüber zu beginnen: Was heißt eigentlich "arbeitslos"?

Ich wiederhole das bewußt wie eine Gebetsmühle. Unser System sagt: Arbeitslos ist jemand in unserer Welt, wenn er vorher irgendwann einmal eine unselbständige Erwerbsarbeit ausgeübt hat. Ich sage Ihnen, arbeitslos ist jemand, der gerne arbeiten möchte, aber keine Arbeit findet.

In dieser Gabel müssen wir eine neue Regelung finden, denn sonst werden wir immer mehr Leute aus der Statistik hinausschieben. Sie werden zwar arbeitslos sein, aber nicht aufscheinen. Das wird den sozialen Frieden nachhaltig beeinträchtigen, das wird à la longue auch demokratiepolitisch gefährlich sein, und das ist vielleicht auch der Grund, warum wir heute diese dringliche Anfrage erörtern: Man spürt die Absicht, hier für Unruhe zu sorgen, die Unruhe am Leben zu erhalten, jedoch nicht die konstruktive Unruhe, sondern die Unruhe, die da heißt Angst, die da heißt Sorge und die da heißt Phobie. Ich sage bewußt Phobie. Damit rede ich nicht zum Publikum, sondern zu diesem Haus, aber möglicherweise auch nicht zur Fraktion auf der rechten Seite.


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